Von Ralf Keuper
Die Preise, die auf Auktionen für Bilder berühmter Maler erzielt werden, eilen seit der Finanzkrise von Rekord zu Rekord. Viele millionen- und milliardenschwere Privatpersonen, aber auch Institutionen, nehmen vor schwankenden Aktienkursen und Immobilienpreisen Zuflucht bei den Meisterwerken der Kunst, oder was sie zumindest dafür halten.
Das führt hin und wieder zu bösen Überraschungen, nämlich dann, wenn sich vermeintliche Werke höchster schöpferischer Ausdruckskraft als nicht so wertvoll entpuppen, wie den Käufern vermittelt wurde, wie im derzeit laufenden Achenbach-Prozess einer breiten Öffentlichkeit vorgeführt wird. Auslöser war die Klage der Witwe von Berthold Albrecht, Sohn des Aldi-Gründers Theo Albrecht, bei der es um die Zahlung von 19,4 Millionen Euro Schadensersatz geht. Der Vorwurf lautet, dass Achenbach die Kunstwerke zu deutlich überhöhten Preisen verkauft habe.
Im Verlauf der Verhandlung spricht Babette Albrecht häufig von den “Dingern”, wenn sie die diversen Kunstwerke, die ihr Mann erworben hat, meint. Thomas Steinfeld kann in der SZ vom 13.03.2015 in Achenbach und die Dinger. Kunst als Trophäe und Krönung des Kapitalismus seine Verwunderung über die Bezeichnung von Kunstwerken als “Dinger” kaum zurückhalten. Er schreibt:
Von “den Dingern” sprach Babette Albrecht, als sie von den Kunstwerken redete, die Helge Achenbach ihrem Mann zu häufig überhöhten Preisen verkauft haben soll. In diesem Wort scheint auf der einen Seite das Kind zu sprechen, das den Kaiser in seinen neuen Kleidern sieht und dessen Nacktheit bemerkt. Andererseits aber verbirgt sich in dieser abfälligen Bemerkung auch eine Erkenntnis, wie weit es der Handel mit der Kunst mittlerweile gebracht hat: dorthin nämlich, dass sich der Kunstmarkt von der Kennerschaft mittlerweile so emanzipiert hat, dass der höchste Preis sein eigenes Argument geworden ist. Die Nachfrage nach “Dingern” gilt entsprechend nicht besonders guter oder besonders interessanter Kunst, sondern nur möglichst teuren Kunst-Werken, die möglichst viel Kapital anziehen und in sich bergen können, deren eigentliche ästhetische Qualität also in ihrem Preis liegt. In dieser Hinsicht, so lässt sich vermuten, hat der Kunstmarkt noch eine große Zukunft vor sich.
Eine etwas andere Sicht, was die der Schwäche vermögender Personen für die Kunst betrifft, vertrat Bertrand Russell. Für ihn war der Erwerb von Kunstwerken weniger von der Sucht nach weiterem Reichtum, sondern eher von dem Drang motiviert, die eigene Macht zur Schau zu stellen. Er schreibt:
Der Wunsch nach Gütern, sofern sie von Macht und Herrlichkeit getrennt sind, ist endlich und kann völlig durch eine maßvolle Wohlhabenheit befriedigt werden. Die wirklich unbegrenzten Begierden sind nicht von der Liebe zu materiellen Dingen diktiert. Güter wie eine durch Korruption dienstbar gemachte Legislatur oder eine Privatgalerie von alten Meistern, die durch Experten ausgesucht wurden, werden um der Macht und der Herrlichkeit willen erstrebt, nicht als fruchtbringende Bequemlichkeiten, auf denen man sitzen kann. Wenn ein mäßiger Stand des Komforts gesichert ist, werden sowohl Individuen als auch Gemeinschaften eher nach Macht als nach Reichtum streben: Sie mögen Reichtum suchen als Mittel zur Macht, oder sie mögen zunächst eine Zunahme an Reichtum vornehmen, um ein Anwachsen der Macht zu sichern, aber im ersteren wie im letzteren Fall ist ihr grundsätzliches Motiv nicht wirtschaftlicher Art (in: Formen der Macht)
Bei aller berechtigten Kritik an den Exzessen des Kunstbetriebes sollte aber nicht untergehen, dass es auch vermögende Privatpersonen mit ausgeprägtem Kunstverstand gibt. Ein Beispiel dafür ist Barbara Lambrecht-Schadeberg, die mit ihrer Sammlung Lambrecht-Schadeberg den Grundstein für das Museum der Gegenwartskunst in Siegen legte. Das Museum wurde übrigens im Jahr 2011 zum Museum des Jahres gekürt.
Nicht vergessen werden sollte an dieser Stelle auch nicht, dass viele Finanzinstitute und Industrieunternehmen über große Kunstsammlungen verfügen, wie die Deutsche Bank, Munich RE und Daimler.
Wir wollen mal davon ausgehen, dass die Motive der Letztgenannten nachhaltiger Natur sind.
Für Schlagzeilen sorgt seit einigen Monaten die Kunstsammlung der WestLB. Deren Nachfolgegesellschaft Portigon hat bereits einige Kunstwerke aus der Sammlung verkaufen lassen. Inzwischen regt sich gegen diesen “Ausverkauf” in NRW massiver Widerstand.
Kurz vor seinem Tod gab der ehemalige Vorstandschef der WestLB, Ludwig Poullain, in einem Interview Auskunft über seine Intentionen beim Kauf von Kunstwerken für die Sammlung der WestLB:
Es ging mir nie darum, in Kunst zu investieren. Ich kaufte schöne Bilder, weil sie mir gefielen, weil ich mich an ihnen erfreute. Die Bank kaufte Kunst, aber nicht, um sie zu verscherbeln und den Gewinn ins laufende Geschäft zu stecken. Ihre Bildergalerien waren Ergänzungen zu den Sammlungen der Museen.
Das nehmen wir mal so zur Kenntnis.