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Die BaFin begrün­det ihre Ent­schei­dung zur Sen­kung des Sys­tem­ri­si­ko­puf­fers für Wohn­im­mo­bi­li­en­kre­di­te unter ande­rem mit der wei­ter­hin nied­ri­gen NPL-Quo­te (Non Per­forming Loans). Tat­säch­lich liegt die­se in Deutsch­land aktu­ell bei ledig­lich 0,92 % und damit wei­ter­hin unter dem Niveau von vor Mit­te 2021. Auch im euro­päi­schen Ver­gleich ist Deutsch­land damit gut auf­ge­stellt[1]Vgl. dazu: Bau­fi mit Ram­bo Zam­bo-Boom.

Aller­dings erscheint eine allei­ni­ge Fokus­sie­rung auf die NPL-Quo­te als Ent­schei­dungs­grund­la­ge ver­kürzt und mög­li­cher­wei­se unzu­rei­chend. Die NPL-Quo­te ist ein nach­lau­fen­der Indi­ka­tor, der erst mit deut­li­cher Ver­zö­ge­rung auf real­wirt­schaft­li­che Belas­tun­gen und struk­tu­rel­le Ver­schie­bun­gen am Immo­bi­li­en­markt reagiert. Aktu­ell ist eine Rei­he von Früh­in­di­ka­to­ren zu beob­ach­ten, die eine deut­lich kri­ti­sche­re Ein­schät­zung nahelegen:

  • Anstieg der Zwangs­ver­stei­ge­run­gen: Die Zahl der Zwangs­ver­stei­ge­run­gen ist zuletzt wie­der gestie­gen. Dies deu­tet auf zuneh­men­de finan­zi­el­le Belas­tun­gen von Immo­bi­li­en­ei­gen­tü­mern hin – ein poten­zi­el­ler Vor­bo­te für eine spä­ter stei­gen­de NPL-Quo­te[2]Zahl not­lei­den­der Immo­bi­li­en­kre­di­te und von Zwangs­ver­stei­ge­run­gen nimmt deut­lich zu[3]Zwangs­ver­stei­ge­run­gen, Schrott­im­mo­bi­li­en und kri­mi­nel­le Ener­gie.
  • Schwa­che Kon­junk­tur und Struk­tur­pro­ble­me: Die deut­sche Wirt­schaft befin­det sich in einer anhal­ten­den Schwä­che­pha­se. Hohe Ener­gie­prei­se, geo­po­li­ti­sche Unsi­cher­hei­ten und struk­tu­rel­le Pro­ble­me in der Indus­trie belas­ten die Ein­kom­men und könn­ten sich mit­tel­fris­tig nega­tiv auf die Rück­zah­lungs­fä­hig­keit der Kre­dit­neh­mer aus­wir­ken[4]Spar­kas­sen: „Ernüch­tern­de Daten“ für die deut­sche Wirt­schaft.
  • Markt­ent­wick­lung bei Wohn­im­mo­bi­li­en: Nach Jah­ren der Preis­stei­ge­run­gen ist inzwi­schen eine Preis­kor­rek­tur im Gan­ge. Sin­ken­de Immo­bi­li­en­prei­se kön­nen die Besi­che­rung von Kre­di­ten gefähr­den und die Risi­ken für Ban­ken erhö­hen – ins­be­son­de­re bei jün­ge­ren, hoch finan­zier­ten Käu­fen[5]Des­halb finan­zie­ren die Deut­schen ihr Eigen­heim immer ris­kan­ter.
    • Hohe Zins­be­las­tung der Haus­hal­te: Infol­ge der Zins­wen­de müs­sen Haus­hal­te, die neu finan­zie­ren oder Anschluss­fi­nan­zie­run­gen täti­gen, heu­te einen wesent­lich höhe­ren Anteil ihres ver­füg­ba­ren Ein­kom­mens für Zins­zah­lun­gen auf­wen­den. In ver­schie­de­nen Stu­di­en und Medi­en­be­rich­ten war zuletzt davon die Rede, dass teils über 30 % des Net­to­ein­kom­mens allein für Hypo­the­ken­zin­sen ver­wen­det wer­den – ein his­to­risch hoher Wert. Die­se Ent­wick­lung schränkt nicht nur den Kon­sum ein, son­dern erhöht auch die Aus­fall­wahr­schein­lich­keit im Fal­le von Arbeits­platz­ver­lus­ten oder Einkommensrückgängen.
    • Nach­be­si­che­rungs­pflich­ten bei sin­ken­den Immo­bi­li­en­prei­sen: Der Rück­gang der Immo­bi­li­en­prei­se hat zur Fol­ge, dass Belei­hungs­wer­te sin­ken. Ban­ken for­dern bei sin­ken­dem Immo­bi­li­en­wert häu­fig zusätz­li­che Sicher­hei­ten oder höhe­re Til­gun­gen. Die­se Nach­be­si­che­rungs­pflich­ten kön­nen Haus­hal­te mas­siv unter Druck set­zen – ins­be­son­de­re sol­che, die mit knap­per Eigen­ka­pi­tal­de­cke und hohen Kre­dit­sum­men finan­ziert haben.
    • „Nega­ti­ves Eigen­ka­pi­tal“ bei jün­ge­ren Finan­zie­run­gen: In der aktu­el­len Markt­pha­se rut­schen vie­le kürz­lich abge­schlos­se­ne Finan­zie­run­gen – ins­be­son­de­re aus den Boom­jah­ren 2020–2022 – ins nega­ti­ve Eigen­ka­pi­tal. Das heißt: Der Markt­wert der Immo­bi­lie liegt unter­halb der Rest­schuld des Dar­le­hens. In einer wirt­schaft­lich ange­spann­ten Lage steigt dadurch das Risi­ko stra­te­gi­scher Kre­dit­aus­fäl­le („walk away risk“) und pro­ble­ma­ti­scher Umschuldungen.

Eine Anpas­sung der makro­pru­den­zi­el­len Puf­fer soll­te stets eine vor­aus­schau­en­de Risi­ko­per­spek­ti­ve ein­neh­men. Die Ent­schei­dung der BaFin, den Sys­tem­ri­si­ko­puf­fer zu sen­ken, mag kurz­fris­tig durch die aktu­el­le NPL-Quo­te begründ­bar sein. Sie könn­te aber mit­tel­fris­tig als zu opti­mis­tisch gel­ten, wenn die oben genann­ten Risi­ko­fak­to­ren stär­ker durchschlagen.

Fazit:

Die nied­ri­ge NPL-Quo­te allein ist kein belast­ba­rer Beleg für eine nach­hal­ti­ge Ent­war­nung im Markt für Wohn­im­mo­bi­li­en­kre­di­te. Eine umfas­sen­de­re Risi­ko­be­wer­tung, die auch die kon­junk­tu­rel­len und struk­tu­rel­len Ent­wick­lun­gen ein­be­zieht, wäre für eine solch bedeu­ten­de Ent­schei­dung ange­mes­se­ner gewesen.