Inter­view mit Mat­thi­as Zwing­li (Foto), Seni­or Pro­ject Mana­ger Start­up Ena­blem­ent & Inter­na­tio­nal Con­nec­ti­vi­ty bei digi­tals­witz­er­land

  • Herr Zwing­li, als Ban­ken­stand­ort ist die Schweiz bereits welt­be­rühmt. Als Fin­tech-Stand­ort ist die Alpen­re­pu­blik jedoch weni­ger bekannt. Wor­an liegt das? 
    Mat­thi­as Zwing­li. Foto: digitalswitzerland

In den letz­ten Jah­ren hat die Schwei­zer Fin­tech-Sze­ne ein gro­ßes Wachs­tum ver­zeich­net. Die Gesamt­zahl der erfolg­rei­chen Exits ist bei­spiels­wei­se gestie­gen[1]Swiss Ven­ture Capi­tal Report 2020. 2015 und 2017 konn­ten jeweils 50 Exits rea­li­siert wer­den. Dar­un­ter befin­den sich aber ver­stärkt Unter­neh­men, die B2B-Lösun­gen anbie­ten. Die­se sind in der Öffent­lich­keit ihrer Natur nach ein­fach weni­ger visi­bel, aber nicht weni­ger bedeutend.

  • Wel­che Berei­che befin­den sich hier im Fokus?

Vor allem der Block­chain-Sek­tor war in letz­ter Zeit sehr aktiv. Im Kan­ton Zug hat sich mit dem Cryp­to Val­ley ein eige­nes Tech­no­lo­gie-Clus­ter eta­bliert, in dem sich jun­ge Schwei­zer Block­chain-Unter­neh­men ange­sie­delt haben, die sich gegen­sei­tig inspirieren.

  • So ein Clus­ter ist sicher eine span­nen­de Sache, aber reicht das, um Kapi­tal und inter­na­tio­na­le Grün­der anzuziehen?

Die Schweiz ist nicht nur ein tra­di­tio­nel­ler Finanz­platz, son­dern auch ein star­ker Indus­trie­stand­ort. Inso­fern nutzt die Schweiz auch ihre Exper­ti­se, um zu einer sinn­vol­len Ver­schmel­zung von Hard- und Soft­ware bei­zu­tra­gen, also das, was gemein­hin als Indus­trie 4.0 bezeich­net wird. In der Schweiz, einem Land mit hohen Per­so­nal­kos­ten, betrach­ten wir Digi­ta­li­sie­rung als den ent­schei­den­den Fak­tor für Wertschöpfung.

  • Stich­wort Per­so­nal­kos­ten, die sie als wich­ti­gen Digi­ta­li­sie­rungs­trei­ber sehen: Wel­che Fak­to­ren spre­chen noch für die Schweiz als Start-up-Standort?

Die Schweiz ist einer der inno­va­ti­ons­stärks­ten Stand­or­te der Welt und erfreut sich einer gro­ßen Dich­te an Top-Hoch­schu­len. Wenn Sie sich in der Schweiz ein­schrei­ben, lan­den Sie sta­tis­tisch gese­hen mit einer Wahr­schein­lich­keit von 50 Pro­zent auf einer Top-Hoch­schu­le. Das führt zu einem gro­ßen Pool an sehr gut aus­ge­bil­de­ten Fach­kräf­ten, dem wahr­schein­lich stärks­ten Asset der Schweiz. Ein wei­te­rer Vor­teil ist die dezen­tra­le Struk­tur. Anders als in ande­ren Län­dern gibt es hier nicht die eine Wirt­schafts­me­tro­po­le mit einem struk­tur­schwa­chen Umland, son­dern es gibt vie­le klei­ne­re, akti­ve Zen­tren im gan­zen Land. Neben dem bereits erwähn­ten Cryp­to Val­ley in Zug gibt es bei­spiels­wei­se eine leben­di­ge Fin­tech-Sze­ne in Zürich, ein Zen­trum für Robo­tics in Basel und in Lau­sanne eine star­ke Ansamm­lung von Medtechs. Das bie­tet opti­ma­len Raum für Ver­net­zung und Aus­tausch untereinander.

  • Hat Coro­na die hoch­flie­gen­den Plä­ne der Start-ups durchkreuzt?

Im ers­ten Quar­tal ging das Inves­ti­ti­ons­vo­lu­men etwas zurück, aber bereits im zwei­ten Quar­tal zogen die Inves­ti­ti­ons­zu­sa­gen wie­der an. In die­sem Jahr konn­ten wir bereits ein Inves­ti­ti­ons­vo­lu­men von 763 Mil­lio­nen Fran­ken in 105 Finan­zie­rungs­run­den ver­bu­chen[2]Swiss Ven­ture Capi­tal Report 2020 Update. Zudem dür­fen Sie nicht ver­ges­sen: Die Schweiz ist kein Mas­sen­markt, der Fokus liegt eher auf hoch­wer­ti­gen Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen. Das macht die Schweiz weni­ger kri­sen­an­fäl­lig. Die aktu­el­le Coro­na-Pan­de­mie hat mal wie­der gezeigt: In der Kri­se gewinnt die Schweiz an Stärke.

  • Wel­che Rol­le spie­len die Kan­to­nal­ban­ken in dem von ihnen geschil­der­ten Ökosystem?

Die Kan­to­nal­ban­ken sind stark in der Schwei­zer Start-up-Sze­ne ein­ge­bun­den. Die Zür­cher Kan­to­nal­bank (ZKB) hat sich bei­spiels­wei­se mit Ear­ly-Stage-Invest­ment­fonds an der Start-up-Finan­zie­rung betei­ligt. Der Ear­ly-Stage-Bereich ist aller­dings auch stark Schweiz-fokus­siert. Im inter­na­tio­na­len Bereich fun­gie­ren da eher UBS und Cre­dit Suis­se als Finan­zie­rungs­part­ner, die wir auch als Spon­so­ren des 3. Mar­ket Ent­ry Boot­camps in Zürich mit an Bord haben.

  • Das Boot­camp soll am 5. Und 6. Okto­ber in Zürich statt­fin­den. Wel­ches Ziel wol­len Sie mit die­ser Ver­an­stal­tung erreichen?

Ich erwähn­te gera­de den Ear­ly-Stage-Bereich. Das Mar­ket Ent­ry-Boot­camp rich­tet sich nun eher an inter­na­tio­na­le Start-ups, die sich bereits in einer fort­ge­schrit­te­nen Pha­se befin­den. Idea­ler­wei­se kön­nen die Bewer­ber bereits eine erfolg­reich abge­schlos­se­ne exter­ne Finan­zie­rungs­run­de vor­wei­sen und haben ein über­zeu­gen­des Geschäfts­mo­dell am Start, das schon einen Pro­of of Con­cept vor­wei­sen kann. Die­se Start-ups fin­den in der Schweiz her­vor­ra­gen­de Ent­wick­lungs­be­din­gun­gen vor: Hoch aus­ge­bil­de­te Talen­te, ein mul­ti­na­tio­na­les Wirt­schafts­um­feld, eine her­aus­ra­gen­de Infra­struk­tur – und Inves­to­ren, die es mit dem eige­nen Geschäfts­mo­dell zu über­zeu­gen gilt.

  • Ist es schwer, Inves­to­ren für Start-ups zu finden?

Eigent­lich gibt es aus­rei­chend Geld auf dem Markt. Und vor dem Hin­ter­grund der nied­ri­gen Zin­sen bie­tet sich mit viel­ver­spre­chen­den Start-ups eine inter­es­san­te Asset­klas­se. Das Mar­ket Ent­ry-Boot­camp soll genau die­se Bar­rie­re durch­bre­chen. Pen­si­ons­kas­sen bei­spiels­wei­se üben sich oft noch in Zurück­hal­tung. Unser Ziel ist es, hier durch Infor­ma­ti­on und Ver­an­stal­tun­gen wie die­se Trans­fer­leis­tung zu schaf­fen und so den Markt für inter­na­tio­na­le Start-ups in der Schweiz zu bereiten.