Von Ralf Keuper
Im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Entscheidung der EZB über die Senkung der Leitzinsen, um der Wirtschaft in den EU-Ländern wieder auf die Sprünge zu helfen, mehren sich die Kommentare, die sich mit den Auswirkungen auf die Kreditvergabepraxis der Banken beschäftigen. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass die Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen meistens weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Stattdessen richten sich die Hoffnungen auf neue Formen der Kreditvergabe wie P2P-Lending, wie Dirk Elsner in seinem lesenwerten Beitrag Umgeht die EZB künftig die Banken? Könnte die EZB den Banken zur Auflage machen, Kunden auf alternative Finanzierungsformen hinzuweisen, wenn die Banken selber dieses Risiko nicht eingehen wollen oder können? Die Folge wäre der Beginn einer Disintermediation, eines Funktionsverlusts der Banken.
Schon heute betreiben viele größere Unternehmen eine Inhouse Bank, auch mit dem Ziel, die Abhängigkeit von den Banken zu verringern. Prominentestes Beispiel hierzulande ist Siemens. Daneben haben sich einige FinTech-Startups auf die Unternehmensfinanzierung spezialisiert wie Licuos. Weiterhin nimmt die Zahl von Kreditplattformen für den Mittelstand zu, wie Zencap aus dem Haus Rocket Internet.
An Alternativen herrscht derzeit kein Mangel. Von einer Kreditklemme kann, jedenfalls in Deutschland, kaum die Rede sein. Laut dem ifo Konjunkturtest Mai 2014 ist die Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft in Deutschland auf einen historischen Tiefstand gesunken.
Als Reaktion auf die restriktive Kreditvergabe der Banken während der akuten Phase der Finanzkrise sind viele Unternehmen, wie der Automobilzulieferer Hella, dazu übergangen, nach Alternativen zur Hausbank Ausschau zu halten – und wurden fündig. Andere Unternehmen, wie der C.H. Beck Verlag, geben selbstbewusst zu Protokoll, nicht auf die Finanzierung einer Bank angewiesen zu sein. Ähnlich hält es Haribo.
Ganz abgesehen von der Frage, ob die Anbieter alternativer Finanzierungsangebote in der Lage sind, die Aufgabe der Risikotransformation von den Banken zu übernehmen, scheint mir das eigentliche Problem in Europa auf einer anderen Ebene zu liegen. Und zwar haben wir es nach wie vor mit einer Bilanzrezession zu tun, wie Richard Koo nicht müde wird zu betonen. Koos Diagnose wird, so mein Eindruck, inzwischen von vielen geteilt. Abweichungen gibt es dagegen bei den Lösungsvorschlägen.
Mit dem herkömmlichen geldpolitischen Instrumentarium lässt sich dieses Dilemma nur schwer beheben. Ebenso fraglich ist es, ob alternative Finanzierungsangebote – kurz- bis mittelfristig – hieran etwas ändern können. Eher nicht.
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