Von Ralf Keuper
Für eine Stilgeschichte des Banking gibt es, zumindest so weit ich es sehe, bisher keine Vorlage. Fragen des Stils beschäftigen Wissenschaftler und Künstler dagegen seit Jahrhunderten. Einer der Vordenker war der Philosoph Friedrich Jodl, der heute weitgehend unbekannt ist. In seinem Buch Ästhetik der bildenden Künste wandte sich Jodl der Frage zu, worin der Begriff Stil seinen Ursprung hat. Die seiner Ansicht nach nächstliegende Definition stammt aus dem Griechischen. Dort bedeutet Stil so viel wie “Säulenordnung”. Jodl schreibt weiter:
Und demgemäß bedeutete “Stil” ursprünglich nichts anderes als “Säulenordnung”, und in dem Gegensatze der Säulenordnung, d.h. der Säule selbst mit den zu ihr gehörigen Formen der Basis und des Gebälks, wie er sich in der griechischen Bauweise ausbildete, wurzelte ohne Zweifel der Gedanke der verschiedenen Architekturstile … nirgends fallen die Differenzen in den Ausdrucksformen für die künstlerischen Zwecke so in die Augen wie in der Baukunst.
Die Architektur, die Baukunst war und ist, nicht nur für Jodl, der Geburtsort des Stils.
Welche Säulenordnungen sind es, die in der Vergangenheit das Bankgeschäft gestützt und an seiner Entwicklung mitgewirkt haben? Eine Frage, die wir hier nur andeutungsweise behandeln können.
Die Bank als Institution (Säule) taucht meines Wissens zuerst im Italien des Mittelalters, in der Toskana auf. Berühmte Kaufleute, Bankiers aus dieser Zeit sind die Bardis, die Peruzzi und Francesco Datini. Bis zu dieser Zeit und auch noch danach, waren Bankiers auch Kaufleute, fast fliegende Händler. Überall dort, wo viele Menschen zusammen kamen, um Handel zu treiben, wie bei den großen Messen der Champagne im Mittelalter, waren auch Kaufleute anwesend, die für das “Clearing” sorgten. Bevorzugtes Zahlungsmittel (Stilmittel) jener Zeit war der Wechsel.
Nicht wenige sind der Ansicht, dass die ersten, modernen Bankiers die Templer waren. In gewisser Hinsicht kann man die Templer auch als die “Erfinder” des unbaren Zahlungsverkehrs bezeichnen.
Jedenfalls war diese Stilepoche von einem hohem Maß an Mobilität, Improvisation und “Innovation” gekennzeichnet. Banken oder bankähnliche Institute, die dauerhaft an bestimmten Orten residierten, waren die Ausnahme. Der “Normalbürger” war für die Bankiers jener Zeit uninteressant. Neben der Abwicklung von Handelsgeschäften traten die Bankiers jener Zeit in besonderer Weise als Geldgeber der Fürsten und Könige in Erscheinung. Ein Geschäftsmodell, das viele Bankiers in den Ruin führte, wie die Bardis. Nur wenige besaßen das “Geschick” der Fugger, um auch noch aus diesem riskanten Geschäftsmodell ausreichend Ertrag zu ziehen. Das Bankgeschäft zu dieser Zeit war in hohem Maß von einzelnen Personen (Protagonisten) geprägt.
Banken im heutigen Sinne betraten eigentlich erst mit der Industrialisierung die Bühne. Die großen Unternehmen jener Zeit, wie Bergbau- und Eisenbahnunternehmen, waren auf große Mengen Kapitals angewiesen, das von den Geschäfts- und Privatbanken herangeschafft wurde. Herausragende Bankiers, Bankhäuser aus diesem Zeitraum sind u.a. Gerson Bleichröder, Mendelssohn & Co., Carl Fürstenberg, David Hansemann, Ludwig Bamberger und Georg Siemens.
Über Filialen verfügte kaum eine Bank. Erst die Deutsche Bank unter Georg Siemens trieb die Filialisierung (Säule) des Bankgeschäfts voran, wie es in Carl Fürstenbergs Lebensgeschichte heisst:
Seine wichtigste Tat war aber wohl die gleichfalls westeuropäischen Verhältnissen nachgebildete Entwicklung des Filialwesens in Deutschland selbst, die nicht zuletzt dazu beigetragen hat, der Deutschen Bank ihren Platz zu sichern. Den Vorsprung, den sie damals gewann, haben anderen nur mühsam und allmählich einholen können. Meine eigene Einstellung zum Depositen- und Filialgeschäft habe ich bereits gekennzeichnet. Ich habe es nie bereut, ihm gänzlich fern geblieben zu sein, ohne deswegen die Bedeutung die dieser Geschäftszweig für anders geartete Institute besitzt, zu verkennen. (in: Carl Fürstenberg. Die Lebensgeschichte eines Bankiers. Niedergeschrieben von Hans Fürstenberg)
Das Filialgeschäft ist bis heute fester Bestandteil, tragende Säule des Bankgeschäfts. Jedoch beginnt die Säule zu wackeln und an Bedeutung zu verlieren. Das Bankgeschäft ist, vor allem durch das Internet, während der letzten Jahre – erneut – mobiler, standortungebundener geworden. Münzen und Banknoten sind auf dem Rückzug. Digitale Währungen, Virtuelle Währungen und Cryptowährungen drängen nach vorn. Ob es sich hierbei aber um neue Stilelemente des Banking handelt, ist, für mich jedenfalls, noch nicht absehbar. Geld wird jedenfalls unstofflicher.
Bankentürme, wie Bankgebäude aus Stein und Stahl überhaupt, erscheinen fast schon wie Relikte einer vergangenen Stilepoche. Die Zahl der Herausforderer, wie FinTech- Startups oder branchenfremde Anbieter, wächst. Sie stehen für einen anderen Bankstil. Die Banken sind dabei ihre Funktion als Finanzintermediäre zu verlieren.
An Bedeutung, Kritikalität, für das Bankgeschäft gewonnen hat der Zeitfaktor. Die Transaktionsabwicklung in Echtzeit ist Dank der Digitalisierung häufig Realität, nicht jedoch ohne zu neuen Risiken zu führen.
Friedrich Jodl unterscheidet die autochtonen Stile, die Übergangsstile und die originalen Stile. So weit ich sehen kann, haben wir es derzeit vorwiegend mit der zweiten Phase zu tun, d.h. den Übergangsstilen. Dazu schreibt Jodl:
Neben den autochthonen Stilen stehen zunächst alle diejenigen Kunstreiche, die wir als Übergangsstile oder gemischte Stile bezeichnen müssen, weil sie durch den Zusammenfluss zweier oder mehrerer Kulturkreise und deren künstlerischer Ausdrucksformen entstanden sind, die Elemente, die zu ihrer Bildung zusammengetreten sind, noch deutlich erkennen lassen und daher mehr ein Aggregat als eine neue höhere Einheit darstellen.
Richtig interessant wird es m.E. erst, wenn ein neuer, originaler Bankstil auf der Bildfläche erscheint. Allerdings ist das in Kunst- bzw. Kulturgeschichte der Menschheit nur sehr selten vorgekommen. Aber – wer weiß ..
Weitere Informationen:
Was ist ein “Bankstil”? (Grundlegung eines neuen Begriffs) #1