Von Ralf Keuper
In letzter Zeit hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass es bei der Bewertung der künftig noch zu erwartenden Entwicklungen im Banking nicht schaden kann, den Blick in andere Branchen zu werfen, die auf dem Weg der Digitalisierung schon weiter sind.
Wohl kaum eine Branche ist dafür besser geeignet als die Medienbranche. Seit einigen Jahren schon durchläuft die Branche einen tiefgreifenden Wandel, dessen Ende noch lange nicht abzusehen ist. Durch die Ablösung der Inhalte von den Trägern ist es möglich geworden, Medien unabhängig vom Ort und von der Zeit konsumieren zu können. Das reicht vom Music-Streaming über Online-Spiele bis zum E‑Book. Unterdessen geht die Entwicklung munter weiter. Die alten klassischen Medienkonzerne haben alle Mühe, mit der Entwicklung noch Schritt zu halten. Das Tempo, das Tencent, Alibaba, Baidu, Google, Amazon, Apple & Co. vorlegen, ist schon atemberaubend. Die digitalen Medien sind die Zukunft – so scheint es jedenfalls.
Auch im Banking ist die Digitalisierung dabei, die Geschäftsmodelle von Grund auf zu verändern. Treiber der Entwicklung sind neben den großen Internetkonzernen, die auch im Medienbereich eine Domäne nach der anderen erobern, vor allem die diversen FinTech-Startups. Das Gegenstück dazu im Mediensektor sind die Digital Media-Startups.
Ähnlich wie im Banking sind in der Medienbranche immer wieder Stimmen zu hören, die davor warnen, die Digitalisierung zum Allheilmittel zu erklären. Das gilt vor allem für den Journalismus. Erst vor wenigen Tagen hat einer der bekanntesten Journalisten der USA, Michael Wolff, in einem Interview erhebliche Zweifel daran geäußert, dass die digitalen Medien für guten Journalismus sorgen könnten. Seiner Meinung nach ist guter Journalismus seinem Wesen nach non-digital. Ziel der Digitalisierung sei es, Vorgänge in kleinste Einheiten zu zerlegen, um sie so messbar und möglichst reibungslos reproduzierbar machen zu können. Non-digitale Medien würden sich dagegen an ein bestimmtes Publikum richten, das großen Wert auf Inhalte und eine persönliche Beziehung zum Medium oder Autor legt.
Im Banking wäre das in etwa vergleichbar mit dem Kundenberater, der über die Jahre ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Kunden aufgebaut hat. Diese Beziehung entzieht sich der Digitalisierung, der Messbarkeit – könnte man jetzt folgern. Allein, die Anreizsysteme in den Banken sind schon jetzt so angelegt, dass die Messbarkeit auch hier schon längst Einzug gehalten hat, wenngleich nicht in dem Umfang, wie bei einer völligen Digitalisierung.
Gerade heute erst verkündet Tom Goodwin im Guardian, dass die Unterscheidung zwischen digital und non-digital überflüssig sei, ja sogar der Begriff Digitale Medien sei überholt. Zur Begründung führt er u.a. an:
In the same way modern consumers don’t go online, they just exist in a world with the internet everywhere, they don’t watch digital or non-digital media either.
Ob wir es wollen oder nicht: Unser (Kommunikations-) Alltag spielt sich in immer stärken Ausmass als es uns bewusst und vielleicht auch lieb ist, in einer digitalen Welt, in digitalisierter Form ab. So jedenfalls, wenn wir Goodwin in seiner Argumentation folgen.
Auch das Banking hätte diesem Umstand Rechnung zu tragen. Die Banken müssten, so die fast einhellige Meinung der Marktbeobachter und Berater, den Weg zur digitalen Bank beschreiten. Nur – wie soll diese digitale Bank aussehen? Die Universalbank nur eben in digitaler Form, d.h. im Internet jederzeit erreichbar? Oder aber ein Konglomerat, ein Ökosystem, eine Plattform, die sich aus verschiedenen, spezialisierten Anbietern zusammensetzt?
So viel ist klar: Die Bank, wie wir sie bisher kannten, wird es so nicht mehr geben. Das Filialsterben ist nur ein, vorläufiger Indikator dafür. Kann gutes Banking, so wie Michael Wolff für den Journalismus proklamiert, letztlich nur non-digital sein? Wohl kaum. Aber nur digital? Schon eher …
Beide Seiten haben irgendwo Recht: Ganz ohne räumlichen und persönlichen Bezug ist das Banking – Stand heute – noch nicht vorstellbar; ebenso gilt aber auch, dass die völlige Verlagerung der Bank ins Netz zumindest noch gewöhnungsbedürftig ist. Trotzdem: Das Pendel neigt deutlich in Richtung Digitialisierung und damit einhergehend Medialisierung.
Kann es sein, dass wir eines Tages die Trennung zwischen digital und non-digital auch im Banking nicht mehr als solche wahrnehmen? Das wir uns vorwiegend auf bestimmten Pläzten, Plattformen bewegen, die von großen Internetkonzernen dirigiert werden? Banken werden in diesem Szenario die Rolle von Zuliefern übernehmen. An den Gatekeepern kommen auch sie nicht vorbei.
Wie und womit können Banken sich in diesem Szenario positionieren? Was wird ihre Rolle sein?