Von Ralf Keuper
Noch vor einem Jahr hätten wohl die meisten von uns auf die Frage, ob die Banken auch in Zukunft noch die Hauptanlaufstelle für die Abwicklung von Zahlungen, für Geldanlage und für Kredite sein werden, mit einem mehr oder weniger deutlichen Ja geantwortet.
Heute fällt das Echo schon deutlich gemischter aus. Selbst führende Vertreter der Bankenbranche überraschen mit Äußerungen, die von einem angekratzten Selbstvertrauen zeugen. So siegessicher, wie noch vor Jahren, sind nur noch wenige.
Die Machtgewichte im Banking verschieben sich, und zwar immer stärker in Richtung der sog. digitalen Ökosysteme, worunter man in erster Linie die großen Internetkonzerne wie Amazon, Apple, Google, Alibaba, Facebook, Tencent, Daum Kakao usw. verstehen kann. Diese Konzerne haben in den letzten Jahren durch den Kauf anderer Unternehmen oder durch Kooperationen Netzwerke geschaffen, die eine Reichweite von mehreren hundert Millionen Nutzern repräsentieren können. Daneben steigt die Zahl der FinTech-Startups unaufhaltsam an. Nicht alle haben zum Ziel, die Banken zu ersetzen. Einige jedoch wollen den Banken das Geschäft in bestimmten Bereichen streitig machen. Längst nicht alle werden das Ziel erreichen. Allerdings kann es schon reichen, wie das Beispiel Google zeigt, wenn es nur einem gelingt. Weiterhin verstärken die großen Einzelhandelskonzerne wie Wal Mart ihre Aktivitäten in den Bereichen Zahlungsverkehr und Kontoführung. Und vor den Toren stehen noch weitere finanzkräftige Unternehmen, die nur noch auf die passende Gelegenheit für den Markteinstieg warten.
Als wäre es damit noch nicht genug, zeichnet sich ab, dass die digitalen Währungen von einem temporären zu einem dauerhaften Phänomen werden. Selbst Microsoft trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem es bei seiner Neuerwerbung Minecraft Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert.
Am Beispiel Microsoft/Bitcoin wird darüber hinaus deutlich, dass das Bankgeschäft medialer geworden ist und noch wird. Spiele und Filme gehören zum Standardrepertoire von Amazon, Apple, Tencent, Baidu, Microsoft & Co. Die derzeit viel zitierte Customer Journey beginnt und endet in sehr vielen Fällen in einem und demselben digitalen Ökosystem. Die Banken haben dazu bestenfalls noch Zutritt. Sie kommen an den sog. Gatekeepern nicht mehr vorbei. Aber nicht nur an Reichweite sind die digitalen Ökosysteme den Banken voraus, sondern auch bei der Marktrelevanz holen sie deutlich auf, wie das Beispiel Ant Financials, der Finanzarm von Alibaba/Alipay, zeigt.
Das sind nicht alle, aber die m.E. wesentlichen Neuen Realitäten im Banking. Noch immer sind viele der Ansicht, dass es sich bei der Digitalisierung um ein vorwiegend technisches Thema handele, so wie in der Vergangenheit. Wäre es so, die Banken könnten relativ zuversichtlich in die Zukunft blicken. Keine Finanzkrise, kein Vertrauensverlust könnte ihr Geschäft auf Dauer gefährden.
Nur hat sich das Geschäft selbst gewandelt. Die neuen Herausforderer sind keine Banken mehr, zumindest nach dem herkömmlichen Verständnis. Auf diese Situation, Konstellation sind die wenigsten Banken vorbereitet. Die Spielregeln werden von anderen bestimmt.
Über das Banking hat sich in den letzten Jahren eine neue Schicht, ein neuer Medien-/Kommunikationskanal gelegt, von dem die Banken mehr oder weniger abgekoppelt sind. Ein Facebook-Auftritt oder ein twitter-Account, auch ein Blog ist im Vergleich dazu nur von punktueller Bedeutung.
Der Hauptstrom des Banking, der Informationsfluss wird schon jetzt von einigen wenigen “Gatekeepern” repräsentiert. Für die anderen bleibt die Rolle eines Nebenflusses, der den Hauptstrom mit neuem Wasser versorgen oder selber etwas von dem Hauptstrom abzweigen kann.
Die Banken werden sich den Neuen Realitäten anpassen müssen. Das bedeutet nicht, dass sie völlig von der Bildfläche verschwinden werden. Es bleiben noch genügend Tätigkeitsfelder, auf denen sie ihre Expertise ausspielen können, übrig. Allerdings werden es mehr Bereiche sein, auf denen sie über kurz oder lang zum geordneten Rückzug übergehen werden (müssen).
Das große Dilemma der Banken ist, dass die neuen Herausforderer immer nur so viel vom Stammgeschäft weg schnappen, ohne selber der Regulierung zu unterliegen. Die Banken müssen dagegen die volle Last der Regulierung tragen, ob ihr Geschäft nun wächst oder schrumpft. Ihr Geschäftsmodell wird in gewisser Weise unterminiert.
Schaun mehr mal. Ende nächsten Jahres wissen wir mehr.