Von Ralf Keuper

Die Fra­ge, ob und inwie­weit die alte und neue Welt im Ban­king fried­lich neben­ein­an­der exis­tie­ren kön­nen, spal­tet nach mei­nem Ein­druck das Lager der Bran­chen­be­ob­ach­ter in zwei Lager.

Exem­pla­risch für die­se Bruch­li­nie ste­hen ganz aktu­ell zwei Arti­kel: Zum einen Why Tech­no­lo­gy Isn’t Going To Fix Ban­king und zum ande­ren The digi­tal ban­king pro­mi­se.

Im ers­ten Bei­trag berich­tet der Autor Angus Kid­man von dem Gart­ner Sym­po­si­um ITxpo/​2014 auf dem u.a. die bekann­te Gart­ner Ana­lys­tin Kris­tin Moy­er sprach. Dar­in trat sie der Sicht ent­ge­gen, dass das kon­ven­tio­nel­le Ban­king in abseh­ba­rer Zeit von der Bild­flä­che ver­schwin­den wer­de, und an sei­ner statt Fin­Tech-Start­ups die Zukunft gehö­ren wer­de. Zwar sei­en die Defi­zi­te der klas­si­schen Ban­ken kaum noch weg­zu­dis­ku­tie­ren, jedoch wären die Erwar­tun­gen an die Fin­Tech-Start­ups zu hoch geschraubt. Neben der Tat­sa­che, dass es sich dabei um klei­ne Unter­neh­men han­delt, sei auch zu beden­ken, dass nur die wenigs­ten auf Dau­er über­le­ben wer­den. Bei­de, klas­si­sche Ban­ken wie auch ihre diver­sen Her­aus­for­de­rer, wer­den in Zukunft mit gro­ßen tech­no­lo­gi­schen Risi­ken kon­fron­tiert, die manch einen Blü­ten­traum ver­dor­ren las­sen werden.

Auf der ande­ren Sei­te rich­tet der Bei­trag von Tariq Kha­ri von EY den Blick in die Zukunft des digi­ta­len Ban­king. Vor allem die nahe­zu unbe­merk­te, bruch­lo­se Inte­gra­ti­on des Ban­king in den digi­ta­len All­tag der Men­schen wird das Gesicht des Ban­king wan­deln. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on über sozia­le Netz­wer­ke wie Face­book wird auch für das Ban­king nicht ohne Fol­gen blei­ben. Hin­zu kom­men noch neue tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen wie die NFC-Tech­no­lo­gie, die bei den Mobi­le Pay­ments gera­de – nicht nur über Apple Pay – Ein­zug hal­ten. Auch Kha­ri weist auf die nicht unbe­trächt­li­chen tech­no­lo­gi­schen Risi­ken hin, die der Ver­brei­tung des digi­ta­len Ban­king noch manch einen Streich spie­len können.

Mei­ne Bewertung:

So sehr ich Kris­tin Moy­er als Bran­chen­ken­ne­rin schät­ze, so kom­me ich in die­sem Fall doch zu einer abwei­chen­den Beur­tei­lung. Zwar ist es rich­tig, dass die vie­len Fin­Tech-Start­ups an wirt­schaft­li­chem Gewicht und der Zahl bemes­sen, kaum in der Lage sein wer­den, die klas­si­schen Ban­ken ernst­haft in Gefahr zu brin­gen; jedoch ver­gisst sie dabei völ­lig die ande­ren gro­ßen Her­aus­for­de­rer wie Apple, Alibaba/​Alipay, Ten­cent, Pay­Pal, Goog­le, Ama­zon & Co zu erwäh­nen. Das ist die eigent­li­che Bedro­hung. Und auch das eine oder ande­re Start­up wird den Ban­ken noch eini­gen Kum­mer berei­ten. Man liest bei ihr wenig von den Inter­net­kon­zer­nen und ihren Akti­vi­tä­ten, immer mehr Bank­ge­schäf­te in ihre Kanä­le zu lenken.

Das bedeu­tet frei­lich nicht, dass sie mit ihrer aktu­el­len Ein­schät­zung nicht Recht behal­ten könn­te, wenn­gleich ich die Wahr­schein­lich­keit der­zeit für gering halte.

Der Bei­trag von Tariq Kha­ri trifft schon eher mei­nen “Geschmack”. Aber auch hier kaum eine Rede von den ech­ten Her­aus­for­de­rern und dem media­len Wan­del, der m.E. den digi­ta­len noch weit an Aus­wir­kun­gen für das Ban­king über­tref­fen wird.

Trotz aller genann­ten Ein­wän­de, hal­te ich den Punkt der Koexis­tenz von alter und neu­er Welt für wich­tig. Wenn wir davon aus­ge­hen, dass der Wan­del im Ban­king nicht über Nacht kom­men wird, und wir der­zeit einen Über­gangs­stil im Ban­king und (noch) kei­nen Stil­bruch erle­ben, dann spricht eini­ges für ein Neben­ein­an­der vom her­kömm­li­chem und neu­em Banking.

Die Fra­ge der Koexis­tenz von Insti­tu­tio­nen behan­delt Rapha­el Lutz am Bei­spiel der Moder­ne im 19. und 20. Jahr­hun­dert in Euro­pa. Das Buch habe ich nicht gele­sen, wohl aber die Bespre­chung in dem Blog Über­gangs­ge­sell­schaf­ten. Dort steht u.a.

Koexis­ten­zen unter­schied­li­cher Insti­tu­tio­nen und Hand­lungs­lo­gi­ken mit ver­schie­den lan­ger Geschich­te sind in euro­päi­schen Gesell­schaf­ten eher die Regel als die Ausnahme

Und wei­ter:

Inter­es­sant ist es also nicht so sehr sich anzu­se­hen, wo es sol­che Koexis­ten­zen gibt. Statt­des­sen könn­te man unter­su­chen, wie die oben ange­spro­che­nen „Umco­die­run­gen“ von­stat­ten­ge­hen. Also: Wie funk­tio­niert die­se Koexis­tenz? Wel­che Anpas­sun­gen fin­den statt? Wie fin­den sie statt? Wer­den sie von den Zeit­ge­nos­sIn­nen reflek­tiert und bewertet?

Über­tra­gen auf die vor­lie­gen­de The­ma­tik: Wel­che Stil­ar­ten, Stil­mi­schun­gen aus altem und neu­em Ban­king wer­den wir – für wie lan­ge – sehen? Wel­che Stil­ele­men­te haben die Chan­ce, den digi­ta­len und media­len Wan­del in Gesell­schaft und Wirt­schaft zu über­dau­ern? Wel­che “Zeit­schich­ten des Ban­king”, in Anleh­nung an Rein­hart Koselleck, wer­den bestehen blei­ben, wel­che wer­den sich von Grund auf verändern?

Mei­ne Annahme/​These: Je näher die Diens­te und Ser­vices an der Benut­zer­ober­flä­che lie­gen, um so deut­li­cher der Wan­del und grö­ße­re Chan­cen für Her­aus­for­de­rer bzw. bran­chen­frem­de Anbie­ter, je mehr nach­ge­la­ger­te Funk­tio­nen, wie Midd­le­wa­re und Backend betrof­fen sind, um so gerin­ger die Auswirkungen.

Es wird ver­schie­de­ne Geschwin­dig­kei­ten geben.

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