Markt­kom­men­tar von Tai­mur Hyat, Chief Ope­ra­ting Offi­cer bei PGIM

Der Zusam­men­bruch von FTX, einer der größ­ten Kryp­to­bör­sen, hat die Welt der digi­ta­len Wäh­run­gen erschüt­tert. Die ehe­mals mit 32 Mil­li­ar­den US-Dol­lar bewer­te­te Han­dels­platt­form bean­trag­te Gläu­bi­ger­schutz in den USA und der Grün­der Sam Bank­man-Fried trat als CEO zurück[1]Anmer­kung RK: Inzwi­schen ist Bank­man-Fried ver­haf­tet wor­den, nach­dem berich­tet wur­de, dass das Unter­neh­men Kun­den­gel­der in Mil­li­ar­den­hö­he an sei­ne eige­ne Tra­ding Fir­ma Ala­me­da Rese­arch ver­lie­hen hat­te. In der Fol­ge kam es Ende Novem­ber zu einer Flut von Rück­nah­me­an­trä­gen auf sämt­li­chen Platt­for­men, da sich die Anle­ger auf eine mög­li­che Aus­wei­tung der Kri­se einstellten.

Seit dem Höchst­stand im Jahr 2021 haben Kryp­to­wäh­run­gen einen Wert von mehr als 2 Bil­lio­nen US-Dol­lar ver­lo­ren und erle­ben der­zeit einen dra­ma­ti­schen Absturz. Das führt dazu, dass sie welt­weit die Auf­merk­sam­keit von Auf­sichts­be­hör­den auf sich zie­hen und genau­er geprüft wer­den. Und auch Micha­el Barr, der stell­ver­tre­ten­de Fed-Vor­sit­zen­de für die Ban­ken­auf­sicht, kom­men­tier­te dass die Ereig­nis­se auf den Kryp­to­märk­ten „die Risi­ken für Inves­to­ren und Ver­brau­cher auf­ge­zeigt haben, die mit neu­en und neu­ar­ti­gen Anla­ge­klas­sen und Akti­vi­tä­ten ver­bun­den sind, wenn sie nicht von kla­ren Rah­men­be­din­gun­gen flan­kiert werden.“

Die­se Ent­wick­lung steht in einem dras­ti­schen Gegen­satz zur Situa­ti­on weni­ger Mona­te zuvor, als Kryp­to-Enthu­si­as­ten die Auf­nah­me von Kryp­to­wäh­run­gen in insti­tu­tio­nel­le Port­fo­li­os und 401(k)-Konten befür­wor­te­ten und in eini­gen Fäl­len auch umsetzten.

Wer noch immer mit dem Gedan­ken spielt, zu einem poten­zi­ell attrak­ti­ven, nied­ri­ge­ren Preis in die Welt der Kryp­to­wäh­run­gen ein­zu­stei­gen, soll­te eines beden­ken: Die gra­vie­rends­ten Risi­ken bei Invest­ments in Kryp­to­wäh­run­gen ste­hen uns ver­mut­lich erst noch bevor. Die­je­ni­gen Anle­ger, die eine lang­fris­ti­ge Allo­ka­ti­on in Kryp­to­wäh­run­gen in Erwä­gung zie­hen, soll­ten vor allem aus drei Grün­den vor­sich­tig sein:

  1. Feh­len eines ein­heit­li­chen Regulierungsrahmens

Ers­tens schafft das Feh­len einer kla­ren und ein­heit­li­chen Regu­lie­rung von Kryp­to­wäh­run­gen – sowohl inner­halb eines Lan­des als auch län­der­über­grei­fend – eine enor­me Unsi­cher­heit für lang­fris­ti­ge Inves­to­ren. So ist bei­spiels­wei­se in den USA immer noch unklar, wann eine Kryp­to­wäh­rung unter den regu­la­to­ri­schen Rah­men eines Wert­pa­piers fällt, das den SEC-Vor­schrif­ten unter­liegt, und wann sie als Ver­mö­gens­wert oder Roh­stoff ein­ge­stuft wird, wie Bit­co­in und Ethe­re­um gefor­dert haben. Hin­zu kommt, dass Kryp­to­wäh­run­gen in eini­gen Län­dern sogar gänz­lich ver­bo­ten sind. Ein pro­mi­nen­tes Bei­spiel ist Chi­nas abrup­tes Ver­bot des gesam­ten Han­dels mit Kryp­to­wäh­run­gen und des Minings im Jahr 2021, das aber bei wei­tem nicht das ein­zi­ge ist. Hin­zu kom­men die erheb­li­chen und wie­der­hol­ten Aus­fäl­le in der Infra­struk­tur, die das Mining und den Han­del mit Kryp­to­wäh­run­gen ermög­li­chen und ein wei­te­rer Bereich sind, in dem noch erheb­li­che regu­la­to­ri­sche Unsi­cher­hei­ten bestehen. Die Fol­gen des Zusam­men­bruchs von FTX machen eines deut­lich: Selbst­re­gu­lie­rung und Trans­pa­renz sind eine Illusion.

  1. Kryp­to­wäh­run­gen sind kei­ne „Safe-Haven“-Assets

Zwei­tens kommt hin­zu, dass Kryp­to­wäh­run­gen trotz des gan­zen Hypes um das digi­ta­le Gold weder die Eigen­schaf­ten eines siche­ren Hafens noch die eines Infla­ti­ons­schut­zes auf­wei­sen konn­ten, als sie sich mit der kon­kre­ten Markt­vo­la­ti­li­tät oder dem ers­ten ernst­haf­ten Infla­ti­ons­schub in den ent­wi­ckel­ten Märk­ten kon­fron­tiert sahen. Zwi­schen 2010 und 2022 ver­zeich­ne­te Bit­co­in gan­ze 29-mal Rück­gän­ge von 25 % und dar­über hin­aus. Bei Akti­en und Roh­stof­fen hin­ge­gen war dies nur ein­mal der Fall. Selbst wäh­rend des pan­de­mie­be­ding­ten Markt­aus­ver­kaufs im März 2020 erlitt Bit­co­in deut­lich grö­ße­re Rück­schlä­ge als die klas­si­schen Anla­ge­klas­sen wie etwa Akti­en oder Anlei­hen. Obwohl Bit­co­ins fest­ge­leg­tes Ange­bot – das in sei­nem Quell­code spe­zi­fi­ziert ist – impli­zie­ren könn­te, dass er gegen eine Ent­wer­tung resis­tent ist, hat Bit­co­in wäh­rend der jüngs­ten Epi­so­den erhöh­ter glo­ba­ler Infla­ti­on nur einen begrenz­ten Infla­ti­ons­schutz gebo­ten. Im Gegen­teil, die Kur­se fie­len sogar wäh­rend der Infla­ti­ons­schü­be in den USA, in Groß­bri­tan­ni­en und in Europa.

  1. ESG-Pro­ble­ma­tik ins­be­son­de­re aus öko­lo­gi­scher Sicht

Zu guter Letzt sind Kryp­to­wäh­run­gen in Hin­blick auf ESG nach wie vor höchst pro­ble­ma­tisch. Am besorg­nis­er­re­gends­ten sind jedoch die Pro­ble­me in Bezug auf die Unter­neh­mens­füh­rung, die durch die FTX-Implo­si­on zuta­ge getre­ten sind. All­zu oft füh­ren nicht vor­han­de­ne Kon­troll­sys­te­me und eine auf einen klei­nen inne­ren Kreis beschränk­te Ent­schei­dungs­fin­dung zu einer Black­box, die kei­ne Rück­sicht auf die Anle­ger und ihre Betei­li­gun­gen nimmt. Dar­über hin­aus machen die dezen­tra­len Rah­men­be­din­gun­gen und die Anony­mi­tät von Kryp­to­wäh­run­gen die­se für ille­ga­le Akti­vi­tä­ten, Geld­wä­sche und die Umge­hung von Sank­tio­nen beson­ders attrak­tiv. Auch wenn der Über­gang von Pro­of-of-Work zu Pro­of-of-Sta­ke, den Ethe­re­um der­zeit anstrebt, den mas­si­ven Ener­gie­ver­brauch für das Mining und die Vali­die­rung von Kryp­to­wäh­run­gen redu­ziert, ist dies aus öko­lo­gi­scher Sicht noch immer nicht ver­tret­bar. Hin­zu kommt, dass Bit­co­in, mit einem Anteil von etwa 40 % an der der­zei­ti­gen Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung von Kryp­to­wäh­run­gen, wei­ter­hin einen Vali­die­rungs­pro­zess ver­wen­den wird, bei dem eine ein­zi­ge Trans­ak­ti­on so viel Ener­gie benö­tigt wie der Zwei­mo­nats­be­darf an Strom eins durch­schnitt­li­chen ame­ri­ka­ni­schen Hau­ses. Und auch was die sozia­le Ebe­ne betrifft, scheint das Ver­spre­chen von Kryp­to­wäh­run­gen, finan­zi­el­le Inklu­si­on zu ermög­li­chen, über­trie­ben. Denn das Kryp­to-Ver­mö­gen ist genau­so ungleich ver­teilt wie her­kömm­li­ches Ver­mö­gen. Zudem bie­ten ein­fa­che tele­fon­ba­sier­te Zah­lungs­diens­te wie M‑Pesa in Kenia oder das Pilot­pro­jekt für inter­na­tio­na­le Über­wei­sun­gen der Gra­meen Bank in Ban­gla­desch bereits eine digi­ta­le Platt­form für Haus­hal­te, die nicht über ein Bank­kon­to ver­fü­gen. Dabei ist weder eine neue Wäh­rung noch eine Zah­lungs­ver­kehrs­in­fra­struk­tur notwendig.

Der Zusam­men­bruch von FTX rückt Kryp­to­wäh­run­gen erneut ins Ram­pen­licht und nur die Zeit kann zei­gen, ob sich die ver­blei­ben­den Akteu­re behaup­ten kön­nen. Denn die Bran­che wird nach wie vor von düs­te­ren Ereig­nis­sen über­schat­tet. Lang­fris­tig ori­en­tier­te Anle­ger soll­ten Kryp­to­wäh­run­gen sorg­fäl­tig aus der Fer­ne beob­ach­ten, um den tat­säch­li­chen Wert bes­ser ein­schät­zen zu kön­nen, bevor sie sich für eine Inves­ti­ti­on entscheiden.

Refe­ren­ces

Refe­ren­ces
1 Anmer­kung RK: Inzwi­schen ist Bank­man-Fried ver­haf­tet worden