Markt­kom­men­tar von Thi­bau­lt Gobert, Head of Liqui­di­ty Pool bei Spec­trum Markets

„Bis noch vor einem Jahr­zehnt war der Zah­lungs­ver­kehr die unat­trak­tivs­te Spar­te, die sich jun­ge Stu­den­ten mit Bank­kar­rie­re­am­bi­tio­nen vor­stel­len konn­ten. Stan­dar­di­sier­te Abläu­fe, ste­ti­ge Umsät­ze und ver­gleichs­wei­se gerin­ge Risi­ken gehö­ren heu­te zu den gefrag­tes­ten Attri­bu­ten im Bank­ge­schäft – damals gal­ten sie dage­gen als aus­ge­spro­chen lang­wei­lig. Zwei Finanz­kri­sen und einen gigan­ti­schen Tech­no­lo­gie­sprung spä­ter ist der Zah­lungs­ver­kehr zu einem umkämpf­ten Markt gewor­den, in dem Mar­ken wie Pay­Pal, Apple, Goog­le oder Ama­zon zu den wich­tigs­ten Akteu­ren her­an­ge­wach­sen sind.

Man könn­te ver­sucht sein zu behaup­ten, dass sich die Kun­den infol­ge der Finanz­kri­se von den Ban­ken abge­wandt haben – was nicht nur durch die Tat­sa­che wider­legt wird, dass die meis­ten Ban­ken, obwohl sie lan­ge unter den nied­ri­gen Zin­sen lit­ten, nicht viel mehr als ihr Eigen­han­dels­ge­schäft ver­lo­ren haben. Die­se The­se lie­ße auch ein ande­res Phä­no­men außer Acht, das mit der zwi­schen den Acht­zi­ger- und Neun­zi­ger­jah­ren gebo­re­nen Bevöl­ke­rung, der so genann­ten Gene­ra­ti­on Y, begann. Wäh­rend sich inzwi­schen zwar auch älte­re Men­schen an den Umgang mit Tech­no­lo­gie gewöhnt haben, gilt die­se Gene­ra­ti­on als die ers­te, die in einem digi­ta­len Umfeld auf­ge­wach­sen ist. Einem, in dem das Inter­net eine Selbst­ver­ständ­lich­keit ist.

Die Aus­wir­kun­gen mit Rele­vanz für das The­ma Finanz­trans­ak­tio­nen waren viel­fäl­tig. Uns allen hat das Inter­net Waren und Dienst­leis­tun­gen zum Grei­fen nahe gebracht; die­se Grup­pe jun­ger Ver­brau­cher hin­ge­gen hat­te bei­spiels­wei­se nie das Bedürf­nis, eine Bank­fi­lia­le zu betre­ten, um ein Kon­to zu eröff­nen, Geld abzu­he­ben oder eine Über­wei­sung zu tätigen.

Wo kei­ne mensch­li­che Inter­ak­ti­on statt­fin­det, gibt es folg­lich auch nur eine gerin­ge­re Bin­dung an den Anbie­ter der Dienst­leis­tung. Das heißt, wenn der Ver­brau­cher woan­ders einen bes­se­ren Ser­vice oder attrak­ti­ve­re Kon­di­tio­nen vor­fin­det, wird er schnel­ler wech­seln als Jemand, der sich per­sön­lich gebun­den fühlt. Das Inter­net macht einen sol­chen Wech­sel natür­lich noch ein­fa­cher, da man nicht zum Tele­fon­hö­rer grei­fen oder gar das Haus ver­las­sen muss, um eine neue ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung für eine belie­bi­ge Dienst­leis­tung abzu­schlie­ßen. Dem­entspre­chend ist es auch kein Zufall, dass die ers­ten Unter­neh­men, die sich die­ses neue Ver­brau­cher­ver­hal­ten zu eigen gemacht haben, heu­te in den Zah­lungs­ver­kehr ein­ge­stie­gen sind, oder bes­ser gesagt, ihn erobert haben.

Regu­la­to­ri­sche und IT-Herausforderungen

Jahr­zehn­te­lang waren die Ban­ken dar­an gewöhnt, für ihre Kun­den die ein­zi­ge Anlauf­stel­le für alle von die­sen nach­ge­frag­ten Finanz­dienst­leis­tun­gen zu sein. Solan­ge eine Bank in der Lage war, all die­se Dienst­leis­tun­gen anzu­bie­ten, ver­blieb der Kun­de im Öko­sys­tem des Insti­tuts. Als die­se Ära recht plötz­lich ende­te, erwies sich die bis dahin nicht sehr aus­ge­präg­te Ein­stel­lung der Ban­ken zum Wett­be­werb im Pri­vat­kun­den­ge­schäft als pro­ble­ma­tisch. Wäh­rend sie die­se Her­aus­for­de­rung mitt­ler­wei­le über­wun­den haben, besteht ein belas­ten­des Pro­blem bis heu­te fort. Die gewach­se­nen IT- und Pro­zess­land­schaf­ten der Ban­ken ver­tra­gen sich nur bedingt mit moder­nen Zah­lungs­ver­kehrs­tech­no­lo­gien und regu­la­to­ri­sche Auf­la­gen ver­schär­fen die Situa­ti­on zusätzlich.

Zunächst ein­mal gibt es die Min­dest­re­ser­ve­pflicht für Ban­ken, die die­je­ni­gen Anbie­ter, die auch das Kon­to des zah­lungs­aus­lö­sen­den Kun­den füh­ren, in eine schwä­che­re Posi­ti­on gegen­über sol­chen brin­gen kön­nen, die nur die Zah­lung selbst abwi­ckeln. Dar­über hin­aus ist es ein gro­ßer Unter­schied, ob Initia­tor und Emp­fän­ger einer Zah­lung bei der­sel­ben Zah­lungs­platt­form regis­triert sind, wie es bei Zah­lun­gen über Pay­Pal, Ama­zon usw. der Fall ist, oder ob sich die Trans­ak­ti­ons­teil­neh­mer in Sys­te­men ver­schie­de­ner Ban­ken befinden.

Wäh­rend sich Ban­ken frü­her oft meh­re­re Tage Zeit für Über­wei­sun­gen genom­men haben – mit den ent­spre­chen­den bilan­zi­el­len Vor­tei­len – sind Echt­zeit­über­wei­dun­gen mitt­ler­wei­le zum vom Kun­den erwar­te­ten Stan­dard gewor­den. Die­se stel­len die Ban­ken jedoch vor nicht uner­heb­li­che Her­aus­for­de­run­gen im IT-Bereich, da es hier­bei im Hin und Her zwi­schen der Bank des zah­lungs­aus­lö­sen­den Kun­den, Clea­ring­stel­le und Emp­fän­ger­bank zu einer Viel­zahl von ver­sen­de­ten tech­ni­schen Nach­rich­ten und dem mehr­fa­chen Durch­lau­fen ver­schie­de­ner Prüf­rou­ti­nen kommt. Das ist über­haupt nur zwi­schen Ban­ken mög­lich, die am sel­ben Clea­ring­sys­tem teil­neh­men. Und nur beim TARGET Instant Pay­ment Sett­le­ment Sys­tem (TIPS) der Euro­päi­schen Zen­tral­bank (EZB) sind Clea­ring und Sett­le­ment nicht getrennt. Nut­zen zah­lungs­aus­füh­ren­de und Emp­fän­ger­bank dage­gen ein ande­res Sys­tem, erhö­hen sich bei letz­te­rer durch die Zah­lung die Kun­den­ein­la­gen, die die­se durch eine Erhö­hung der Min­dest­re­ser­ve aus­glei­chen muss.

Bei den rei­nen Zah­lungs­dienst­leis­tern ist wie erwähnt eben­falls die Teil­nah­me von Zah­ler und Emp­fän­ger am glei­chen Sys­tem erfor­der­lich. Aller­dings sind Ein­fach­heit und Geschwin­dig­keit der Pro­zes­se hier direkt für den Kun­den spür­bar und das bereits zum Trans­ak­ti­ons­zeit­punkt; der Kun­de kann die Simul­ta­ni­tät eines Zah­lungs­trans­fers qua­si live ver­fol­gen. Und noch ein wei­te­rer Fak­tor ist ent­schei­dend. Theo­re­tisch könn­te man ja argu­men­tie­ren, dass auch Ban­ken, wenn sie nur Aus­füh­rer einer Zah­lung und nicht gleich­zei­tig kon­to­füh­ren­des Insti­tut für den Kun­den wären, deut­lich schlan­ke­re Pro­zes­se anwen­den könn­ten. Dage­gen spricht jedoch, dass alle Ver­su­che der Ban­ken, eige­ne Kon­kur­renz­an­ge­bo­te zu den Online-Bezahl­diens­ten auf­zu­bau­en, bis­her als erfolg­los bezeich­net wer­den müs­sen. Hier­für sind wie­der­um nicht aus­schließ­lich die ver­al­te­ten und hete­ro­ge­nen IT-Land­schaf­ten der Ban­ken ver­ant­wort­lich – auch Ent­schei­dungs­pro­zes­se sowie ein man­geln­des kul­tu­rel­les Ver­ständ­nis für grund­le­gend ver­än­der­te Kun­den­an­sprü­che und ‑gewohn­hei­ten haben dafür gesorgt. Ver­glei­che man den Zah­lungs­ver­kehr mit der Raum­fahrt, wären die Ban­ken die NASA und Pay­Pal wäre Spa­ceEx. Dass letz­te­re jeweils den­sel­ben Grün­der haben, ist rei­ner Zufall.“