Von Ralf Keuper

Wie ande­re Öko­sys­te­me auch, unter­lie­gen Fin­tech-Start­up-Öko­sys­te­me einem ste­ti­gen Wan­del. Dabei spie­len der jewei­li­ge Wirt­schafts- und Bank­stil eine wich­ti­ge Rol­le. In Groß­bri­tan­ni­en bei­spiels­wei­se ist die Finanz­in­dus­trie mit ihrem geo­gra­fi­schen Schwer­punkt Lon­don die Schlüs­sel­bran­che des Lan­des, wes­halb Fin­tech-Start­ups hier ein för­der­li­ches Umfeld vor­fin­den. In Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pa, ins­be­son­de­re in Deutsch­land, ist der Anteil der klas­si­schen Indus­trie noch rela­tiv hoch – genannt sei­en der Maschi­nen­bau und die Auto­mo­bil­in­dus­trie. Hin­zu kom­men noch die zahl­rei­chen mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men, von denen nicht weni­ge zu den sog. “Hid­den Cham­pi­ons” gehö­ren. Start­up-Öko­sys­tem müs­sen die­sem Umstand über kurz oder lang Rech­nung tra­gen, d.h. sie kön­nen auf Dau­er kaum erfolg­reich sein, wenn sie sich von der wirt­schaft­li­chen Basis des Lan­des ent­fer­nen. Dar­aus folgt ande­rer­seits, dass die Erfolgs­chan­cen stei­gen, wenn sie sich als Ergän­zung, nicht ein­fach nur Ver­län­ge­rung der Werk­bank verstehen.

Exkurs: Die intel­li­gen­te Fabrik /​ Cyber Phy­si­sche Sys­te­me /​ B2B 

Die Stär­ke der deut­schen Wirt­schaft liegt mehr im Bereich B2B als im B2C.

Unser Ziel müs­se sein, die welt­wei­te füh­ren­de Posi­ti­on bei der Intel­li­gen­ten Fabrik zu errei­chen und zu behaup­ten. Dabei kom­men der deut­schen Indus­trie ihre Stär­ken in der Sys­tem­in­te­gra­ti­on zugu­te. Eigent­lich, so Frank Mai­er, Vor­stand der Len­ze SE, sind wir die Sys­tem­in­te­gra­to­ren der Welt. Wir benut­zen die Basis­tech­no­lo­gien ande­rer Län­der, um damit über­le­ge­ne Maschi­nen zu bau­en. Wo Stär­ken sind, da sind auch Schwä­chen. Und die lie­gen, so Mai­er, ganz ein­deu­tig im Bereich B2C. Das liegt uns eher nicht. Bemü­hun­gen, eine bes­se­re Such­ma­schi­ne als Goog­le zu bau­en, wer­den kaum von Erfolg gekrönt sein.

Auch im B2B-Geschäft wer­den, so Mai­er wei­ter, neue Geschäfts­mo­del­le ent­ste­hen. Das wer­den jedoch nicht Kopien der Geschäfts­mo­del­le von Goog­le & Co. sein. Man müs­se sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, wor­aus das Geschäfts­mo­dell der Inter­net­kon­zer­ne im Kern bestehe: Daten zu sam­meln, auf­zu­be­rei­ten und die Infor­ma­tio­nen ande­ren für Wer­be­zwe­cke zur Ver­fü­gung zu stel­len. Das ist jedoch kein Geschäfts­mo­dell für B2B. Es wer­den ande­re sein: Wie kön­nen wir Funk­tio­na­li­tät kap­seln, Cyber Phy­si­cal Sys­tems bau­en, um Plug and Play-fähig zu sein, um die kom­ple­xe Sys­tem­in­te­gra­ti­on tau­sen­der unter­schied­li­cher Kom­po­nen­ten zu ermög­li­chen. Das ist die gro­ße Stär­ke und Chan­ce der deut­schen Indus­trie – ohne neue Metho­den und Stan­dards sei das nicht möglich.

Mög­li­che Szenarien

Wenn es stimmt, dass die Stär­ke der deut­schen Wirt­schaft im Bereich B2B liegt, dann hat das auch Kon­se­quen­zen für die Fin­tech-Start­ups und Öko­sys­te­me. Es wür­de bedeu­ten, dass nicht unbe­dingt Metro­po­len wie Frank­furt oder Ber­lin, son­dern eher länd­li­che Regio­nen wie Süd­west­fa­len der rich­ti­ge Nähr­bo­den sind. In den USA ver­läuft der Trend, wenn­gleich hier­zu­lan­de noch weit­ge­hend unbe­merkt, vom Sili­con Val­ley hin zum sog. Heart­land, womit in ers­ter Linie der mitt­le­re Wes­ten gemeint ist, des­sen Wirt­schafts­struk­tur Ähn­lich­keit mit der in Deutsch­land hat:

Der Publi­zist Ste­ven Hill gibt deut­schen Start­ups daher den Rat:

„Mein drin­gen­der Rat an jun­ge Digi­tal­un­ter­neh­mer und ange­hen­de Start-up-Hips­ter: Geht raus aus Ber­lin. Lasst Mün­chen und Ham­burg hin­ter Euch. Geht nach Mesche­de.“ Denn in sol­chen Pro­vinz­städ­ten säßen die „Hid­den Cham­pi­ons“, die welt­weit erfolg­rei­chen Exper­ten für hoch­spe­zia­li­sier­te Maschi­nen und Bau­tei­le, die nun ans Inter­net der Din­ge ange­schlos­sen wer­den. „Mit dem rich­ti­gen Hegen und Pfle­gen könn­ten die­se bei­den Wel­ten ganz groß­ar­tig zusam­men­pas­sen“ (in: Das deut­sche Val­ley – Die Sili­con-Val­ley-Illu­si­on)

Wie die Zusam­men­ar­beit in der Pra­xis aus­se­hen könn­te, zeigt das Pro­jekt Smart Objects und Smart Finan­ce Ansät­ze (SOFiA).

Zukünf­tig soll der Con­tai­ner selbst zum Dis­po­nen­ten wer­den. Als sol­cher erkennt er Ver­zö­ge­run­gen, ana­ly­siert Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven und wählt die bes­te Trans­port­rou­te aus. Anschlie­ßend beauf­tragt der Con­tai­ner einen Car­ri­er (Logis­tik­dienst­leis­ter) und wickelt die Bezah­lung über mobi­le Busi­ness-to-Busi­ness-Pay­ment-Tech­no­lo­gien in Echt­zeit ab.

Als der­zeit noch bevor­zug­te Ban­ken des Mit­tel­stan­des, bie­ten sich den Spar­kas­sen und Volks­ban­ken hier eini­ge Mög­lich­kei­ten – theoretisch.

Iden­ti­ty Banks und das Indus­tri­el­le Internet 

Wahr­schein­li­cher ist, dass die Indus­trie die Sache selbst in die Hand neh­men und eige­ne Iden­ti­ty Banks oder Bank of Things grün­den wird. Das Indus­tri­el­le Inter­net bie­tet hier noch zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten. Bis hier­hin sind Goog­le & Co. noch nicht bzw. noch in dem Aus­maß vor­ge­drun­gen, wie im B2C – Geschäft, aus dem sie kaum noch zu ver­drän­gen sind.

Bei­spiel­haft ist die Initia­ti­ve Indus­tri­al Data Space:

Die Indus­tri­al-Data-Space-Initia­ti­ve ver­folgt das Ziel eines inter­na­tio­na­len Stan­dards für Daten­sou­ve­rä­ni­tät. Daten­sou­ve­rä­ni­tät ist die Fähig­keit einer natür­li­chen oder juris­ti­schen Per­son zur aus­schließ­li­chen Selbst­be­stim­mung über ihre Daten­gü­ter. Die­se Fähig­keit ist eine Schlüs­sel­vor­aus­set­zung für Unter­neh­men in der digi­ta­len Wirt­schaft, weil sämt­li­che Smart-Ser­vice-Sze­na­ri­en sowie vie­le inno­va­ti­ve, digi­ta­le Geschäfts­mo­del­le dar­auf beru­hen, dass Eigen­tü­mer bzw. Besit­zer von Daten ihre Daten in Geschäfts­öko­sys­te­men aus­tau­schen kön­nen, aber gleich­zei­tig die Kon­trol­le über die­se Daten nicht ver­lie­ren möchten. …

Geschäfts­öko­sys­tem: Der Indus­tri­al Data Space mani­fes­tiert sich als vir­tu­el­ler Raum von End­punk­ten. Die End­punk­te bil­den ver­schie­de­ne Rol­len, etwa Daten­ge­ber, Daten­nut­zer, Bro­ker zur Ver­mitt­lung von Daten­an­ge­bot und ‑nach­fra­ge, eine Clea­ring-Stel­le sowie Anbie­ter von „Data Apps“ und Iden­ti­ty Ser­vices. (in: Block­chain: Tech­no­lo­gien, For­schungs­fra­gen und Anwen­dun­gen (Posi­ti­ons­pa­pier der Fraun­ho­fer-Gesell­schaft)

In Kom­bi­na­ti­on mit Open Ban­king und PSD2 könn­ten sich hier für eini­ge Fin­tech- und Reg­tech-Start­ups Chan­cen erge­ben; jeden­falls ist hier die Aus­sicht m.E. grö­ßer als im Bereich B2c, den mal mitt­ler­wei­le als “Roten Oze­an” beschrei­ben könn­te. Um die Chan­cen zu nut­zen ist eine gewis­se räum­li­che Nähe nötig, wes­halb sich ent­we­der eige­ne Fin­tech-Start­up-Öko­sys­te­me oder Außen­stel­len grün­den oder Fin­tech-Start­ups Bestand­teil eines grö­ße­ren Öko­sys­tems wer­den. Letz­te­res hal­te ich für wahrscheinlicher.

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