Von Ralf Keuper
Seit geraumer Zeit wird von unterschiedlichen Seiten das Modell der Digitalen Bank propagiert, wie von Chris Skinner in seinem Buch Digital Bank und erst kürzlich von McKinsey in The rise of the digital bank. Bei allen konzeptionellen Unterschieden, liegt dem Modell in seinem Kern noch immer das tradierte Bild einer Bank zugrunde – nur eben digitaler.
An dem Modell einer Bank, die alles aus einer Hand anbietet, wird weitgehend festgehalten. Lediglich bei der Frage nach der Rolle der Filialen weichen die Vorstellungen z.T. deutlich voneinander ab.
Ziele der digitalen Transformation sind u.a. die bessere Einbindung der Kunden über die digitalen Kanäle, wie Smartphones und Tablet-PCs und natürlich Effizienzsteigerungen und damit einhergehend Kostensenkungen. Alles in allem alt bekannte Denkmuster aus der Zeit der Industrialisierung und dem Konzept der Wettbewerbsvorteile nach Michael Porter – wenn auch mit digitaler Note. Daran ändert auch der Einsatz analytischer Verfahren, um die Bedürfnisse der Kunden vorzeitig aufspüren zu können, nur wenig. Letzten Endes laufen die Bemühungen darauf hinaus, die “Welt von gestern” mittels digitaler Transformation zu konservieren.
Sicher, die Digitalisierung im Banking ist inzwischen eine conditio sine qua non; sie ist jedoch nur ausreichend, nicht hinreichend.
Wäre die digitale Transformation die einzige Hürde, die es zu überwinden gilt, könnten die Banken ihre Stellung als Finanzintermediäre ohne allzu große Einbußen erhalten. Dann müssten Unternehmen wie Google, facebook, Amazon, Apple und die diversen FinTech-Startups über kurz oder lang den Status einer Vollbank anstreben. Tun sie aber nicht – aus gutem Grund.
In der digitalen Ökonomie besteht kein Bedarf mehr an weiteren Banken im klassischen Sinn. Der mediale Wandel macht auch vor den Banken nicht Halt. Häufig wird noch der Einwand erhoben, dass Banken nicht mit der Medien- bzw. Musikindustrie verglichen werden können. Richtig daran ist, dass die Situation für die Banken noch prekärer ist als für die Medienbranche. Die Verlags- und Musikhäuser können wenigstens noch Urheberrechte geltend machen und auf ihre langjährigen und intensiven Beziehungen mit ihren Autoren, Künstlern und Interpreten verweisen. Welche Produkte, welche Dienstleistungen der Banken können diesen Anspruch erheben? Welche sind nicht schon jetzt – zumindest prinzipiell – substituierbar?
Die Zugangskanäle ins Internet, zu den Kunden, werden inzwischen von einigen wenigen Internetkonzernen dominiert. Für die meisten Anwender erfolgt der Einstieg ins Internet über die weltweit verbreitetste Suchmaschine Google. Die vorherrschenden mobilen Betriebssysteme sind keine Entwicklungen der Banken, sondern stammen von Apple, Google, Blackberry und Microsoft. Banking-Apps, die im Apple-Store angeboten werden wollen, müssen die verschiedenen Kriterien von Apple erfüllen. Die großen News-Plattformen wie facebook haben schon jetzt großen Einfluss darauf, wie das Angebot der Banken wahrgenommen wird bzw. ob es überhaupt noch wahrgenommen wird.
Eine digitale Bank wird diese Spielregeln kaum ignorieren können. Insofern könnte sich bewahrheiten, was Achim Himmelreich kürzlich im IT-Finanzmagazin resümierte: Geldgeschäfte macht man mit der Bank? In Zukunft nur in Ausnahmefällen.
Mehr noch als die digitale Logik fehlt den meisten Banken derzeit die mediale Logik, d.h. die Fähigkeit, Informationen in ihrem jeweiligen Kontext darzustellen und verständlich zu machen. Eine Schlüsselrolle übernehmen hierbei die Algorithmen. Auch hier sind die Internetkonzerne, insbesondere Google, den Banken sehr weit voraus.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Weg zur digitalen Bank als Sackgasse. Um das zu verhindern, werden Banken m.E. Kooperationen mit Internetkonzernen, aufstrebenden Startups und branchenfremden Anbietern eingehen müssen. Die Bank als Teil einer digitalen Plattform, eines digitalen Ökosystems. Vorstellbar ist auch, dass Banken, oder Teile davon, von den Non- bzw. Near Banks übernommen werden.
Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen für die Banken für den Fall, dass sich die digitalen Währungen, wie Bitcoin , durchsetzen.
Für Michael Harte von Barclays geht die größte Gefahr derzeit von Alibaba aus:
For Harte, this represents a real threat, because Alibaba and companies like it have collected a huge amount of customer transaction data, customer purchases and behaviour, and they also hold the loyalty of millions of consumers. .. “They have all this data, and they use it to provide services for individuals and corporations? That sounds like a bank,” said Harte.
Hört sich wie eine Bank an, ist bloß keine mehr – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. E‑Commerce, Banking und Social Media bewegen sich aufeinander zu.
Eine digitale Bank als Vollbank, wie demnächst die Atom-Bank in Großbritannien, dürfte es demnach, das ist jedenfalls mein Eindruck, schwer haben.
Weitere Informationen:
Die Bank – über den Bedeutungswandel eines Begriffs #1