Von Ralf Keuper

Der Dekon­struk­ti­vis­mus, als des­sen geis­ti­ger Vater der fran­zö­si­sche Phi­lo­soph Jac­ques Der­ri­da gilt, ist laut Wiki­pe­dia:

eine archi­tek­to­ni­sche Stil­rich­tung, die den Anspruch einer Ablö­sung der Post­mo­der­ne erhebt. In Anleh­nung an die Dekon­struk­ti­on Jac­ques Der­ri­das sol­len in der Archi­tek­tur Struk­tur und Form simul­tan einer Destruk­ti­on und einer erneu­ten Kon­struk­ti­on unter­zo­gen werden.

Bei nähe­rer Betrach­tung voll­zieht sich im Ban­king der­zeit ein Stil­wan­del, der eini­ge Ähn­lich­keit mit der Archi­tek­tur­auf­fas­sung des Dekon­struk­ti­vis­mus hat. Unter dem Schlag­wort der Dis­in­ter­me­dia­ti­on hält der Dekon­struki­vis­mus auf Umwe­gen auch im Ban­king Einzug.

Eine der Ers­ten, die mei­nes Wis­sens den Begriff der Dekon­struk­ti­on für den Wan­del im Ban­king gebrauch­ten, waren Jür­gen Moor­mann und Ben­ja­min Ade in ihrem Bei­trag Dekon­struk­ti­on der Kre­dit­wert­schöp­fungs­ket­te.

Der­zeit erle­ben wir, wie sich wei­te Tei­le des klas­si­schen Bank­ge­schäfts in ande­re, digi­ta­le und media­le Kanä­le ver­la­gern. Neue digi­ta­le Öko­sys­te­me, Platt­for­men ent­ste­hen oder haben sich schon gebil­det, die über eine gro­ße Sog­wir­kung ver­fü­gen, wie Ant Finan­cials (Alibaba/​Alipay), Ama­zon, Goog­le, Apple, Ten­cent und Bai­du. Hin­zu kom­men noch die zahl­lo­sen FinTech-Startups.

Wäh­rend die Fin­Tech-Start­ups jedoch meis­tens allei­ne unter­wegs sind, schmie­den die gro­ßen Inter­net­kon­zer­ne mäch­ti­ge Alli­an­zen, um in das Geschäft mit Finanz­dienst­leis­tun­gen ein­zu­stei­gen, wie Apple Pay mit Kre­dit­kar­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen, Ban­ken und Händ­lern. Es ist zu erwar­ten, dass wei­te­re Anbie­ter, wie Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men und Mobi­li­täts­dienst­leis­ter eben­falls in das Bank­ge­schäft einsteigen.

Auf­fal­lend ist, dass die neu­en Her­aus­for­de­rer sich kaum des gän­gi­gen Voka­bu­lars einer typi­schen Bank bedie­nen, son­dern den Ein­druck ent­ste­hen las­sen, kei­ne klas­si­sche Bank zu sein. Den Begriff mit­samt sei­nes Regel­werks über­lässt man ger­ne den “rich­ti­gen” Ban­ken. Der Begriff scheint mit Asso­zia­tio­nen behaf­tet, die sich kon­trär zur Digi­ta­li­sie­rung und zum Wer­te­wan­del in der Gesell­schaft ver­hal­ten. War­um sich also mit unnö­ti­gen, begriff­li­chen Bal­last beschweren?

Aller­dings wird es bei der Dekon­struk­ti­on nicht blei­ben kön­nen. Die Tei­le müs­sen irgend­wann, irgend­wo wie­der zusam­men­ge­bracht, ein neu­er Begriff muss kon­stru­iert wer­den. Ganz im Sin­ne des Dekon­struk­ti­vis­mus, der ja auch nicht bei einer Auf­lö­sung der Struk­tu­ren und For­men ste­hen bleibt, son­dern aus den Tei­len etwas Neu­es, ande­res kon­stru­iert. Mas­sen­ge­schäf­te sind letzt­lich nur über ein hohen Maß an Stan­dar­di­sie­rung und Zen­tra­li­sie­rung zu bewältigen.

Auch Ban­ken sind in letz­ter Kon­se­quenz ein Pro­dukt gesell­schaft­li­cher Kon­struk­ti­on, die im ste­ti­gen Wan­del ist.

Der schlei­chen­de Funk­ti­ons­ver­lust der klas­si­schen Ban­ken wird sich fort­set­zen. Wol­len die Ban­ken die­sen Pro­zess zu ihren Guns­ten nut­zen, wer­den sie kaum umhin kom­men, sich von den tra­dier­ten Vor­stel­lun­gen, was eine Bank ist und zu sein hat, zu ver­ab­schie­den. Das bedeu­tet nicht, dass der Begriff Bank voll­stän­dig ver­schwin­den wird. Er wird jedoch nur noch für bestimm­te Funk­tio­nen und Auf­ga­ben ver­wen­det wer­den, wie bei­spiels­wei­se Trus­ted Advi­sor oder Trus­ted Service-Anbieter.

Wei­te­re Informationen:

Die Bank – über den Bedeu­tungs­wan­del eines Begriffs #1

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