Die massenhafte Verdrängung jüdischer Privatbanken im „Dritten Reich“ impliziert, daß vorwiegend politisch-ideologische Faktoren für den weitgehenden Bedeutungsverlust, den das Privatbankwesen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinzunehmen hatte, verantwortlich zu machen sind. Dieser Ansatz steht im Widerspruch zur lange vorherrschenden Lehrmeinung, daß der seit der Jahrhundertwende spürbare, stetige Verlust von Marktanteilen im Kredit- und Emissionsgeschäft und die vor allem seit 1931 stark abnehmende Zahl der Privatbanken als Symptom eines systemimmanenten Absterbens eines nicht mehr konkurrenzfähigen Banktypus angesehen werden muß. Die bankhistorische Forschung war sich einig, daß es angesichts des dynamischen Wachstums der Aktienbanken und des damit verbundenen Konzentrationsprozesses im Bankwesen zu einer geradezu „natürlichen“ Marginalisierung der kapitalschwachen Privatbanken kam. Das Schicksal des Privatbankwesens galt somit bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts als besiegelt, während den tiefen politischen und wirtschaftlichen Einschnitten der Zwischenkriegszeit eine nur sekundäre, bestenfalls beschleunigende Wirkung auf den langfristigen Niedergangstrend beigemessen wurde.
Demgegenüber legen jüngste Forschungsergebnisse nahe, daß die Privatbanken bis 1933 trotz der für sie ungünstigen Rahmenbedingungen durchaus positive Wachstums- und Entwicklungschancen vorfinden konnten, wenn sie bereit und in der Lage waren, sich auf eher kapitalunabhängige Nischenfunktionen im Universalbanksystem zurückzuziehen. …
Weitere Informationen:
Harold James: Die Deutsche Bank im Dritten Reich
Die Bayerische Vereinsbank im Dritten Reich – Kein Widerstand, aber Resistenz