Von Ralf Keuper
Auf twitter häufen sich die Hinweise, dass am Beispiel GameStop-Reddit das Narrativ “David gegen Goliath” bedient und dabei außer Acht gelassen werde, dass es sich hier um eine auch für Kleinanleger hochriskante Strategie handele. Das Beispiel würde dazu führen, noch mehr Kleinanleger in dieses riskante Spiel zu locken.
Widerspruch!
Da wird ein großer Hedgefonds von einer Gruppe Kleinanlegern in die Knie gezwungen, und den Kommentatoren in Deutschland fällt nichts Besseres ein, als vor den Risiken für Kleinanleger zu warnen. Dass man bei Spekulationsgeschäften die Gefahr großer Verluste eingeht, ist eine Binsenweisheit. Es geht hier um einen Fall, den es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Eine Social-Media-Gruppe hat es geschafft, sich zu organisieren, die Strategie eines milliardenschweren Hedgefonds zu durchkreuzen und ihn mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen[1]Gamestop: Graswurzler ärgern Hedgefonds-Giganten. Einen Hedgefonds herauszufordern, ist ein riskantes Spiel – keine Frage. Dessen sollte man sich bewusst sein. Allerdings ist davon auszugehen, dass den Mitgliedern einer Reddit-Gruppe mit dem Namen wallstreetbets dieses Risiko bewusst ist.
Dieser Schachzug wird in dieser Form wohl nur einmal gelingen, da die Hedgefonds vorsichtiger, und – das ist ebenfalls neu – ihren Blick auf Kanäle richten werden, die sie bislang weitgehend ignoriert haben. Das Risiko kam diesmal aus einer ganz anderen Ecke – es waren keine anderen Hedgefonds oder andere Investoren, die man ohnehin auf der Liste hatte.
Dass die Akteure im Fall GameStop nicht nur von edlen Motiven, sondern auch von purem Eigennutz getrieben sind, ist für die Börse die Regel. Irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass nicht nur die Hedgefonds über den Vorgang pikiert sind, sondern auch einige Medienvertreter, die – wieder einmal – von einer Entwicklung im Medienbereich überrascht wurden, die sie nicht für möglich gehalten haben. Der Kleinanleger muckt auf und wagt es, das Spiel umzudrehen! Er stellt die Rollenverteilung infrage. Wie kann der unmündige Mob es wagen!
Der Hinweis, die Kleinanleger seien sich nicht im Klaren über die (verborgenen) Risiken bei derlei Geschäften, verfängt nicht wirklich, da sich selbst ein Hedgefonds, der ganz andere Möglichkeiten hat, Risiken zu bewerten oder ggf. Einfluss auf die Kursentwicklung ausüben, erheblich verkalkulierten kann.
Nebenbei: Den größten Verlust am Aktienmarkt dürften in der letzten Zeit die Wirecard-Aktionäre erlitten haben. Da war die Sorge um die Kleinanleger doch sehr verhalten – bis zum “plötzlichen” Absturz.
Die eigentliche Frage ist, wofür die Episode steht – deutet sich hier ein Wandel an, ist es nur eine Neuauflage des Klassikers “David gegen Goliath” – nur eine Randerscheinung?
Sagen wir mal so: Den Akteuren der Reddit-Gruppe wallstreetbets ist es im Sinne des Systemtheoretikers Niklas Luhmann zumindest gelungen, das System (Hedgefonds, Analysten, Medien) zu irritieren. Zieht man die Theorie des Partisanen von Carl Schmitt zurate, dann treffen hier reguläre Truppen (Hedgefonds) auf irreguläre Verbände (Reddit-Gruppen). Am Spiel an sich und den Risiken ändert das wenig – wohl aber verändert es die Rollenverteilung und die Wahrnehmung. Geht vom Fall GameStop womöglich ein Schub für dezentrale Märkte aus?
References
↑1 | Gamestop: Graswurzler ärgern Hedgefonds-Giganten |
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