André François-Poncet hat in seiner Ansprache auf dem ersten Übersee-Tag nach dem Kriege im Jahre 1950 die Frage gestellt, ob sich Technik, Ideen und Sitten miteinander im Gleichklang befänden. Er kam zu dem Ergebnis, daß die Technik den Ideen voraus sei und diese den Sitten. Ich kann nicht beurteilen, ob diese Momentaufnahme der Nachkriegszeit der damaligen Realität entsprach. Erlauben Sie mir aber, knapp vierzig Jahre später selbst eine Momentaufnahme zu wagen. Ich möchte die Notion meines hochverehrten französischen Vorredners aufgreifen, indem ich die Frage nach dem Gleichklang von Denken und Realität stelle – im Kontext unserer heutigen Entwicklung. Befinden sich unsere „Denkmuster“ mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung?
Für alle, die erkennen wollen, ist in diesen Jahren ein kultureller Kontextverlust erkennbar. Es mag deshalb gut sein, einmal nach den Gründen für diesen Verlust zu fragen. Lassen Sie uns ein wenig gemeinsam nachdenken, mit welchem „Kern in der Erscheinungen-Flucht“ wir es zu tun haben. Die Vorstellung der Moderne, wir könnten ständig sich erweiternde ökonomische Optionen – gekoppelt mit wirtschaftlichem Wachstum – und unaufhaltsam zunehmende Naturbeherrschung problem- und fugenlos verbinden mit einer einschränkungsfreien Emanzipation von verpflichtenden sozialen Verantwortungen im Sinne gleichsam totaler Selbstverwirklichung der Individuen, hat sich als ein verhängnisvoller Irrtum herausgestellt. Er war und ist Anlaß für viele Irrwege, die wir gegangen sind und immer noch gehen. …
Quelle / Link: Vortrag zum Übersee-Tag in Hamburg