Von Ralf Keuper

In der Daten­öko­no­mie wecken die Kun­den­da­ten natur­ge­mäß Begehr­lich­kei­ten. Zur Meis­ter­schaft auf dem Gebiet der Daten­mo­ne­ta­ri­sie­rung haben es Goog­le und face­book gebracht. Die Pro­fi­le, die sie aus den Daten­spu­ren der Nut­zer zusam­men­set­zen und an die Wer­be­indus­trie oder ande­re Unter­neh­men ver­äu­ßern, sind bares Geld wert und besche­ren ihnen Milliardengewinne.

Aber selbst Goog­le & Co.  neh­men die Diens­te weit­ge­hend unbe­kann­ter “Daten­kra­ken” in Anspruch, wie von Axci­om und Datalogix.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist es nur ver­ständ­lich und fol­ge­rich­tig, dass die Ban­ken ihren Daten­schatz, womit in ers­ter Linie die Kun­den­da­ten gemeint sind, heben wol­len. Kun­den­da­ten kom­men daher zuneh­mend als Asset in den Blick, wes­halb die Zeit­schrift für das gesam­te Kre­dit­we­sen sich in ihrer Aus­ga­be 4/​2017 des The­mas annahm.

Digi­ta­li­sie­rung und Pro­fes­sio­na­li­sie­rung im Span­nungs­feld von Kun­den- und Bank­in­ter­es­sen (Fabi­an Leon­hardt und Arnd Wiedemann)

In dem Bei­trag Digi­ta­li­sie­rung und Pro­fes­sio­na­li­sie­rung im Span­nungs­feld von Kun­den- und Bank­in­ter­es­sen heben Fabi­an Leon­hardt und Arnd Wie­demann die erfolgs­kri­ti­sche Bedeu­tung des Per­mis­si­on Mar­ke­ting für die Ban­ken her­vor. Damit ist u.a. die Ver­wen­dung der Kun­den­da­ten gemeint, um dar­aus per­so­na­li­sier­te Ange­bo­te für den Kun­den erstel­len zu kön­nen. Laut der Daten­schutz­grund­ver­ord­nung, die im nächs­ten Jahr in Kraft tritt, ist dies jedoch an die expli­zi­te Zustim­mung der Kun­den gebun­den. Die Ban­ken genie­ßen bei den Kun­den in Sachen Daten­schutz immer noch einen gro­ßen Ver­trau­ens­vor­schuss. Die­sen Wett­be­werbs­vor­teil gel­te es zu erhal­ten und sys­te­ma­tisch aus­zu­bau­en, ohne dabei das Ver­trau­en der Kun­den zu miß­brauchen oder zu ver­lie­ren. Soll­te die­ser Fall ein­tre­ten, hät­te das für die Ban­ken kata­stro­pha­le Fol­gen; die Ban­ken wür­den, nach­dem sie infol­ge der Finanz­kri­se bereits reich­lich Ver­trau­en ver­spielt haben, ihren letz­ten Kre­dit bei den Kun­den verlieren.

Die Autoren sind der Ansicht, dass den Ban­ken ledig­lich noch die Tech­no­lo­gien zur effi­zi­en­ten Umset­zung feh­len, um den Kun­den per­so­na­li­sier­te Ange­bo­te unter­brei­ten zu kön­nen. Kun­den soll­te die Mög­lich­keit gege­ben wer­den, aktiv an ihrem eige­nen Pro­fil mit­zu­wir­ken, wobei sie sel­ber ent­schei­den kön­nen, wel­che Daten sie für die Ver- und Bewer­tung frei­ge­ben wollen.

Redak­ti­ons­ge­spräch mit Boris Mar­te: “Der Kun­de hat erst­mals etwas von sei­nen Daten und bekommt einen bes­se­ren Überblick”

In einem Inter­view beschreibt Boris Mar­te, Lei­ter der Ers­te Hub, Ers­te Group Bank AG, die wesent­li­chen Mei­len­stei­ne bei der Ent­ste­hung von Geor­ge, der viel­be­ach­te­ten Ban­king-Platt­form. Dem Launch ging eine zwei­jäh­ri­ge Ent­wick­lungs­zeit vor­aus, in der die Kun­den nach ihren Ein­drü­cken und Wün­schen befragt wur­den. Eini­ge Mona­te vor dem Live-Gang wur­de noch ein Beta­test mit 1.000 Kun­den und Mit­ar­bei­tern durch­ge­führt. Nach dem fina­len Design erfolg­te der Produktivsetzung.

Die Umset­zung der PSD2, durch die die Nut­zer die Hoheit an ihren Daten bekom­men sol­len, wer­de sich das Geschäfts­um­feld der Ban­ken ändern. Mit Geor­ge sieht man sich bei der Ers­te dafür bes­tens gerüs­tet. Das ist u.a. auch auf die offe­ne Schnitt­stel­len-Archi­tek­tur von Geor­ge zurück­zu­füh­ren. Die Zei­ten, in denen eine Bank glaub­te zu wis­sen, was für den Kun­den gut ist und was nicht, sei­en, so Mar­te, ein für alle­mal vor­bei. Ban­ken müs­sen den Kun­den zuhö­ren, die User Expe­ri­ence über­ar­bei­ten und mit den Kun­den spre­chen. Ande­ren­falls ent­wi­cke­le man Pro­duk­te und Ser­vices, die an den Bedürf­nis­sen der Kun­den vorbeigehen.

Momen­tan erzie­le man mit Geor­ge noch kei­nen Gewinn. Es han­de­le sich bei Geor­ge jedoch um eine Inves­ti­ti­on in die Zukunft, die sich aus­zah­len wer­de, zumal dann, wenn, soll­te die Ent­wick­lung bei den Nut­zer­zah­len anhal­ten, in zwei Jah­ren jeder zwei­te Online-Ban­king-Nut­zer in Öster­reich mit Geor­ge arbeite.

Ban­king 4.0 – stra­te­gi­sche Her­aus­for­de­run­gen im digi­ta­len Zeit­al­ter (Vol­ker Brühl)

In Anleh­nung an die sog. Indus­trie 4.0 ent­wirft Vol­ker Brüh das Bild einer Bank, die sich vor allem über den Ein­satz neu­es­ter Tech­no­lo­gien (Künst­li­che Intel­li­genz, In Memo­ry, Block­chain) im Wett­be­werb behaup­tet. Ins­be­son­de­re die Pre­dic­ti­ve Ana­ly­tics, wie über­haupt die Tools aus dem Big Data – Umfeld sei­en dazu geeig­net, den Kun­den kanal­über­grei­fend auf ihre Bedürf­nis­se abge­stimm­te Ange­bo­te machen zu kön­nen. Dazu sind stra­te­gi­sche Alli­an­zen mit spe­zia­li­sier­ten Zulie­fe­rern nötig. Die Bank ent­wi­cke­le sich in den nächs­ten Jah­ren zu einer digi­ta­len Platt­form für die Pro­duk­ti­on und Ver­mark­tung kun­den­spe­zi­fi­scher Finanzdienstleistungen.

Kri­ti­sche Würdigung

Die Autoren attes­tie­ren den Ban­ken einen gro­ßen Nach­hol­be­darf beim Ein­satz neu­es­ter Tech­no­lo­gien und bei der Umset­zung neu­er Produkte/​Features, die sich an den Kun­den­be­dürf­nis­sen ori­en­tie­ren. Dem ste­hen jedoch gro­ße Plus­punk­te gegen­über, wie die gro­ße Men­ge an Kun­den­da­ten und das Ver­trau­en der Kun­den in die Ban­ken in Sachen Datenschutz.

Die Lösun­gen bzw. Ansät­ze sind durch­dacht und plau­si­bel. Aller­dings gehen sie von Annah­men aus, die so schon län­ger nicht mehr exis­tie­ren. Es wird vor­aus­ge­setzt, dass die Ban­ken mit ein wenig mehr Tech­no­lo­gie und Agi­li­tät ihr Geschäfts­mo­dell in die Daten­öko­no­mie über­tra­gen kön­nen, so als wären sie auto­no­me, sou­ve­rä­ne Inseln im Daten­meer. Die­se Zei­ten sind jedoch vor­bei. Die Platt­form­öko­no­mie, der sich auch die Ban­ken nicht ent­zie­hen kön­nen, zumal sie ja sel­ber den Platt­form­ge­dan­ken ver­fol­gen, ver­läuft nach ande­ren Regeln, wie es die Ban­ken bis­lang gewohnt waren. Ihre Mit­be­wer­ber sind häu­fig kei­ne ech­ten Ban­ken mehr, son­dern Tech­no­lo­gie- und Medi­en­kon­zer­ne, die eige­ne Öko­sys­tem mit z.T. meh­re­ren hun­dert Mil­lio­nen Nut­zern auf­ge­baut haben. Die Daten, die ihnen dabei zufal­len, ver­set­zen die Inter­net­kon­zer­ne in die Lage, das Ver­hal­ten der Nut­zer zu anti­zi­pie­ren, teil­wei­se auch zu mani­pu­lie­ren, wie es eine Bank nicht kann. Apple, Goog­le und Co. stei­gen nicht des­halb in das Geschäft mit dem Zah­lungs­ver­kehr ein, weil sie sich dar­aus gro­ße Pro­fi­te erhof­fen: Die Bezahl­da­ten sind der Schlüs­sel für die Emp­feh­lungs­macht. Über die Jah­re haben die Ban­ken ihre digi­ta­le Sou­ve­rä­ni­tät ein­ge­büßt. Sie sind abhän­gig von der Hard­ware, der Soft­ware und den sozia­len Netz­wer­ken der Inter­net­kon­zer­ne, wenn sie ihre Kun­den im digi­ta­len All­tag noch erreich wol­len. Die Filia­le reicht dazu nicht mehr aus. Mitt­ler­wei­le geht die Ent­wick­lung, wie die Bei­spie­le WeChat und Ali­pay zei­gen, in Rich­tung einer All-in-one App. Die­se Apps lie­fern Enter­tain­ment, E-/M‑­Com­mer­ce, Ban­king und Mes­sa­ging aus einer Hand. Apple & Co. decken fast die gesam­te Ket­te, die rele­van­ten “Touch­points” ab.

Die­ser Tat­be­stand muss erst ein­mal in sei­ner gan­zen Trag­wei­te zur Kennt­nis genom­men wer­den (oder man zeigt, war­um das nicht kri­tisch ist), bevor man in einen Wett­lauf ein­tritt, der sich so kaum gewin­nen lässt, da der Rück­stand und die Abhän­gig­keit von poten­zi­el­len und ech­ten Mit­be­wer­ben bereits zu groß sind. Geor­ge ist einer der weni­gen Licht­bli­cke, obschon die Zukunft noch zei­gen muss, wie trag­fä­hig das Geschäfts­mo­dell tat­säch­lich ist.

Erfor­der­lich ist eine neue Rol­len­defi­ni­ti­on. Zu glau­ben, die Uni­ver­sal­bank lie­ße sich 1:1 digi­ta­li­sie­ren, ist ein from­mer Wunsch. Die Bank als Treu­hän­der, als Trus­ted Advi­sor der Kun­den in der Daten­öko­no­mie, als Clea­ring­stel­le für die Digi­ta­len Iden­ti­tä­ten  ist eine mög­li­che Rolle.

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