Von Ralf Keuper

Ein Unter­neh­men, das mit einer neu­en Situa­ti­on kon­fron­tiert wird, greift bei der Lage­be­ur­tei­lung häu­fig auf ver­trau­te Regeln zurück. Der Wirt­schafts­his­to­ri­ker Hans-Jörg Sie­gen­tha­ler spricht in dem Zusam­men­hang vom “Regel­ver­trau­en”. Der Ver­lust des Regel­ver­trau­ens wie­der­um ist laut Sie­gen­tha­ler häu­fig dafür ver­ant­wort­lich, wenn die Wirt­schaft in eine Kri­se gerät[1]Regel­ver­trau­en, Pro­spe­ri­tät und Kri­sen. Die Ungleich­mä­ßig­keit wirt­schaft­li­cher und sozia­ler Ent­wick­lung als Ergeb­nis indi­vi­du­el­len Han­delns und sozia­len Ler­nens . Es fehlt an Infor­ma­tio­nen, die eine objek­ti­ve Bewer­tung der Lage ermög­li­chen und den alten Zustand der Sicher­heit bzw. Ver­traut­heit mit den Umstän­den wiederherstellen.

Die Ban­ken­bran­che zählt zwei­fel­los zu den­je­ni­gen, die von den Fol­gen der zuneh­men­den Digi­ta­li­sie­rung in beson­de­rer Wei­se betrof­fen sind. Neue Phä­no­me­ne wie Fin­tech-Start­ups, Digi­ta­le Platt­for­men, Digi­ta­le Wäh­run­gen, Block­chain und Digi­ta­le Öko­sys­te­me brin­gen das Ver­trau­en in die alten Regeln ins Wan­ken. Die Ban­ken sind nicht mehr die Instanz in der Wirt­schaft, die über den größ­ten und aus­sa­ge­kräf­tigs­ten Infor­ma­ti­ons­be­stand ver­fügt. Damit wird ihre eigent­li­che Rol­le als Infor­ma­ti­ons- und Risi­ko­ver­ar­bei­ter der Wirt­schaft und damit ihr Geschäfts­mo­dell in Fra­ge gestellt. Im Zah­lungs­ver­kehr, einer wei­te­ren Domä­ne, dro­hen die Ban­ken den Anschluss zu verlieren.

Das alte Regelsystem 

In der Ver­gan­gen­heit war die Filia­le der Dreh- und Angel­punkt für den Kun­den­kon­takt. Mit der Ver­brei­tung von Geld­au­to­ma­ten, Kon­to­aus­zugs­dru­ckern und SB-Ter­mi­nals begann sich die Bezie­hung der Kun­den zu ihrer Bank/​Filiale zu lockern. Als dann das Inter­net kam, war ein direk­ter Kon­takt (Inter­ak­ti­on) mit der Bank nicht mehr zwin­gend. Es genüg­te die Kon­takt­auf­nah­me über die neu­en “Infor­ma­ti­on High­ways” (Kom­mu­ni­ka­ti­on). Bereits in den 1960er Jah­ren wur­de in Deutsch­land die ers­te Direkt­bank gegrün­det. In den Jahr­zehn­ten dar­auf nahm deren Zahl deut­lich zu. Die größ­te Direkt­bank in Deutsch­land, die ING, hat inzwi­schen über 9 Mil­lio­nen Kunden.

Trotz­dem: So rich­tig erschüt­tern konn­ten die genann­ten Ver­än­de­run­gen das Welt­bild der Ban­ken nicht. Dafür lie­fen die Geschäf­te ein­fach zu gut. Ech­te Alter­na­ti­ven für die Kun­den waren nicht vor­han­den. Ein Wech­sel war nur von einer Bank zur ande­ren mög­lich. Dann kamen die Finanz­kri­se und fast zeit­gleich das iPho­ne. Die Bank wan­der­te a…