Von Ralf Keuper

Die Evo­lu­ti­ons­theo­rie Dar­wins wird immer wie­der ger­ne als Erklä­rungs­mus­ter her­an­ge­zo­gen, wenn es dar­um geht, die Ent­wick­lung einer Wis­sen­schafts­dis­zi­plin oder einer Bran­che zu deu­ten. Nur all­zu häu­fig läuft das auf einen Reduk­tio­nis­mus hin­aus, wie in der Sozio­bio­lo­gie etwa. Oder etwas flap­sig for­mu­liert: Was nicht passt, wird pas­send gemacht.

Bes­ten­falls han­delt es sich bei der Über­tra­gung der bio­lo­gi­schen Evo­lu­ti­ons­theo­rie auf art­frem­de Berei­che um Ana­lo­gien – mehr nicht. Manch­mal ist es schlicht Ele­gan­ter Unsinn.

Bezo­gen auf Ban­ken bedeu­tet das: Ban­ken sind Ergeb­nis der kul­tu­rel­len, gesell­schaft­li­chen Evo­lu­ti­on, die nach ande­ren Regeln abläuft, als die bio­lo­gi­sche. Mehr noch: Wie Ste­ven John­son in Wo gute Ideen her­kom­men. Eine kur­ze Geschich­te der Inno­va­ti­on schreibt, haben sich die Geset­ze der Inno­va­ti­ons­ge­schwin­dig­keit in den let­zen Jahr­zehn­ten gra­vie­rend gewan­delt. In der Zeit vor dem Inter­net galt in der Soft­ware­pro­duk­ti­on die 10/10-Regel, die besagt:

Es dau­ert zehn Jah­re, eine neue Platt­form zu ent­wi­ckeln, und wei­te­re zehn, bis sie ein brei­tes Publi­kum findet.

Bei­spie­le: HDTV, DVDs, GPS-Navigationsgeräte

Die neue 1/​1‑Regel des Inter­net-Zeit­al­ters dage­gen lautet:

Es dau­ert nur noch ein Jahr, eine neu Platt­form zu ent­wi­ckeln, und ein wei­te­res, bis sie ein brei­tes Publi­kum findet.

Bei­spiel: YouTube

Das ist eine ande­re, eine neue Dimen­si­on. Wie schnell die Ent­wick­lung läuft, lässt sich der­zeit sehr gut an den ver­schie­de­nen Initia­ti­ven, Koope­ra­tio­nen, Geschäfts­mo­del­len und Tech­no­lo­gien sehen, wie sie von Ama­zon, Apple, Ten­cent, Bai­du, Goog­le, Soft­bank und wei­te­ren fast schon täg­lich publik wer­den. Gemein­sa­mes Ziel ist die Durch­drin­gung aller Bran­chen mit ihren Daten- und Medi­en­diens­ten. Hier han­delt es sich nicht um 10Mann Start­ups, son­dern um Kon­zer­ne mit meh­re­ren zehn­tau­send Mit­ar­bei­tern und einer Finanz­kraft und einem Tech­no­lo­gie-Know How, das der­zeit von kei­ner ande­ren Bran­che auch nur annä­hernd erreicht wird. Ban­ken, deren Pro­duk­ti­on so infor­ma­ti­ons- und tech­no­lo­gie­in­ten­siv ist, wie die kei­ner ande­ren – mit Aus­nah­me der Medi­en – , sind von die­ser Ent­wick­lung beson­ders stark betrof­fen. Anders als vie­le Ban­ken noch, neh­men die Auto­mo­bil­kon­zer­ne die Bedro­hung ihres Geschäfts­mo­dells durch Bai­du, Ten­cent, Goog­le und Apple bereits sehr ernst. Und das, obwohl sie tech­no­lo­gisch längst nicht so leicht ver­letz­bar sind, wie die Ban­ken heu­te schon.

Inso­fern über­rascht es schon, wie in Sind Ban­ken wie Schild­krö­ten?, zu lesen, dass der­zeit kei­ne exis­ten­zi­el­le Bedro­hung für die Ban­ken in Sicht sei. Übri­gens sehen das zahl­rei­che Ban­ker, nicht nur der Chef der BBVA, ganz anders.

Es ist nicht nur eine – es sind bereits zahl­rei­che und täg­lich kom­men neue hin­zu. Schild­krö­ten hin oder her 😉

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