Von Ralf Keuper
Seit der Finanzkrise und dem Reaktorunglück von Fukushima herrscht für Veröffentlichungen, die sich mit der Vorhersage von Extremereignissen beschäftigen, Hochkonjunktur. Viele Forscher und Autoren versuchen seither, dem Geheimnis plötzlich eintretender Katastrophen auf die Spur zu kommen, wenigstens jedoch eine wissenschaftliche Erklärung dafür zu finden, wie Nassim Taleb in seinen Büchern Der Schwarze Schwan und Antifragilität. Zuvor hatte Benoît Mandelbrot in seinem Buch Fraktale und Finanzen eine Brücke zwischen Chaos- und Finanztheorie geschlagen.
Für einiges Aufsehen sorgte ein Experiment, das die Bremer Neurophysiker Klaus Pawelzik und Felix Patzelt im vergangenen Jahr durchführten. Darin kombinierten sie die Börse mit dem Online-Spiel “The Seesaw Game”. Ziel war es, eine Erklärung für die Schwankungen an der Börse zu finden.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 10. Oktober 2014 (“Unfassbar”, Autor: Patrick Illinger) von dem Symposium “Extremes 2014”, das die Volkswagen Stiftung in der zurückliegenden Woche in Hannover ausrichtete. Der Autor geht in seinem Artikel auch auf das bereits erwähnte Experiment von Patzelt und Pawelzik ein. Um zu einer Erklärung zu gelangen, wie Kursstürze zustande kommen, programmierten die Forscher digitale Akteure, “die”, wie Patrick Illinger in dem Artikel schreibt, “nichts anderes tun, als das Geschehen zu beobachten und zu reagieren. … Jeder Versuch zu reagieren erfolgt naturgemäß mit etwas zeitlicher Verzögerung, und die Gegenbewegung ist meist nicht präzise. Alleine mit diesen Prinzipien ist es Patzelt gelungen, die an Märkten typischen wiederkehrenden Ausschläge zu reproduzieren. Ohne äußere Einflüsse wie Quartalszahlen oder Unternehmensnachrichten erzeugen offenbar alleine die Aktionen und Reaktionen der Marktteilnehmer auf das nackte Geschehen die weithin gefürchteten, scheinbar unerklärlichen Ausschläge”.
Ob Multiagentensimulationen zur Erklärung wirklich ausreichen? Da habe ich meine Zweifel. Dafür ist das Geschehen auf den Börsen und den Finanzmärkten zu komplex. Es spielen Faktoren herein, die sich nicht vollständig erfassen lassen. Allerdings können Simulationen Aspekte beleuchten, die bisher zu wenig oder gar nicht berücksichtigt wurden. Das ist gar nicht mal so wenig.
Die Erwartungshaltung sollte aber nicht zu hoch sein. Die Suche nach der Formel zur Vorhersage von Finanzkrisen, der Zukunft gar, geht weiter, ohne ihr Ziel zu erreichen, da bestimmte logische Grenzen nicht überschritten werden können, wie der Mathematiker und Logiker Kurt Gödel in seinem nach ihm benannten Theorem nachgewiesen hat.
Da bleibt uns bis auf weiteres wohl nur, wenn es auch schwer fällt, mit Hans Magnus Enzensberger in die Hommage an Gödel einzustimmen 😉
Weitere Informationen:
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