Von Ralf Keuper

Der His­to­ri­ker Rein­hart Koselleck, der auch der sog. Bie­le­fel­der Schu­le zuge­rech­net wird, ent­warf über die Jahr­zehn­te eine eige­ne Geschichts­theo­rie, deren zen­tra­le Begrif­fe die „Sat­tel­zeit“ und „Zeit­schich­ten“ sind. Letz­te­re beschreibt Koselleck wie folgt:

>Zeit­schich­ten< ver­wei­sen auf geo­lo­gi­sche For­ma­tio­nen, die ver­schie­den weit und ver­schie­den tief zurück­rei­chen und die sich im Lau­fe der soge­nann­ten Erd­ge­schich­te mit ver­schie­de­nen Geschwin­dig­kei­ten ver­än­dert und von­ein­an­der abge­ho­ben haben. .. Die Rück­über­tra­gung in die mensch­li­che, die poli­ti­sche oder sozia­le Geschich­te und in die Struk­tur­ge­schich­te erlaubt es, ver­schie­de­ne zeit­li­che Ebe­nen ana­ly­tisch zu tren­nen, auf denen sich die Per­so­nen bewe­gen, Ereig­nis­se abwi­ckeln oder deren län­ger­wäh­ren­de Vor­aus­set­zun­gen erfragt wer­den. (in: Zeit­schich­ten)

Die Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft ist, wenn man so will, die der­zeit vor­herr­schen­de Zeit­schicht; zumin­dest in den indus­tria­li­sier­ten Län­dern der sog. 1. Welt übt sie einen prä­gen­den Ein­fluss auf das Bank­we­sen aus. Im Grun­de genom­men ist kaum eine ande­re Bran­che so von den Aus­wir­kun­gen der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft oder der Digi­tal­sie­rung betrof­fen, mit Aus­nah­me der Medi­en­wirt­schaft, wie die Ban­ken­bran­che; besteht ihr Kern­ge­schäft eigent­lich nur aus Infor­ma­ti­ons­spei­che­rung und –ver­ar­bei­tung. Pro­duk­ti­on und Dis­tri­bu­ti­on sind zeit­lich nahe­zu deckungs­gleich, eine Lager­hal­tung ist eben­so unnö­tig wie ein auf­wän­di­ger Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess, in dem aus Vor­rä­ten und Hilfs­stof­fen mit­tels inten­si­ver Bear­bei­tung ein zusätz­li­cher Wert geschaf­fen wird. Jede Ver­än­de­rung, die die Beschaf­fung und die Ver­ar­bei­tung von Infor­ma­tio­nen betrifft, beein­flusst daher unmit­tel­bar das Bank­ge­schäft. Wei­ter: Jede Macht­ver­schie­bung in der Kon­stel­la­ti­on, d.h. inwie­weit sich die Gewich­te zuguns­ten ande­rer Anbie­ter oder der Kun­den wie über­haupt der sog. Inter­es­sen­grup­pen (Stake­hol­der) ver­schie­ben, hat direk­te Aus­wir­kun­gen auf den herr­schen­den Bank­stil und damit auf das Geschäfts­mo­dell der Ban­ken. Tech­no­lo­gi­sche Ände­run­gen allei­ne kön­nen die Macht­ba­lan­ce zwar erschüt­tern; um aber einen Wan­del aus­zu­lö­sen, bedarf es wei­te­rer Fak­to­ren, Stil­ele­men­te, Zeit­schich­ten. Hier­zu zäh­len die von Arthur Spiet­hoff ein­ge­führ­ten Begrif­fe des Wirt­schafts­geis­tes, der Wirt­schafts­ver­fas­sung, der Gesell­schafts­ver­fas­sung und des Wirtschaftslaufs.

Die Zeit­schich­ten einer Bank las­sen sich am ein­fachs­ten aus ihrer IT-Sys­tem­land­schaft able­sen. Die­se ent­hält näm­lich häu­fig die gän­gi­gen Tech­no­lo­gien der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te. Ein Archi­tek­tur­bild kann hier schon einen ers­ten Ein­druck vermitteln.

Wei­te­re Informationen:

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Pfad­ab­hän­gig­kei­ten im Ban­king – Wege aus der Sackgasse

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