Von Ralf Keuper
In den letzten Jahren hat sich die Ansicht verfestigt, dass Kundenzentrierung auch – oder gerade – im Banking das Maß der Dinge ist. Die Forderung erscheint auf den ersten so plausibel und berechtigt, dass sich eine Kritik verbietet bzw. erübrigt. Denn: Wer wollte ernsthaft bestreiten, dass Produkte und Dienstleistungen den (wahren) Bedürfnissen der Menschen so weit wie möglich entsprechen sollten. Unternehmen sind daher gut beraten, genau hinzuhören und hinzusehen. Wer die Zeichen nicht zu deuten weiß, wem die Kundenreise ein Geheimnis mit sieben Siegeln ist, der hat keine Chance mehr. Eine Bank, die es versäumt, den Kunden das Onboarding so angenehm wie möglich zu machen, deren Apps die Kriterien der perfekten User Experience (möglichst wenig Klicks) nicht erfüllen und die ihre Kernservices nicht kostenlos oder zumindest sehr günstig anbietet, wird im Wettbewerb mit den Fintech-Startups zurückfallen.
Kann man so sehen – muss man aber nicht unbedingt.
Sicherlich haben die Banken in Sachen Customer Experience großen Nachholbedarf gegenüber den meisten Fintech-Startups oder Challenger-Banken. Was die Kundenorientierung betrifft, besteht hier ebenfalls Verbesserungspotenzial – keine Frage. Die Banken haben den Kunden allzu oft Produkte verkauft, die mehr den Banken als den Kunden nutzten. Ausschlaggebend waren und sind z.T. noch die Vertriebsvorgaben. Ob die Kunden das Produkt wirklich brauchen, ist dabei nicht selten von untergeordneter Bedeutung. Hier ist mehr Kundenzentrierung über alle Ebenen und Prozesse hinweg wünschens- und erstrebenswert[1]Die Illusion der Kundenzentrierung Fünf unbequeme Thesen zum digitalen Marketing.
Wie u.a. der Fall von Robin Hood gezeigt hat, können die Bedürfnisse der Kunden übergangen werden, wenn die Geschäftspolitik oder die Situation es erfordern. Erschwerend kommt hinzu, wenn das Unternehmen die Da…
References