Auf dem Markt für Iden­ti­fi­zie­rungs­lö­sun­gen voll­zieht sich momen­tan eine Kon­so­li­die­rung. Einer der Haupt­ak­teu­re ist Signi­cat. In jüngs­ter Zeit hat Signi­cat eini­ge ID-Lösungs­an­bie­ter über­nom­men, wie zuletzt eID aus Spa­ni­en. Im Inter­view erläu­tert Kurt Rind­le (Foto), Solu­ti­on Sales Direc­tor DACH von Signi­cat, die Beweg­grün­de für die aktu­el­le Über­nah­me und bezieht Stel­lung zu den jüngs­ten Initia­ti­ven der EU im Bereich der digi­ta­len Identifizierung. 

Aus­schlag­ge­bend waren dafür drei Gründe:

  • Die Tech­no­lo­gie von eID ist von außer­ge­wöhn­li­cher Qua­li­tät und hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren als Teil unse­res Platt­form­an­ge­bots für Signi­cat an Bedeu­tung gewonnen.
  • Die Über­nah­me von eID ermög­licht es uns, unse­re Markt­po­si­ti­on wei­ter aus­zu­bau­en durch eine Iden­ti­täts­nach­weis- und elek­tro­ni­sche Unter­schrif­ten-Tech­no­lo­gie, die unse­re Platt­form und unse­re Reich­wei­te in wei­te­ren euro­päi­schen und spa­nisch­spra­chi­gen Märk­ten stärkt.
  • Zudem woll­ten wir auch wei­te­re hoch qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter Die Teams, die an den Pro­duk­ten für eID arbei­ten, sind abso­lu­te Exper­ten auf ihrem Gebiet.
Kurt Rind­le, Solu­ti­on Sales Direc­tor DACH, Signicat

Die­se Akqui­si­ti­on unter­schei­det sich von den frü­he­ren Akqui­si­tio­nen von Con­nec­tis und Encap Secu­ri­ty, bei denen Inte­gra­ti­ons­ak­ti­vi­tä­ten in einem Zeit­raum von ein bis zwei Jah­ren zu erwar­ten sind. Elec­tro­ni­cI­Den­ti­ty (eID) wird kurz­fris­tig nicht in Signi­cat umfirmieren.

Am 1. Sep­tem­ber ver­an­stal­ten wir ein eng­lisch­spra­chi­ges Web­i­nar[1]https://signicat.zoom.us/webinar/register/WN_KeYK9w4NSN-lBUdV-ZD1Aw, bei dem wir auf die Vor­tei­le durch den Zusam­men­schluss bei­der Unter­neh­men ein­ge­hen. Wir infor­mie­ren über Tech­no­lo­gien und Trends für Iden­ti­täts­nach­wei­se und elek­tro­ni­sche Signaturen

  • Allein­stel­lungs­merk­mal von eID ist die asyn­chro­ne Video-Iden­ti­fi­ka­ti­on – was kann man dar­un­ter ver­ste­hen?

Unter asyn­chro­ner Video-Iden­ti­fi­ka­ti­on ver­steht eID eine Lösung, bei der eine Video­auf­zeich­nung im Strea­ming-Ver­fah­ren erfolgt. Dabei fin­det gleich­zei­tig die Kon­trol­le der Auf­zeich­nung und der Inte­gri­tät der auf­ge­nom­me­nen Inhal­te statt. Anschlie­ßend erfolgt off­line die Veri­fi­zie­rung durch einen qua­li­fi­zier­ten Mitarbeiter.

  • Ist die Video-Iden­ti­fi­zie­rung auf Dau­er über­haupt noch nötig?

Signi­cat hat sei­nen Ursprung in der Nut­zung von elek­tro­ni­schen Iden­ti­tä­ten (eID) und wir sehen eine Zunah­me der Ver­brei­tung auch außer­halb unse­rer Hei­mat­re­gi­on Skan­di­na­vi­en. Es wer­den aber ver­mut­lich noch auf lan­ge Zeit natür­li­che Per­so­nen zu iden­ti­fi­zie­ren sein, die kei­ne eID besit­zen (z.B. außer­halb Euro­pas). Daher ist es durch­aus sinn­voll Alter­na­ti­ven zu einer Iden­ti­fi­ka­ti­on vor Ort oder auch zu einer syn­chro­nen Video-Iden­ti­fi­ka­ti­on zu fin­den, die damit einen digi­ta­len Onboar­ding-Pro­zess mit einer ange­neh­men Nut­zer­er­fah­rung schnell, kos­ten­güns­tig und sicher ermöglichen.

  • Ange­sichts der jüngs­ten Über­nah­men von Signi­cat und eini­ger Mit­be­wer­ber gewinnt man den Ein­druck, dass der Trend in Rich­tung Kom­plett­an­bie­ter weist – stim­men Sie dem zu?

Der Markt der elek­tro­ni­schen Iden­ti­fi­zie­rung und des digi­ta­len Unter­schrei­bens ist am Wach­sen. Signi­cat als ein euro­päi­scher Markt­füh­rer für digi­ta­le Iden­ti­tä­ten und digi­ta­le Signa­tu­ren sieht dies als Chan­ce sein Port­fo­lio und sei­ne Markt­ab­de­ckung am Bedarf anzupassen.
Kun­den suchen Lösun­gen, die mög­lichst ein­fach anzu­wen­den und zu inte­grie­ren sind. Daher ergibt es Sinn, wenn Anbie­ter von Iden­ti­täts­lö­sun­gen mög­lichst vie­le Metho­den und Län­der über eine Platt­form und Schnitt­stel­le anbie­ten. Das ist auch der Gedan­ke von Signi­cats Digi­tal Iden­ti­ty Hub.

  • Sind in naher Zukunft noch wei­te­re Über­nah­men durch Signi­cat zu erwar­ten – sind über­haupt noch genü­gend poten­zi­el­le Kan­di­da­ten auf dem Markt?

Signi­cat ver­folgt eine ehr­gei­zi­ge Wachs­tums­stra­te­gie – die Finan­cial Times nahm Signi­cat im März die­ses Jah­res in die Lis­te der 1000 am schnells­ten wach­sen­den Unter­neh­men in Euro­pa auf. Wei­te­re Über­nah­men sind daher auch künf­tig durch­aus möglich.

  • Wie bewer­ten Sie bei Signi­cat die jüngs­ten Akti­vi­tä­ten der Bun­des­re­gie­rung und der EU, die (grenz­über­schrei­ten­de) Nut­zung der eID zu for­cie­ren?[2]Digi­ta­ler Aus­weis e‑ID soll län­der­über­grei­fend ein­setz­bar sein



Die Nut­zung von eIDs erfolgt heu­te noch haupt­säch­lich auf natio­na­ler Ebe­ne, die grenz­über­schrei­ten­de Nut­zung ist aus unse­rer Sicht aus­drück­lich erwünscht. Obwohl die eIDAS-Ver­ord­nung die grenz­über­schrei­ten­de Nut­zung für öffent­li­che Diens­te schon seit vie­len Jah­ren vor­schreibt, ist lei­der in der Pra­xis nicht viel davon zu sehen. Die der­zei­ti­ge eIDAS-Infra­struk­tur steht dem pri­va­ten Sek­tor nicht zur Ver­fü­gung. Es gibt heu­te eini­ge ande­re Mög­lich­kei­ten, eine grenz­über­schrei­ten­de eID zu erreichen:

  • Der Bro­ker-Ansatz, bei dem Signi­cat einer der Haupt­ak­teu­re ist, ist am wei­tes­ten ver­brei­tet: Der Bro­ker inte­griert vie­le eIDs aus ver­schie­de­nen Län­dern und macht sie über eine Schnitt­stel­le verfügbar.
  • Inter­ope­ra­bi­li­tät von eIDs durch Stan­dar­di­sie­rung, wobei die Initia­ti­ve Deutsch­lands und Frank­reichs zur Stan­dar­di­sie­rung des deut­schen nPA-Ansat­zes als „eIDAS-Token” für alle EU-Län­der ein lei­der nicht erfolg­rei­ches Bei­spiel ist.
  • Eini­ge weni­ge eID-Anbie­ter sind heu­te in mehr als einem Land tätig: its­me® in BeNe­Lux sowie Smart-ID in den bal­ti­schen Län­dern. Alle län­der­über­grei­fend täti­gen Unter­neh­men kön­nen ihr Ange­bot grenz­über­schrei­tend aus­wei­ten.

Der Bro­ker-Ansatz funk­tio­niert eigent­lich recht gut. Ein gro­ßes Pro­blem ist jedoch, dass vie­le Län­der in Euro­pa ent­we­der kei­ne eIDs für die Bevöl­ke­rung ein­ge­führt haben und/​oder die ein­ge­führ­ten eIDs nicht nut­zen. Es gibt also in vie­len Län­dern noch eini­ges auf natio­na­ler Ebe­ne zu regeln, bevor der grenz­über­schrei­ten­de Ver­kehr in die­sen Län­dern rele­vant wird.

  • Und was ist von „Euro­päi­schen ID-Wal­lets“ – ent­spre­chend den Plä­nen der EU – zu halten?

Die EU schlägt mit der über­ar­bei­te­ten eIDAS-Ver­ord­nung eine gemein­sa­me Platt­form in Form des „Euro­päi­schen ID-Wal­lets“ vor. Der Vor­schlag sieht vor, die Ein­füh­rung in allen Län­dern vor­zu­schrei­ben und die Inter­ope­ra­bi­li­tät nicht nur durch Stan­dar­di­sie­rung, son­dern wahr­schein­lich sogar durch die obli­ga­to­ri­sche Ver­wen­dung eines gemein­sa­men „Werk­zeug­kas­tens“ zu gewährleisten.

Wir begrü­ßen die­se Initia­ti­ve, aber es gibt noch eini­ge Pro­ble­me zu lösen:

  • Regie­run­gen sind nicht gut im Bewer­ben von Lösungs­an­sät­zen. Wenn es sich um eine frei­wil­li­ge Maß­nah­me han­delt, wird sie dann auch wirk­lich in der Bevöl­ke­rung ein­ge­führt? Oder wird die Initia­ti­ve scheitern?
  • Wie wird das „Wal­let“ in den Län­dern ange­nom­men, die bereits über gesell­schaft­li­che eID Infra­struk­tu­ren ver­fü­gen, wel­che oft von kom­mer­zi­el­len Akteu­ren bereit­ge­stellt werden?
  • Ist die Ver­wen­dung einer gemein­sa­men Tool­box sinn­voll, oder soll­te man auf Stan­dar­di­sie­rung und ver­schie­de­ne kom­pa­ti­ble Imple­men­tie­run­gen setzen?
  • Wer­den kom­mer­zi­el­le Dienst­leis­ter dies übernehmen?

Signi­cat wird „Wal­lets“ unter­stüt­zen und inte­grie­ren, aber die Rol­le des Bro­kers ist in die­sem Zusam­men­hang mög­li­cher­wei­se neu zu über­den­ken. Signi­cat ist der Ansicht – und das nicht nur auf­grund unse­rer eige­nen Rol­le – dass das in der EU ein­zu­füh­ren­de eID-Sys­tem auf einem Öko­sys­tem-Ansatz beru­hen soll­te, bei dem die Akteu­re auch für Mehr­wert­diens­te ver­schie­de­ne Rol­len über­neh­men können.