Fünf kon­train­tui­ti­ve digi­ta­le Stra­te­gien für das Wachs­tum eta­blier­ter Finanzmarken

Von Richard Dratva

Die dis­rup­ti­ve Wucht der Digi­ta­li­sie­rung setzt eta­blier­te Finanz­mar­ken unter Hand­lungs­druck – doch die bis­her gän­gi­gen Rezep­te von Ban­ken und Spar­kas­sen füh­ren häu­fig in eine Sack­gas­se, weil die dahin­ter­ste­hen­de Denk­wei­se noch dem ana­lo­gen Zeit­al­ter ent­stammt. Eta­blier­te Finanz­mar­ken tun das, was ihnen vor dem Hin­ter­grund ihrer über Jahr­zehn­te gewach­se­nen Geschäfts­prak­ti­ken, Arbeits­wei­sen und Pro­zes­se intui­tiv rich­tig erscheint – und lie­gen damit im digi­ta­len Zeit­al­ter oft­mals dane­ben. Tat­säch­lich ist es jedoch erstaun­lich ein­fach, Lösungs­an­sät­ze für die Bank von mor­gen zu fin­den. Die­ser Bei­trag stellt fünf tri­vi­al anmu­ten­de, aber kon­train­tui­ti­ve digi­ta­le Stra­te­gien vor, wie eta­blier­te Insti­tu­te im Digi­tal Ban­king der 2020er Jah­re erfolg­reich sein können.

Sicht­ba­re Ver­bes­se­run­gen für den Kun­den schaf­fen, statt tief unten im Stol­len zu graben

Im Ver­gleich zu den Chal­len­gern sind eta­blier­te Ban­ken momen­tan vor allem eines: lang­sam. Dies liegt ins­be­son­de­re an ihrer tech­no­lo­gi­schen Infra­struk­tur. Unter der Ober­flä­che kämp­fen Ban­ken mit der enor­men Kom­ple­xi­tät und den Kos­ten hun­der­ter ver­schie­de­ner Sys­te­me, die sie für ihr Tages­ge­schäft auf­recht­erhal­ten müs­sen – und wid­men des­we­gen den Löwen­an­teil ihres Tech­no­lo­gie­bud­gets der War­tung ihrer bestehen­den Sys­te­me. Dadurch ent­steht jedoch kei­ne für den Kun­den sicht­ba­re Leis­tung geschwei­ge denn eine digi­ta­le User Expe­ri­ence, die es mit den geschmei­di­gen Ange­bo­ten der Chal­len­ger-Ban­ken auf­neh­men kann. Ban­ken soll­ten sich des­we­gen dar­auf kon­zen­trie­ren, spür­ba­re Ver­bes­se­run­gen für den End­kun­den zu errei­chen. Die Moder­ni­sie­rung der zugrun­de­lie­gen­den Sys­te­me ist wich­tig, Inno­va­ti­on aber ist wich­ti­ger – und dafür müs­sen in den Ban­ken die vor­han­de­nen Res­sour­cen radi­kal umver­teilt wer­den. Mit einem Bud­get-Boost in die­sem Zukunfts­be­reich wird auch ein kla­res Signal an die Beleg­schaft gesandt, dass nach den Wor­ten nun auch Taten folgen.

Radi­kal ver­ein­fa­chen, statt in Kom­ple­xi­tät zu ersticken

Für eta­blier­te Unter­neh­men ist es ein­fa­cher, ihr Port­fo­lio um neue Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen zu ergän­zen als bestehen­de Ange­bo­te zu ent­fer­nen. Des­we­gen hat sich bei vie­len eta­blier­ten Finanz­mar­ken ein unüber­seh­ba­rer Wust an Kon­ten, Kar­ten, Tari­fen, Preis­stu­fen und Ser­vices ange­sam­melt – natür­lich ganz im Sin­ne der Kun­den, denn die wis­sen die­se gro­ße Aus­wahl doch sicher zu schät­zen, oder? Die Wahr­heit ist, dass sich die Kun­den bei zu vie­len Mög­lich­kei­ten schnell über­for­dert füh­len. Hin­zu kommt, dass Finanz­in­sti­tu­te nur dann schnel­ler und inno­va­ti­ver wer­den kön­nen, wenn sie auch schlan­ker und fokus­sier­ter wer­den – also ihr Port­fo­lio dras­tisch redu­zie­ren. Eine kon­train­tui­ti­ve Stra­te­gie ist es des­we­gen, die Zahl der Optio­nen radi­kal zu ver­rin­gern und die Cus­to­mer Jour­ney so weit wie mög­lich zu ver­ein­fa­chen, denn Ein­fach­heit bedeu­tet Bequem­lich­keit und Bequem­lich­keit ist der größ­te Trei­ber für Loya­li­tät in der digi­ta­len Welt.

Open Ban­king statt Wagenburgmentalität

Eta­blier­te Finanz­in­sti­tu­te neh­men gegen­über dem The­ma Open Ban­king häu­fig eine defen­si­ve Hal­tung ein, bedeu­tet dies doch, dass sie ihren größ­ten Schatz – ihre Kun­den­da­ten – nun auf ein­mal tei­len müs­sen, und zwar aus­ge­rech­net mit poten­zi­el­len Mit­be­wer­bern. Aus die­sem Grund betrach­ten es vie­le Ban­ken als ratio­nal, die Öff­nung ihrer Sys­te­me auf das regu­la­to­ri­sche Mini­mum zu begren­zen. Auch das ist ein Denk­feh­ler. Denn die eigent­li­chen Trei­ber des Open Ban­kings wer­den künf­tig nicht die Regu­la­to­ren, son­dern die Bank­kun­den sein – und die wis­sen, was sie wol­len: ein Ban­king, das ihrer digi­ta­li­sier­ten Lebens­welt ent­spricht. Die Finanz­welt der Zukunft ist hyper­ver­netzt – es ist des­we­gen bes­ser, Teil die­ser Ver­net­zung zu wer­den als sich ihr zu ver­schlie­ßen. Der Schlüs­sel zum Erfolg liegt künf­tig dar­in, die Daten Drit­ter intel­li­gent zu nut­zen und nicht nur die eige­nen Daten Drit­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die gute Nach­richt: Eta­blier­te Finanz­mar­ken sind für die her­auf­zie­hen­de Open-Ban­king-Welt bes­ser gerüs­tet, als sie glau­ben. Ob Ener­gie, Mobil­funk­ver­trä­ge oder Medi­en­ser­vices: Vie­le Bank­kun­den kön­nen sich bereits heu­te vor­stel­len, bran­chen­frem­de Pro­duk­te von ihrer Bank zu bezie­hen. Dies eröff­net Ban­ken die Mög­lich­keit, sich mit Zusatz­an­ge­bo­ten neue digi­ta­le Ertrags­quel­len zu erschlie­ßen. Aber Ach­tung: Open Ban­king geschieht nicht von selbst! Je mehr man mit den neu­en Mög­lich­kei­ten des Open Ban­kings expe­ri­men­tiert, des­to erfolg­rei­cher wird man sein.

Zum Chal­len­ger der Chal­len­ger wer­den, statt in Angst­star­re zu verfallen

Eta­blier­te Insti­tu­te schre­cken vor Inno­va­tio­nen im Stil der Chal­len­ger zurück, weil sie befürch­ten, mit radi­ka­len Ver­än­de­run­gen die Repu­ta­ti­on ihres Insti­tu­tes aufs Spiel zu set­zen oder gleich ihre kom­plet­te Mar­ke umbau­en zu müs­sen. Ange­sichts die­ses Risi­kos ent­schei­den sich eta­blier­te Finanz­in­sti­tu­te häu­fig für ein „Busi­ness as usu­al“, zie­hen sich zurück und bau­en ein kon­ser­va­ti­ves Selbst­ver­ständ­nis auf, um damit eine vor­sich­ti­ge, lang­sa­me und manu­el­le Geschäfts­tä­tig­keit recht­fer­ti­gen zu kön­nen. Ban­ken, die die­sen Weg ein­schla­gen, wol­len mög­lichst wenig ris­kie­ren – und ris­kie­ren damit mög­li­cher­wei­se alles. Denn wäh­rend die Neo­ban­ken wei­ter einen mas­si­ven Kun­den­zu­lauf ver­zeich­nen, haben eta­blier­te Insti­tu­te die­sem Wan­del mit einem „Busi­ness as usu­al“ immer weni­ger ent­ge­gen­zu­set­zen. Eine kon­train­tui­ti­ve Stra­te­gie für Ban­ken besteht dar­in, zu unter­su­chen, was genau die Chal­len­ger so erfolg­reich macht – und anschlie­ßend mit hal­bu­n­ab­hän­gi­gen “Flan­ker Brands” eige­ne Chal­len­ger auf den Markt zu brin­gen, um so los­ge­löst von der Haupt­mar­ke mit neu­en Tech­no­lo­gien, Denk­wei­sen und Kun­den­seg­men­ten expe­ri­men­tie­ren zu kön­nen. Der gro­ße Vor­teil dabei: Eine sol­che Flan­ker Brand muss gar nicht immer teu­er sein.

Auf Inno­va­tio­nen in „Fin“ statt in „Tech“ setzen

Fintechs sind oft von Natur aus eher „tech“ als „fin“. Sie über­zeu­gen vor allem mit ihrer Tech­no­lo­gie­kom­pe­tenz, ihrem kun­den­ori­en­tier­ten Design­den­ken und ihrer Fähig­keit, für alte Pro­ble­me neue Lösun­gen zu fin­den. Vie­le eta­blier­te Insti­tu­te glau­ben, selbst zu Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men wer­den zu müs­sen, um den neu­en Wett­be­wer­bern Paro­li bie­ten zu kön­nen. Sie stel­len hun­der­te von Ent­wick­lern ein, bau­en ihre IT-Infra­struk­tur aus und ver­su­chen so, die Chal­len­ger tech­no­lo­gisch zu über­ho­len. Doch ist das wirk­lich nötig? Eta­blier­te Finanz­mar­ken soll­ten sich viel­mehr auf ihre Kern­kom­pe­ten­zen kon­zen­trie­ren: Die Ent­wick­lung und den Ver­trieb von Finanz­pro­duk­ten und ‑dienst­leis­tun­gen. Tech­no­lo­gie ist nur Mit­tel zum Zweck und kann von Ban­ken an spe­zia­li­sier­te Finanz­tech­no­lo­gie­an­bie­ter out­ges­ourct wer­den – ein wei­te­rer Weg, um im digi­ta­len Zeit­al­ter fle­xi­bler, schnel­ler und erfolg­rei­cher zu werden.

Leit­sät­ze für erfolg­rei­ches Digi­tal Ban­king in den 2020er Jahren
  • Sicht­ba­re Ver­bes­se­run­gen für die Kun­den schaf­fen: Erfolg­rei­che Ban­ken begnü­gen sich nicht mit War­tungs­ar­bei­ten und unsicht­ba­ren Opti­mie­run­gen, son­dern set­zen gezielt auf Inno­va­tio­nen zur Schaf­fung deut­lich bes­se­rer Kundenerfahrungen. 
  • Radi­kal ver­ein­fa­chen: Erfolg­rei­che Ban­ken hel­fen ihren Kun­den, statt sie zu ver­wir­ren, indem sie ihr Pro­dukt­port­fo­lio dras­tisch reduzieren. 
  • Open-Ban­king-Poten­zia­le erschlie­ßen: Erfolg­rei­che Ban­ken den­ken weni­ger an den Schutz und mehr an die Ver­net­zung ihrer Daten und spre­chen ihre Kun­den mit den rich­ti­gen Ange­bo­ten zum rich­ti­gen Zeit­punkt an.
  • Chal­len­ger wer­den: Erfolg­rei­che Ban­ken gewin­nen durch die Lan­cie­rung eige­ner, teil­au­to­no­mer Mar­ken mehr Spiel­raum für gewag­te Innovationen.
  • Geschickt Tech­no­lo­gie­part­ner ein­set­zen: Erfolg­rei­che Ban­ken arbei­ten mit Fintechs und spe­zia­li­sier­ten Finanz­tech­no­lo­gie­an­bie­tern zusam­men, um sich ganz auf ihre Kern­kom­pe­ten­zen kon­zen­trie­ren zu kön­nen – die Ent­wick­lung und den Ver­trieb von Finanz­pro­duk­ten und ‑dienst­leis­tun­gen.
Dr. Richard Dratva

Dr. Richard Drat­va, Stra­te­gie­chef beim Digi­tal-Ban­king-Soft­ware­spe­zia­lis­ten CREALOGIX

Dr. Richard Drat­va kann sich auf lang­jäh­ri­ge Erfah­rung im Bereich Digi­tal Ban­king beru­fen. Schon 1997 war er als Pro­jekt­lei­ter bei Cre­dit Suis­se für die Kon­zep­ti­on und Ein­füh­rung der ers­ten Schwei­zer Online­bank ver­ant­wort­lich. Seit­dem hat er zahl­rei­che Inno­va­ti­ons­pro­jek­te in den Berei­chen Digi­tal Wealth Manage­ment und Digi­tal Advi­so­ry gelei­tet. Sei­ne beruf­li­che Lauf­bahn begann er bei der UBS. Richard Drat­va betei­ligt sich aktiv an Fin­tech-Start-ups und wur­de von finews.ch zu einer der ein­fluss­reichs­ten Fin­tech-Per­sön­lich­kei­ten in der Schweiz ernannt.

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