Von Ralf Keuper

Inzwi­schen herrscht weit­ge­hen­de Einig­keit dar­über, dass die Ban­ken sich der Digi­ta­li­sie­rung ihres Stamm­ge­schäfts gegen­über öff­nen müssen/​sollten, sofern sie nicht den Anschluss an die Markt­ent­wick­lung ver­lie­ren wol­len. Wei­ter­hin kommt neu­er­dings die For­de­rung hin­zu, wie auf die­sem Blog, der Media­li­sie­rung des Bank­ge­schäfts, stär­ke­re Beach­tung zu schenken.

So weit, so gut.

Nur – stim­men die­se Annah­men so überhaupt?

Vie­le Begrif­fe ver­wen­det man irgend­wann nur noch reflex­ar­tig, ohne sich wei­te­re Gedan­ken über deren genaue­ren Ursprung und ihre eigent­li­che Bedeu­tung zu machen.

Die­se Erfah­rung konn­te ich in der ver­gan­ge­nen Woche anläss­lich der Eröff­nung des Zen­trums für Musik – Edi­ti­on – Medi­en in Pader­born machen. In sei­nem Fest­vor­trag “Going digi­tal. Vom Ein­zug des Com­pu­ters in die Geis­tes- und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten” traf Jan Chris­toph Meis­ter (Uni­ver­si­tät Ham­burg) eine Unter­schei­dung zwi­schen ana­lo­ger und digi­ta­ler Signal­ver­ar­bei­tung bzw. ‑dar­stel­lung. Wäh­rend die ana­lo­ge Dar­stel­lung Nähe­rungs­wer­te lie­fert, kann die digi­ta­le Reprä­sen­ta­ti­on mit exak­ten, ein­deu­ti­gen Ergeb­nis­sen auf­war­ten. Ana­log reprä­sen­tiert das Kon­ti­nu­um, digi­tal den Zeit­punkt. Oder anders: Ana­log ermög­licht die ganz­heit­li­che Zeit­er­fah­rung, digi­tal dage­gen die in Ein­zel­punk­te oder ‑momen­te zerfallende.

Was hat das nun mit dem Ban­king zu tun?

Die Ver­tre­ter des her­kömm­li­chen, klas­si­schen Ban­king heben ger­ne die Bedeu­tung der per­sön­li­chen Bezie­hung mit den Kun­den, die sich über einen lan­gen Zeit­raum ent­wi­ckelt hat, her­vor. Im sel­ben Atem­zug wird die Rele­vanz der sta­tio­nä­ren Filia­len, als ver­läss­li­cher und ver­trau­ter Anlauf­stel­le für die Kun­den her­vor­ge­ho­ben. Ein vor­wie­gend ana­lo­ges Ban­king also.

Dem­ge­gen­über sind die Prot­ago­nis­ten des digi­ta­len Ban­king davon über­zeugt, dass es künf­tig kei­ner phy­si­schen Filia­len mehr bedarf. Der per­sön­li­che Kon­takt lässt sich auf die direk­te, situa­tions- und zeit­punkt­be­zo­ge­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on über Internet/​Smartphones redu­zie­ren. Der Auf­bau einer per­sön­li­chen Bezie­hung mit einem bestimm­ten Berater/​bestimmter Bera­te­rin ist nicht mehr nötig. Dafür ist das Geschäft zu wech­sel­haft, der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt in der Kom­mu­ni­ka­ti­on zu rasant, um sich noch auf der­ar­ti­ge Kon­stan­ten ein- bzw. ver­las­sen zu können.

Wer hat nun Recht? Irgend­wie bei­de – und auch wie­der nicht.

Was uns der­zeit noch dar­in hin­dert, die Her­aus­for­de­run­gen der Digi­ta­li­sie­rung (und Media­li­sie­rung) zu ver­ste­hen, ist, dass wir noch zu sehr an tra­dier­ten Vor­stel­lun­gen von Zeit und Raum gebun­den sind. Damit ist kei­nes­wegs gemeint, dass die­se Dimen­sio­nen über­holt sind. Das wäre dann eine Auf­ga­be für Futuristen.

Der (phy­si­sche) Raum bleibt für das Ban­king auch wei­ter­hin rele­vant. Aller­dings glau­be ich nicht, dass Bank­fi­lia­len, ganz gleich ob digi­tal oder medi­al aus­ge­legt, dem neu­en Raum­ver­ständ­nis noch gerecht wer­den. Hier brau­chen wir neue Ansät­ze. Der clo­sed-shop-Ansatz hat im sta­tio­nä­ren Han­del, mit Aus­nah­me von Nischen, kaum noch Zukunft.

Was die Zeit angeht, so soll­ten wir uns davor hüten, die Digi­ta­li­sie­rung auf die Spit­ze zu trei­ben, d.h. der Ver­su­chung wider­ste­hen, das Ban­king zu ato­mi­sie­ren. In sei­nem viel­be­ach­te­ten Buch Der Zeit­baum. Grund­le­gung einer all­ge­mei­nen Zeit­theo­rie schreibt Fried­rich Cra­mer:

Struk­tur ist gebrems­te Zeit.

Ganz ohne (fes­te) Struk­tu­ren, ohne Kon­ti­nui­tät kommt dem­nach auch das Ban­king nicht aus. Ande­ren­falls wer­den die tech­no­lo­gi­schen Risi­ken zu groß. Der Rück­kopp­lungs­ef­fekt kann hier gro­ßen Scha­den anrichten.

Wie kann die­se Kon­ti­nui­tät in die vir­tu­el­le Welt über­tra­gen wer­den? Wie las­sen sich ana­lo­ges und digi­ta­les Ban­king synchronisieren?

Könn­te die 3D-Tech­no­lo­gie ein Schlüs­sel sein?

Das ist wohl eine der span­nends­ten Fra­gen der Zukunft, nicht nur im Banking.

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