Von Ralf Keuper
Direktbanken gelten derzeit als das Erfolgsmodell im Banking, dem die Filial-bzw. Retailbanken nacheifern sollten. Indes, die Erfolgsgeschichte der Direktbanken in Deutschland ist eine, wie sollte es auch anders sein, mit Höhen und Tiefen.
Bereits im Jahr 1997 zeigte eine Studie des Instituts für Bankinformatik (ibi), dass sich die Kunden zum damaligen Zeitpunkt mit dem Gedanken trugen, ihre Hausbank zu wechseln (Vgl. dazu: Direktbanken vorn). Grund für die schwindende Trennungsangst waren ungünstige Öffnungszeiten und schlechte Konditionen. Höher in der Gunst der Kunden standen die Direktbanken, denen eine rosige Zukunft prophezeit wurde. Ihr Pluspunkte waren die ständige Erreichbarkeit über Computer oder Telefon.
Es begann Mitte der 1990er Jahre
Die ersten modernen Direktbanken in Deutschland wurden gegen Mitte der 1990er Jahre gegründet: DAB, Consors, Comdirect und die Advance Bank. (Vgl. dazu: Die großen Direktbanken und ihre Entwicklung). Zur selben Zeit wurde die DKB von der Bayerischen Landesbank übernommen. Die DKB ist mittlerweile sowohl Direktbank als auch Filialbank. Die Frankfurter Sparkasse gründete im Jahr 1996 die 1822 direkt, die einige Jahre später im Zuge der Übernahme der Frankfurter Sparkasse zur Helaba kam.
Die erste Direktbank Deutschlands war eine Gewerkschaftsbank
Der Startschuss für das filiallose Banking fiel jedoch deutlich früher, in den 1960er Jahren – und das ausgerechnet von einer Gewerkschaft. Die erste Direktbank Deutschland hieß Bank für Spareinlagen und Vermögensbildung (BSV). (Vgl. dazu: Die wechselvolle Geschichte der ING DiBa). Als die BSV in den 1990er Jahren Verluste machte, entschloss sich die BGAG zum Verkauf. Es dauerte jedoch Jahre bis ein Käufer gefunden wurde. Die Bank wurde zunächst in Allgemeine Deutsche Direktbank umbenannt, für Werbezwecke wurde Diba verwendet. Später übernahm die ING die Diba vollständig, nachdem sie zuvor schon eine große Beteiligung an der Bank gehalten hatte.
Mehr Rückschläge als Erfolge
Die Entwicklung der anderen Direktbanken verlief ebenfalls nicht so stürmisch und profitabel wie 1997 noch vorhergesagt wurde. Bis auf die comdirect, die bis heute zur Commerzbank gehört, wurde die anderen mehrfach durchgereicht. Am härtesten traf es wohl die DAB. Als sich die gewünschten Resultate nicht einstellten, beschloss die HypoVereinsbank sich von dem damaligen Chef Matthias Kröner, der später Chef der Fidor Bank war, zu trennen (Vgl. dazu: DAB Bank: Kröner kapituliert). Im Jahr 2016 verschwand die DAB von der Bildfläche (Vgl. dazu: Darum muss die DAB Bank vom Markt verschwinden). Zwei Jahre zuvor war sie von BNP Paribas übernommen worden. Zu dem Zeitpunkt gehörte Consors bereits zu BNP Paribas. Consors geriet zuvor in den Sog des Niedergangs des Mutterhauses SchmidtBank und musste verkauft werden.
Consors wiederum ging zunächst mit DAB gemeinsam auf Kundenfang (Vgl. dazu: Cortal Consors und DAB Bank machen gemeinsame Sache). Sowohl DAB wie auch Consors hatten den Trend zur digitalen Vollbank verschlafen. Zusammen erreichten sie 1,4 Mio. Kunden, was gegenüber den acht Millionen der ING DiBa zu dem Zeitpunkt bescheiden war.
Die Advance Bank verschwand dagegen mehr oder weniger sang- und klanglos (Vgl. dazu: Ärger um die aufgelöste Advance Bank).
ING Diba – der neue Liebling mit einigen Kratzern im Lack
Die ING DiBA oder mittlerweile ING ist der unumstrittene Liebling der schreibenden Zunft wie auch einiger Protagonisten der Fintech-Szene (Vgl. dazu: ING eilt von Rekord zu Rekord …). Für einige überraschend war, als kürzlich bekannt wurde, dass die ING einen hohen Anteil ihres Gewinns dem Geschäft mit Firmenkunden (Wholesale) verdankt (Vgl. dazu: ING Diba: 366 Leutchen sorgen für 41% des Gewinns). Bereits im Februar vergangenen Jahres wies Karsten Seibel in Die „Bank des Volkes“ erliegt dem Reiz des Großkapitals darauf hin, dass die Kleinsparer vor allem dazu beitragen, den Geschäftskunden günstige Kredite anbieten zu können. Zu dem Zeitpunkt stammte ein Drittel des Gewinns der Bank aus Geschäften mit Konzernen wie E.ON. Mittlerweile sind es 41 Prozent. Um den Geschäftskunden einen unverwechselbaren Service bieten zu können, eröffnet die ING Filialen, sog. Regionalbüros (Vgl. dazu Digitalbank wird analog).
Grund dafür dürfte die Erkenntnis sein, dass eine reine Online-Bank früher oder später in die Ertragsfalle läuft, gegen die jede Rationalisierung machtlos ist. Irgendwann kommt es auch hier zu Entlassungen (Vgl. dazu: Santander streicht 100 Stellen in Mönchengladbach). Auch die ING hat in den letzten Jahren tausende von Stellen gestrichen (Vgl. dazu: ING-Diba streicht 110 Jobs in Hannover & Großbank ING will 5800 Stellen in Belgien und den Niederlanden streichen).
Auch dieser Kaiser ist nackt
Festzuhalten bleibt, dass die mit viel Vorschusslorbeeren gestarteten Direktbanken die Erwartungen – trotz einiger beachtlicher Erfolge – nicht erfüllt haben. Die heutigen Direktbanken gehören zu großen Bankkonzernen/Universalbanken. Einige sind verschwunden, wie DAB und Advance Bank. Wenn sie wirklich das ultimative Modell der Bank der Zukunft wären, müssten sie ohne Anbindung an eine große Bank überlebensfähig sein, was mit Blick auf die Vergangenheit zu bezweifeln ist. Gerade das Paradebeispiel ING Diba zeigt, dass das Rationalisierungs- und Kundenpotenzial irgendwann ausgeschöpft sind und andere Geschäftsfelder, wie Firmenkunden, benötigt werden, die dann wiederum von einer überschaubaren Anzahl von Mitarbeitern persönlich betreut werden.
Limited Purpose Banks, so Erkenntnis aus dem Jahr 2005, sind kaum profitabel zu führen (Vgl. dazu: Limited-Purpose Banks: Chancen und Risiken).
Die Internet-Banken konnten zum damaligen Zeitpunkt die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Zwar verfügten sie auf den ersten Blick gegenüber den etablierten (Filial-)Banken über den Vorteil geringerer Alt-Lasten, jedoch konnten sie ihren technologischen Vorsprung nicht in einen ausreichenden Gewinn ummünzen. Zu groß war auch hier bereits der Kostenapparat, bestehend aus IT-Infrastruktur und Personal. Die Erlöse aus Zinseinnahmen waren im Vergleich zu den anderen untersuchten Limited-Purpose-Banken gering, was ja auch so gewollt war, da die Internet-Banken mit hohen (Guthaben-) Zinsen, geringen Kredit-Zinsen und günstigen Konditionen warben. Auch die Einnahmen aus Provisionen, Gebühren und Service-Leistungen konnten hier für keinen Ausgleich sorgen. Erschwerend kamen die hohen Kosten der Internet-Banken für die eigene Finanzierung hinzu. Weiterhin schlugen die im Vergleich zu anderen Banken deutlich höheren Kosten für Werbung und Marketing zu Buche.
Irgendwann ist der Wettbewerbsvorteil hoher Spezialisierung aufgebraucht, der Marktanteil zu gering, die Kosten zu hoch und die Einnahmen aus Zinsen und Provision zu niedrig. Schwache Sparten können nicht von stärkeren getragen werden. Die günstige Refinanzierung über das Mutterhaus ist ein weiterer Punkt. Ohne Unterstützung einer Universalbank, einer Bankengruppe oder eines vitalen digitalen Ökosystems sind Direktbanken ebenso wie reine Online-Banken kaum überlebensfähig.