Von Ralf Keuper
Vor einigen Jahren sorgte Arnold Picot mit seinem Modell des Grenzenlosen Unternehmens für einiges Aufsehen in der ansonsten doch recht gemächlich sich entwickelnden Betriebswirtschaftslehre. Hauptaussage war, dass Unternehmen sich künftig nur noch auf bestimmte Tätigkeiten beschränken werden und alle über diesen Rahmen hinausgehende Leistungen von außerhalb beziehen werden. Statt strenger Hierarchien und formaler Regelungen würden die Grenzen in und außerhalb des Unternehmens fließender.
Heute scheinen sich angesichts von Crowdsourcing und Open Innovation einige Versprechen einzulösen. Die Einbindung von Kunden und Lieferanten in die Produktentwicklung erfreut sich auch im Banking wachsender Beliebtheit, wie die Beispiele Westpac, Hello Bank! und Credit Agricole zeigen.
Die Digitalisierung nährt die Erwartung, dass das Banking künftig grenzüberschreitend, über alle Zeitzonen und kulturelle Grenzen hinweg, betrieben werden kann. Die Folge sind große Bankkonzerne oder digitale Plattformen auf der einen Seite, und kleine Banken auf der anderen, die sich um die verbliebenen Nischen kümmern (dürfen) oder als spezialisierte Zulieferer auftreten. Dazwischen scheint kein Raum mehr zu bleiben.
Wie weit kann eine Bank oder Plattform ihre Grenzen ausdehnen, ohne die eigene Identität zu verlieren und in Beliebigkeit abzurutschen? Wieviel nationale, regionale Verwurzelung ist künftig im Banking noch nötig? Letztlich geht es im Banking wie in kaum einem anderen Geschäft, eine Ausnahme ist das Mediengeschäft, um die Verarbeitung von, mehr oder weniger, universellen Informationen und Symbolen, die sich digitalisieren lassen und auf diese Weise weltweit in gleichbleibender Qualität zur Verfügung gestellt werden können.
Das Banking wird demnach universaler und abstrakter. Sollten sich digitale Währungen durchsetzen, würde sich dieser Trend noch verstärken.
Es wäre mehr als verwunderlich, wenn dies nicht zu einer Gegenbewegung führen würde, mit dem Ziel, das Bankgeschäft personaler und konkreter, stofflicher zu gestalten. Ein Grund dafür, weshalb die Filiale m.E. nicht völlig verschwinden wird. Sie wird ihr Gesicht allerdings deutlich verändern. Bankgeschäfte benötigen auch künftig den persönlichen Kontakt, von Angesicht zu Angesicht. Zumindest hier bleiben kulturelle Unterschiede bestehen, z.B. in Fragen der Innengestaltung, der Technik, des Kommunikationsverhaltens, des Personals, der Öffnungszeiten usw..
Vorstellbar wäre es, dass die Filiale der Zukunft ähnlich wie die Kaufhäuser heutzutage, mehreren Banken ein Zuhause gibt, d.h. der Kunde kommt dorthin, um sich umfassend zu informieren und Angebote miteinander zu vergleichen, oder aber auch nur, um ins Gespräch mit anderen Kunden zu kommen. Betrieben würden diese Filialen von neutralen Firmen, Institutionen.
Denkbar wäre auch ein Modell ähnlich wie das von Lloyds of London.
Ein Betreiber, der sowohl die Bank als digitale Plattform wie auch als physischen Ort anbieten und dabei noch eine durchgängige “Experience” liefern kann, hätte einen großen Vorteil. Quasi der Starbucks des Banking.
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