Von Ralf Keuper
Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie soll das Finanzwesen dezentral(er) werden. Da die Vertragsabwicklung automatisch über das verteilte Netzwerk erfolgt, ist kein zentraler Akteur wie in Gestalt einer Bank oder Börse mehr nötig. Die Transaktionen können nicht verändert werden, selbst wenn sie fehlerhaft sind. Besonders ausgeprägt ist diese Philosophie beim sog. Decentrallized Finance (DeFi). Das DeFi Ökosystem dreht sich dabei um zwei Elemente: (i) neuartige Protokolle für Handel, Kreditvergabe und Investitionen und (ii) Stablecoins, d.h. Kryptoassets, die Geldtransfers erleichtern und einen festen Nennwert gegenüber Fiat-Währungen, vor allem dem US-Dollar, aufrechterhalten sollen. Allerdings, so Sirio Aramonte, Wenqian Huang und Andreas Schrimpf von der Bank of International Settlement (BIS), sei die vollständige Dezentralisierung in DeFi illusorisch[1]DeFi risks and the decentralisation illusion[2]Vgl. dazu: Blockchain deutlich zentralisierter als allgemein angenommen.
Ein zentraler Grundsatz der Wirtschaftsanalyse[3]Transaktionskostentheorie, Institutionenökonomie laute, dass Unternehmen nicht in der Lage sind, Verträge zu entwerfen, die alle möglichen Eventualitäten abdecken, z. B. in Bezug auf die Interaktionen mit Mitarbeitern oder Lieferanten. Die Zentralisierung (Hierarchie) ermöglicht es den Unternehmen mit dieser “Vertragsunvollständigkeit” umzugehen (Coase (1937) und Grossman und Hart (1986))[4]Vgl. dazu Herbert A. Simon: “Die Behauptung, dass bei Unsicherheit Hierarchien für Märkte substituiert werden, schein zunächst paradox, denn Unsicherheit erfordert den höchsten Grad an … Continue reading. In DeFi ist das äquivalente Konzept die “Unvollständigkeit des Algorithmus”, wobei es unmöglich ist, einen Code zu schreiben, der für alle Eventualitäten die richtigen Maßnahmen vorsieht, so die Autoren.
Alle DeFi-Plattformen verfügen über einen zentralen Governance-Rahmen, in dem festgelegt ist, wie die strategischen und operativen Prioritäten, z. B. in Bezug auf neue Geschäftsbereiche, gesetzt werden. Damt enhalten alle DeFi-Plattformen ein Element der Zentralisierung, das sich typischerweise um die Inhaber von “Governance Token” (häufig Plattformentwickler) bildet, die über Vorschläge abstimmen. Dieses Element der Zentralisierung kann als Grundlage für die Anerkennung von DeFi-Plattformen als juristische Personen ähnlich wie Aktiengesellschaften dienen. Darüber hinaus begünstigen bestimmte Merkmale von DeFi-Blockchains die Konzentration von Entscheidungsgewalt in den Händen großer Münzbesitzer. Transaktionsvalidierer müssen
eine ausreichende Entschädigung erhalten, um einen Anreiz zur Teilnahme zu haben.
Auf Proof-of-Stake basierende Blockchains, von denen erwartet wird, dass sie die Skalierbarkeit verbessern, ermöglichen es den Validierern, mehr ihrer Münzen einzusetzen, so dass sie eine höhere …
References
↑1 | DeFi risks and the decentralisation illusion |
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↑2 | Vgl. dazu: Blockchain deutlich zentralisierter als allgemein angenommen |
↑3 | Transaktionskostentheorie, Institutionenökonomie |
↑4 | Vgl. dazu Herbert A. Simon: “Die Behauptung, dass bei Unsicherheit Hierarchien für Märkte substituiert werden, schein zunächst paradox, denn Unsicherheit erfordert den höchsten Grad an Flexibilität, und Flexibilität scheint eher mit den dezentralisierten Entscheidungsprozessen der Märkte als mit den zentralisierten der Hierarchien erreichbar. Dies ist jedoch eine oberflächliche Analyse. alles hängt von den Ursachen der Unsicherheit ab. Stammt sie aus einer Vielzahl von Fakten über die Bedingungen auf einzelnen Märkten, dann wird die dezentralisierte Preisbildung attraktiv erscheinen; ist die Unsicherheit aber global, erstreckt sie sich über bedeutende Ereignisse, die viele Teile der Organisation in gleicher Richtung beeinflussen, dann kann die Zentralisierung der Prognosen zur Gewinnung von Richtlinien für die Entscheidungen der dezentralisierten Einheiten vorteilhaft sein”, in: Die Wissenschaft vom Künstlichen |