Von Ralf Keuper

Wenn meh­re­re Leit­bran­chen einer Volks­wirt­schaft gleich­zei­tig ins Wan­ken gera­ten, dann kann das nicht ohne gra­vie­ren­de Fol­gen für die Ban­ken des Lan­des sein. Der Ver­lust von womög­lich meh­re­ren hun­dert­tau­send Arbeits­plät­zen[1]durch­aus vor­stell­bar, dass in den nächs­ten Jah­ren die Mil­lio­nen­gren­ze über­schrit­ten wird, das (bevor­ste­hen­de) Aus­schei­den eins­ti­ger Leucht­tür­me der deut­schen Wirt­schaft aus dem Markt, das Weg­bre­chen von Aus­lands­märk­ten und Absatz­chan­cen, die ver­än­der­te Welt­ord­nung, Pro­tek­tio­nis­mus und vie­les mehr – das alles wird das Geschäfts­mo­dell Deutsch­lands, den Wirt­schafts­stil die­ses Lan­des und damit auch den Bank­stil schwer erschüt­tern. Anders als in der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit haben wir es hier nicht mit einem vor­über­ge­hen­den Pro­blem, einer typi­schen Absatz­flau­te oder einer Finanz­kri­se, son­dern mit einem grund­le­gen­den Struk­tur­wan­del zu tun, ähn­lich dem, den das Ruhr­ge­biet durch­lau­fen muss­te und eigent­lich noch immer muss[2]wir wol­len hof­fen, dass es nicht so lan­ge dau­ert und aus den Erfah­run­gen die rich­ti­gen Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den.

Dies ist nicht der Ort[3]hin­zu kommt, dass der Ver­fas­ser sich nicht beru­fen fühlt, hier exak­te Ursa­chen­ana­ly­se durch­zu­füh­ren – es wür­de sei­ne Mög­lich­kei­ten über­stei­gen, was nicht heißt, dass er zu eini­gen Punk­ten eine … Con­ti­nue rea­ding, um jetzt die Fra­ge zu erör­tern, wel­chen Anteil Poli­tik, Büro­kra­tie, der Ukrai­ne-Krieg, die Ener­gie­prei­se und die Unter­neh­men bzw. die Wirt­schaft an der Mise­re haben – an dem aktu­el­len Zustand, an dem Befund ändert das zuerst ein­mal wenig.

Wir gehen die Sache so unvor­ein­ge­nom­men wie mög­lich an.

Risi­ko von Kre­dit­aus­fäl­len steigt weiter 

Die Ban­ken reagie­ren seit eini­ger Zeit auf die sich ver­schlech­tern­de wirt­schaft­li­che Lage, indem sie die Stan­dards bei der Ver­ga­be von Kre­di­ten ver­schär­fen, um dadurch das Risi­ko von Kre­dit­aus­fäl­len zu mini­mie­ren. Das wie­der­um geht zu Las­ten der Erträ­ge der Ban­ken – führt jedoch auch dazu, dass vie­le Unter­neh­men in exis­ten­zi­el­le Nöte gera­ten oder Inves­ti­tio­nen auf­schie­ben oder kom­plett strei­chen müs­sen[4]Ban­ken zwi­schen Kre­dit­aus­fall­ri­si­ko und sin­ken­den Erträ­ge[5]Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer Hel­la kappt Bau­pro­jekt wegen hoher Risi­ko­auf­schlä­ge. Kaum ver­wun­der­lich daher, dass die Zahl der Unter­neh­mens­in­sol­ven­zen zuletzt deut­lich gestie­gen ist[6]Anstieg von Insol­ven­zen und Kre­dit­aus­fäl­len in Deutsch­land – Chan­cen und Risi­ken bei NPL-Trans­ak­tio­nen.

Dem Bank Len­ding Sur­vey (BLS) des Euro­sys­tems zufol­ge haben die Insti­tu­te in Deutsch­land ihre Kre­dit­ver­ga­be­stan­dards seit Anfang 2022 gestrafft und erhöh­te Risi­ko­auf­schlä­ge bei bestimm­ten Kre­di­ten durch­ge­setzt. Die Kapi­tal­märk­te for­dern aller­dings höhe­re Risi­ko­auf­schlä­ge als Ban­ken. Zudem fra­gen die Unter­neh­men seit Anfang 2023 weni­ger Kre­di­te nach. Die Insti­tu­te rech­nen damit, dass sich die­ser Trend fort­setzt. … Ins­ge­samt beweg­ten sich die NPL-Quo­ten in Deutsch­land – im Ver­gleich zu den euro­päi­schen Ban­ken im Ein­heit­li­chen Auf­sichts­me­cha­nis­mus (Sin­gle Super­vi­so­ry Mecha­nism – SSM) noch auf einem nied­ri­gen Niveau. Seit Sep­tem­ber 2022 waren die NPL-Quo­ten ins­ge­samt jedoch suk­zes­si­ve gestie­gen, um 13 Basis­punk­te bzw. zehn Pro­zent. Die BaFin geht davon aus, dass sich die­ser Trend fort­set­zen wird.

Gestie­gen ist auch die NPL-Quo­te bei den Gewer­be­im­mo­bi­li­en­kre­di­ten[7]Risi­ken im Fokus der BaFin

Chi­na macht Ernst 

Chi­na hat in vie­len Berei­chen die Tech­no­lo­gie­füh­rer­schaft über­nom­men. Die Zei­ten als Chi­na die Werk­bank der Welt für güns­ti­ge Mas­sen­wa­re war, sind vor­über. Statt­des­sen kon­zen­trie­ren sich die Akti­vi­tä­ten der chi­ne­si­schen Wirt­schaft und der Regie­rung auf höher­wer­ti­ge Pro­duk­te und Ser­vices[8]https://x.com/haugejostein/status/1853466407809499536. Deut­sche Unter­neh­men haben es zuneh­mend schwer, Preis­auf­schlä­ge für ihre Pre­mi­um­pro­duk­te durch­zu­set­zen. Das bekom­men vor allem die deut­schen Auto­mo­bil­her­stel­ler zu spü­ren. Noch vor zwan­zig Jah­ren stan­den deut­sche Autos bei den chi­ne­si­schen Käu­fern wegen ihres gutes Rufes hoch im Kurs. Mitt­ler­wei­le jedoch gel­ten sie bei der jun­gen Gene­ra­ti­on als alt­ba­cken und über­teu­ert[9]Frei­er Fall: Das droht deut­schen Auto­bau­ern – und so ver­än­dert sich die Welt­ord­nung /​/​ Frank Sie­ren.

Erst kürz­lich wur­de gemel­det, dass der chi­ne­si­sche Auto­bau­er BYD in den Mona­ten von August bis Okto­ber sei­ne Mit­ar­bei­ter­zahl um 200.000 gestei­gert hat[10]200.000 Mit­ar­bei­ter mehr: BYD baut Beleg­schaft rasant aus. Wäh­rend­des­sen bau­en die Auto­her­stel­ler und Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer hier­zu­lan­de tau­sen­de Stel­len ab.

Selbst der Bau hoch anspruchs­vol­ler Pro­duk­te, wie Tun­nel­bohr­ma­schi­nen, berei­tet den chi­ne­si­schen Her­stel­lern kei­ne Pro­ble­me[11]Sie­ben von zehn welt­weit ein­ge­setz­ten Tun­nel­bohr­ma­schi­nen stam­men aus Chi­na. Aktu­el­len Schät­zun­gen zufol­ge, wird Chi­na sei­nen welt­wei­ten Markt­an­teil im Maschi­nen­bau bis 2030 auf 50 Pro­zent erhö­hen[12]https://x.com/haugejostein/status/1853731496126779461.

Die Flucht in das Pre­mi­um-Seg­ment endet für deut­sche Her­stel­ler immer häu­fi­ger in einer Sackgasse.

Ver­lust an Wert­schöp­fung ohne aus­rei­chen­de Kom­pen­sa­ti­on an ande­rer Stelle

Der Ver­lust einer hohen Anzahl von zumeist gut bezahl­ten Arbeits­plät­zen in der Indus­trie und bei den pro­duk­ti­ons­na­hen Dienst­leis­tun­gen führt zu einem signi­fi­kan­ten Rück­gang der Wert­schöp­fung in Deutsch­land, ohne dass auf der ande­ren Sei­te neue Bran­chen und Unter­neh­men die­se Lücke fül­len kön­nen. Sin­ken­de Ein­kom­men haben sin­ken­de Kon­sum­aus­ga­ben zufol­ge, Kre­di­te kön­nen nicht mehr bedient wer­den oder wer­den erst gar nicht nach­ge­fragt. Die Bau­bran­che ver­harrt auf einem nied­ri­gen Niveau, Bau­fi­nan­zie­run­gen im Pri­vat­sek­tor, eine der wich­tigs­ten Ertrags­quel­len der Ban­ken, ver­wei­len auf dem jet­zi­gen Stand – jeden­falls ist die Wahr­schein­lich­keit gering, dass sie auf abseh­ba­re Zeit signi­fi­kant stei­gen wer­den[13]wenn, dann nur mit­hil­fe staat­li­cher Inves­ti­ti­ons­pro­gram­me.

Gegen­maß­nah­men der Poli­tik kön­nen nur eine dämp­fen­de Wir­kung haben

Alle Maß­nah­men der Poli­tik, an die­sem Zustand etwas zu ändern, wer­den nur dämp­fend wir­ken. An dem eigent­li­chen Dilem­ma, das sich weit­ge­hend außer­halb der Ein­fluss­mög­lich­kei­ten einer deut­schen Regie­rung befin­det, ver­mag sie kurz­fris­tig nur wenig bis gar nichts zu ändern – auch nicht im Kon­zert mit der EU. Es wird ein lan­ger, stei­ni­ger Weg.

Die Ban­ken wer­den ihre Geschäfts­mo­del­le an die­se neu­en Rea­li­tä­ten anpas­sen müssen.

Inves­ti­tio­nen in eine funk­ti­ons­fä­hi­ge Infra­struk­tur und zukunfts­träch­ti­ge Wirtschaftszweige 

Um den vor uns lie­gen Struk­tur­wan­del zu meis­tern, sind Inves­ti­tio­nen in eine funk­ti­ons­fä­hi­ge phy­si­sche und digi­ta­le Infra­struk­tur und in die For­schung, Ent­wick­lung und Anwen­dung (!) neu­er Tech­no­lo­gien und erfolgs­ver­spre­chen­der Geschäfts­mo­del­le unab­ding­bar. Ande­ren­falls fin­den Fort­schritt und Wohl­stand ohne uns statt[14]viel­leicht lieb­äu­gelt der eine oder ande­re mit den Vor­stel­lun­gen der Wirt­schafts­jour­na­lis­tin Ulri­ke Herr­mann, die einen Stand wie Anno 1978 und Ratio­nie­run­gen für erstre­bens­wert hält. Ohne eine Inves­ti­ti­ons­of­fen­si­ve, bei der die Ban­ken natur­ge­mäß eine füh­ren­de Rol­le über­neh­men, wird es nicht gehen. Das geht weit(!) über Fra­gen einer nach­hal­ti­gen, grü­nen Trans­for­ma­ti­on hinaus.

 

Refe­ren­ces

Refe­ren­ces
1 durch­aus vor­stell­bar, dass in den nächs­ten Jah­ren die Mil­lio­nen­gren­ze über­schrit­ten wird
2 wir wol­len hof­fen, dass es nicht so lan­ge dau­ert und aus den Erfah­run­gen die rich­ti­gen Kon­se­quen­zen gezo­gen werden
3 hin­zu kommt, dass der Ver­fas­ser sich nicht beru­fen fühlt, hier exak­te Ursa­chen­ana­ly­se durch­zu­füh­ren – es wür­de sei­ne Mög­lich­kei­ten über­stei­gen, was nicht heißt, dass er zu eini­gen Punk­ten eine Mei­nung hat. Aber die hat in die­sem Zusam­men­hang kei­ne Relevanz
4 Ban­ken zwi­schen Kre­dit­aus­fall­ri­si­ko und sin­ken­den Erträge
5 Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer Hel­la kappt Bau­pro­jekt wegen hoher Risikoaufschläge
6 Anstieg von Insol­ven­zen und Kre­dit­aus­fäl­len in Deutsch­land – Chan­cen und Risi­ken bei NPL-Transaktionen
7 Risi­ken im Fokus der BaFin
8 https://x.com/haugejostein/status/1853466407809499536
9 Frei­er Fall: Das droht deut­schen Auto­bau­ern – und so ver­än­dert sich die Welt­ord­nung /​/​ Frank Sieren
10 200.000 Mit­ar­bei­ter mehr: BYD baut Beleg­schaft rasant aus
11 Sie­ben von zehn welt­weit ein­ge­setz­ten Tun­nel­bohr­ma­schi­nen stam­men aus China
12 https://x.com/haugejostein/status/1853731496126779461
13 wenn, dann nur mit­hil­fe staat­li­cher Investitionsprogramme
14 viel­leicht lieb­äu­gelt der eine oder ande­re mit den Vor­stel­lun­gen der Wirt­schafts­jour­na­lis­tin Ulri­ke Herr­mann, die einen Stand wie Anno 1978 und Ratio­nie­run­gen für erstre­bens­wert hält