Von Ralf Keuper

Die hohe Kunst der PR beherr­schen nur weni­ge. Das gilt um so mehr für Mel­dun­gen, die sich spä­ter als bewuss­te Fäl­schung erwei­sen. In jedem Fall geht es dar­um, eine mög­lichst hohe Auf­merk­sam­keit zu erzie­len. Als Vater der PR gilt Edward Ber­nays, ein Nef­fe Sig­mund Freuds.

Sei­ne beson­de­re Masche:

Er schuf ein Ereig­nis, das Ereig­nis schuf eine Nach­richt und die­se Nach­richt schuf eine Nach­fra­ge für das, was er ver­kau­fen woll­te (in: PR-Erfin­der Ber­nays. Der Über­zeu­gungs­tä­ter).

Das Ereig­nis, um das es im vor­lie­gen­den Fall geht, ist die vor­ge­täusch­te Flucht des Save­droid-Grün­ders Yas­sin Han­kir und die fik­ti­ve Schlie­ßung sei­nes Unter­neh­mens (Vgl. dazu: Fin­tech-Ver­tre­ter zei­gen sich ent­setzt von PR-Akti­on des Start-ups Save­droid). Alle Ver­su­che, in Kon­takt mit dem Grün­dern und den Mit­ar­bei­tern von Save­droid zu tre­ten, schlu­gen fehl. Nie­mand war erreich- bzw. auf­find­bar. Das schuf den Ver­dacht, der Grün­der und sei­ne Mit­ar­bei­ter hät­ten sich mit ca. 50 Mil­lio­nen Euro, die sie in den letz­ten Mona­ten mit einem sog. Initi­al Coin Offe­ring ein­ge­nom­men hat­ten, abge­setzt – oder das Unter­neh­men sei gehackt wor­den. Erst nach 24 Stun­den lös­te Hakin das Rät­sel auf, als er sich mit einer Video-Bot­schaft an die Öffent­lich­keit und sei­ne Kun­den wandte.

Dar­in erklär­te er, die Täu­schung sei nötig gewe­sen, um die Öffent­lich­keit bzw. die ICO-Com­mu­ni­ty auf die Gefah­ren der Bran­che auf­merk­sam zu machen. Es sei­en zu vie­le Akteu­re unter­wegs, die einen ICO nur des Gel­des wegen, von Gier gelei­tet, durch­füh­ren wür­den. Sei­ne Akti­on ver­fol­ge – wenn­gleich mit dras­ti­schen Mit­teln – das Ziel, auf die­se gefähr­li­che Situa­ti­on hin­zu­wei­sen und die Bran­che von den schwar­zen Scha­fen zu befrei­en. Um hier Abhil­fe zu schaf­fen, gedenkt Sav­de­droid Unter­neh­men, die einen ICO pla­nen, zu beraten.

Noch ein­mal:

Er schuf ein Ereig­nis, das Ereig­nis schuf eine Nach­richt und die­se Nach­richt schuf eine Nach­fra­ge für das, was er ver­kau­fen wollte.

Die Fin­tech-Com­mu­ni­ty war geschockt. Pay­men­dan­dban­king erkann­te Save­droid den Preis für das Fin­tech des Jah­res nach­träg­lich ab (Vgl. dazu: Jen­seits des guten Geschmacks – Save­droid gib uns den Preis zurück). Save­droid habe mit sei­ner Akti­on der Fin­tech-Sze­ne, die hier­zu­lan­de lan­ge um Aner­ken­nung rin­gen muss­te, schwe­ren Scha­den zuge­fügt. Im Ban­king, wie über­haupt in Finanz­ge­schäf­ten, genie­ße das Ver­trau­en in die Insti­tu­tio­nen und han­deln­den Per­so­nen einen beson­de­ren Stel­len­wert. Damit spie­le man nicht. In einem offe­nen Brief gehen eini­ge nam­haf­te Start­ups und Grün­der­per­sön­lich­kei­ten der deut­schen Fin­tech-Sze­ne auf Distanz zu Savedroid.

Hakin selbst sagt in einem Inter­view mit Grün­der­sze­ne, dass er die Akti­on nicht bereue. In zwei bis drei Wochen, wenn der Rauch sich ver­zo­gen habe, wer­de man ein­se­hen, dass der Schock nötig war, um die Bran­che vor­an zu bringen:

Wenn ich nach vor­ne schaue, habe ich ganz gro­ße Sor­gen­fal­ten auf der Stirn. Wenn wir die­se Men­ta­li­tät wei­ter­le­ben, wird sich der Markt selbst zer­stö­ren. Wir müs­sen rea­li­sie­ren, dass wir uns ange­sichts der gan­zen Betrü­ge­rei­en auf einen Abgrund zube­we­gen. Des­we­gen hal­te ich das Argu­ment für absurd. Ich wür­de anders­her­um argu­men­tie­ren: Die öffent­li­che Dis­kus­si­on wird nicht inten­siv genug geführt – und das fügt dem Markt Scha­den zu. Ich wün­sche mir, dass die Kryp­to­sze­ne da selbst­kri­ti­scher wird.

Nun – die Dis­kus­si­on ist im Gan­ge – das hat er erreicht. Ob sie aller­dings in die von ihm beab­sich­tig­te Rich­tung läuft und zu den gewünsch­ten Ergeb­nis­sen führt, darf zumin­dest bezwei­felt werden.

Wie auch immer.

Wäre es dem Grün­der­team über­haupt mög­lich gewe­sen, die 50 Mio. Euro zu ent­wen­den und sich damit aus dem Staub zu machen? Die­ser nicht ganz unwich­ti­gen Fra­ge geht Grün­der­sze­ne in Fak­ten­check: Hät­te der Save­droid-Grün­der Mil­lio­nen ent­wen­den kön­nen? nach. In der gege­be­nen Kon­stel­la­ti­on wäre das – so der Tenor des Bei­trags – unmög­lich gewe­sen. Die Coins lagern bei der Bank Frick sowie dem Bon­ner Anwalt Axel Hel­lin­ger. Letz­te­rer wird mit den Wor­ten zitiert:

„Das allei­ni­ge Zugriffs­recht für die Wal­lets liegt bei mir“, so Hel­lin­ger gegen­über Grün­der­sze­ne. CEO Han­kir habe zu kei­nem Zeit­punkt die Mög­lich­keit gehabt, Bit­co­ins oder Ether auf pri­va­te Wal­lets zu trans­fe­rie­ren. .. Außer­dem habe jeder über die öffent­li­chen Block­chains ein­se­hen kön­nen, dass von den Save­droid-Wal­lets kei­ne Beträ­ge abge­bucht wor­den sei­en, so Hel­lin­ger. Trotz­dem hal­te er die Akti­on für „nicht geschickt

Der Bei­trag hält fest:

Es stimmt, dass ICOs durch die schwer nach­ver­folg­ba­re Über­tra­gung von Kryp­to­wäh­run­gen Betrug der­zeit zu leicht machen. Das ist ein gro­ßes Pro­blem, dass die Kryp­to­sze­ne und Regu­la­to­ren schnell lösen müssen.

Nur:

 .. gera­de im Fall von Save­droid gab es Sicher­heits­me­cha­nis­men, die einen Betrug und eine Flucht ins Aus­land ver­hin­dert hät­ten. Dass nun gera­de Klein­in­ves­to­ren die­ses ICOs befürch­ten muss­ten, Opfer eines Betrugs zu gewor­den zu sein, ist bitter.

So gese­hen gibt es in der gan­zen Ange­le­gen­heit zum jet­zi­gen Zeit­punkt nur Ver­lie­rer. Save­droid, das gro­ße Pro­ble­me haben wird, das Ver­trau­en zurück­ge­win­nen, und die Fin­tech-Sze­ne, die sich fra­gen las­sen muss, ob sie Pro­ble­me aus­blen­det bzw. nicht mit der nöti­gen Kon­se­quenz angeht; eini­ge Prot­ago­nis­ten der Sze­ne haben Anlass, ihre Rol­le selbst­kri­tisch zu über­den­ken. Sym­bo­li­sche Aktio­nen und Empö­rung wer­den kaum ausreichen.

Das alles ist jedoch kein Anlass, das Kind mit dem Bade aus­zu­schüt­ten. Es zeigt sich, dass auch die Fin­tech-Bran­che nicht vor Erschüt­te­run­gen und mensch­li­che Schwä­chen gefeit ist – wie soll­te es auch anders sein?