Getting your Trinity Audio player ready...

Der Ber­li­ner Neo­bro­ker Trade Repu­blic hat mit sei­ner Ein-Euro-Gebühr und kos­ten­lo­sen Spar­plä­nen den deut­schen Wert­pa­pier­markt revo­lu­tio­niert. Doch hin­ter dem Erfolg mit acht Mil­lio­nen Kun­den ver­ber­gen sich struk­tu­rel­le Pro­ble­me, die die Zukunfts­fä­hig­keit des Geschäfts­mo­dells in Fra­ge stellen.


Die Erfolgs­ge­schich­te eines deut­schen Fintech-Unicorns

Was 2015 als Start-up namens Neon Tra­ding im Inku­ba­tor der Com­di­rect Bank begann, ent­wi­ckel­te sich bin­nen weni­ger Jah­re zum ein­fluss­reichs­ten Neo­bro­ker Euro­pas. Die drei Grün­der Chris­ti­an Hecker, Tho­mas Pisch­ke und Mar­co Can­cel­lie­ri erkann­ten früh­zei­tig das Poten­zi­al einer rein digi­ta­len, kos­ten­güns­ti­gen Han­dels­platt­form. Mit dem Ber­li­ner Haupt­sitz posi­tio­nier­te sich Trade Repu­blic bewusst als deut­sches Gegen­ge­wicht zu ame­ri­ka­ni­schen Fintech-Giganten.

Der Durch­bruch gelang 2018 mit der Wert­pa­pier­han­dels­bank-Lizenz, die den regu­lä­ren Geschäfts­be­trieb ermög­lich­te. Die 2023 erhal­te­ne Voll­bank­li­zenz mar­kier­te einen wei­te­ren Mei­len­stein, der Trade Repu­blic vom rei­nen Bro­ker zu einem voll­wer­ti­gen Finanz­dienst­leis­ter trans­for­mier­te. Mit über 100 Mil­li­ar­den Euro ver­wal­te­tem Ver­mö­gen und etwa 5,3 Mil­lio­nen deut­schen Kun­den hat das Unter­neh­men eine beein­dru­cken­de Markt­po­si­ti­on erreicht.

Das Ver­spre­chen: Demo­kra­ti­sie­rung des Wertpapierhandels

Trade Repu­blics Erfolgs­re­zept basiert auf radi­ka­ler Ver­ein­fa­chung und Kos­ten­trans­pa­renz. Wäh­rend tra­di­tio­nel­le Ban­ken mit kom­ple­xen Gebüh­ren­struk­tu­ren und hohen Min­dest­an­la­ge­be­trä­gen vie­le poten­zi­el­le Anle­ger abschreck­ten, redu­zier­te Trade Repu­blic die Hür­den auf ein Mini­mum. Eine Fremd­kos­ten­pau­scha­le von einem Euro pro Han­del, kos­ten­lo­se Depot­füh­rung und kei­ne Min­dest­an­la­ge­be­trä­ge mach­ten Akti­en- und ETF-Invest­ments auch für jun­ge Men­schen mit klei­nen Bud­gets attraktiv.

Das Pro­dukt­port­fo­lio ist beein­dru­ckend: Über 8.500 Akti­en, 2.500 ETFs, 500 Anlei­hen, 300.000 Deri­va­te und über 50 Kryp­to­wäh­run­gen ste­hen zur Ver­fü­gung. Der Bruch­stück­han­del ermög­licht es, auch teu­re Akti­en wie Berkshire Hat­ha­way oder Ama­zon mit klei­nen Beträ­gen zu erwer­ben. Die kos­ten­lo­se Visa-Debit­kar­te mit Cash­back-Funk­ti­on und die attrak­ti­ve Ver­zin­sung von aktu­ell zwei Pro­zent auf nicht inves­tier­tes Gut­ha­ben run­den das Ange­bot ab.

Die Ziel­grup­pe: Digi­tal Nati­ves als Altersvorsorger

Trade Repu­blic traf den Nerv einer gan­zen Gene­ra­ti­on. Die Mehr­heit der Nut­zer ist unter 35 Jah­re alt, fast die Hälf­te sind Bör­sen­ein­stei­ger. Beson­ders bemer­kens­wert: Etwa 70 Pro­zent nut­zen die Platt­form für die lang­fris­ti­ge Alters­vor­sor­ge – ein Indiz dafür, dass die jun­ge Gene­ra­ti­on das Ver­trau­en in staat­li­che Ren­ten­sys­te­me ver­lo­ren hat und eigen­ver­ant­wort­lich vorsorgt.

Das „Tap Tap Trade”-Prinzip der App macht Inves­tie­ren so ein­fach wie Online-Shop­ping. Die­se Gami­fi­ka­ti­on des Wert­pa­pier­han­dels hat zwar zu höhe­ren Han­dels­vo­lu­men geführt, steht aber auch im Zen­trum der Kri­tik an einer mög­li­chen Tri­via­li­sie­rung kom­ple­xer Finanzentscheidungen.

Die Schat­ten­sei­ten des Erfolgs

Trotz beein­dru­cken­der Wachs­tums­zah­len häu­fen sich kri­ti­sche Stim­men von Ver­brau­cher­schüt­zern, Medi­en und Nut­zern. Der größ­te Schwach­punkt ist der Kun­den­ser­vice. Trade Repu­blic ver­zich­tet kom­plett auf tele­fo­ni­schen Sup­port, was bei tech­ni­schen Pro­ble­men oder kom­ple­xen Anlie­gen zu erheb­li­cher Frus­tra­ti­on führt. Auto­ma­ti­sier­te Ant­wor­ten per App oder E‑Mail wer­den der Kom­ple­xi­tät vie­ler Kun­den­an­fra­gen nicht gerecht.

Tech­ni­sche Pro­ble­me wie nicht lösch­ba­re Orders, Zugangs­schwie­rig­kei­ten oder ver­zö­ger­te Aus­zah­lun­gen unter­gra­ben das Ver­trau­en in die Platt­form. Beson­ders pro­ble­ma­tisch sind unge­klär­te Kon­to­kün­di­gun­gen und Schwie­rig­kei­ten beim Account-Manage­ment bei Adress- oder Telefonnummernwechseln.

Trans­pa­renz­män­gel und regu­la­to­ri­sche Herausforderungen

Ver­brau­cher­schüt­zer kri­ti­sie­ren die man­geln­de Trans­pa­renz bei zen­tra­len Aspek­ten des Geschäfts­mo­dells. Die bewor­be­nen hohen Zin­sen auf Gut­ha­ben sind an den EZB-Leit­zins gekop­pelt und somit nicht garan­tiert. Noch pro­ble­ma­ti­scher ist die teil­wei­se Inves­ti­ti­on der Kun­den­gel­der in Geld­markt­fonds statt in ein­la­gen­si­che­rungs­ge­schütz­te Bank­ein­la­gen. Trade Repu­blic kann die Auf­tei­lung der Kun­den­mit­tel jeder­zeit ohne vor­he­ri­ge Ankün­di­gung ändern – ein Risi­ko, das bei Markt­tur­bu­len­zen rele­vant wer­den könnte.

In Öster­reich berich­ten Nut­zer von mas­si­ven Pro­ble­men bei der steu­er­li­chen Abfüh­rung (KEST), was zu recht­li­chen Unsi­cher­hei­ten führt. Bonus­ak­tio­nen wer­den nicht ein­ge­hal­ten, Anwei­sun­gen bei Kapi­tal­maß­nah­men kom­men angeb­lich nicht an – alles Indi­zi­en für struk­tu­rel­le Defi­zi­te in der Kun­den­be­treu­ung und ‑kom­mu­ni­ka­ti­on.

Das gefähr­de­te Geschäftsmodell

Trade Repu­blics aktu­el­les Geschäfts­mo­dell steht vor fun­da­men­ta­len Her­aus­for­de­run­gen. Ein wesent­li­cher Umsatz­be­stand­teil stammt aus „Pay­ment for Order Flow” – Rück­ver­gü­tun­gen von Han­dels­part­nern für die Wei­ter­lei­tung von Kun­den­auf­trä­gen. Die­se Pra­xis wird in der EU ab 2026 ver­bo­ten, was Trade Repu­blic zu einer grund­le­gen­den Neu­aus­rich­tung zwingt.

Die extrem nied­ri­gen Gebüh­ren, die Trade Repu­blic zum Markt­füh­rer mach­ten, sind lang­fris­tig nur durch alter­na­ti­ve Ein­nah­me­quel­len finan­zier­bar. Der Über­gang zu einem voll­wer­ti­gen Bank­an­ge­bot mit Giro­kon­to und erwei­ter­ten Finanz­dienst­leis­tun­gen ist ein Ver­such, neue Ertrags­quel­len zu erschlie­ßen. Ob dies gelingt, ohne die Kos­ten­vor­tei­le zu ver­lie­ren, die Trade Repu­blics Allein­stel­lungs­merk­mal dar­stel­len, bleibt abzuwarten.

Fazit: Wen­de­punkt für einen Pionier

Trade Repu­blic hat zwei­fel­los den deut­schen und euro­päi­schen Wert­pa­pier­markt demo­kra­ti­siert und einer gan­zen Gene­ra­ti­on den Zugang zu Kapi­tal­an­la­gen ermög­licht. Das Unter­neh­men bewies, dass inno­va­ti­ve Fin­tech-Lösun­gen eta­blier­te Bran­chen fun­da­men­tal ver­än­dern können.

Doch der bis­he­ri­ge Erfolg garan­tiert kei­ne Zukunfts­fä­hig­keit. Die Kom­bi­na­ti­on aus regu­la­to­ri­schen Ände­run­gen, struk­tu­rel­len Ser­vice­pro­ble­men und der Not­wen­dig­keit, pro­fi­ta­ble Geschäfts­mo­del­le jen­seits der aktu­el­len Nied­rig­preis­stra­te­gie zu ent­wi­ckeln, stellt Trade Repu­blic vor ent­schei­den­de Herausforderungen.

Der Neo­bro­ker steht an einem Wen­de­punkt: Ent­we­der gelingt die Trans­for­ma­ti­on zu einem voll­wer­ti­gen, nach­hal­ti­gen Finanz­dienst­leis­ter mit ver­bes­ser­tem Ser­vice und trans­pa­ren­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on – oder das Unter­neh­men wird zum Opfer sei­ner eige­nen, auf kurz­fris­ti­ge Wachs­tums­ma­xi­mie­rung aus­ge­rich­te­ten Stra­te­gie. Die nächs­ten Jah­re wer­den zei­gen, ob Trade Repu­blic den Spa­gat zwi­schen dis­rup­ti­ver Inno­va­ti­on und soli­der Finanz­dienst­leis­tung meis­tern kann.

Die Umwand­lung in eine Voll­bank führt zu Kos­ten­struk­tu­ren, die erst ein­mal finan­ziert wer­den müs­sen. Davon kön­nen eta­blier­te Ban­ken ein Lied sin­gen. So ein­fach ist das nicht.


Quel­len:

Erfah­run­gen mit Trade Repu­blic (1899)

Ver­brau­cher­schüt­zer ver­kla­gen Trade Repu­blic: Wie sicher ist mein Geld?

Pro­vi­si­ons­ver­bot rückt näher – und Trade Repu­blic steht unter Strom

Trade Repu­blic in der Bredouille

Kun­den mal wie­der sau­er auf Trade Republic