Ange­sichts der Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels muss die sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on der Gesell­schaft und ihrer Infra­struk­tu­ren vor­an­ge­trie­ben wer­den. Mit ihrem Sus­tainable-Finan­ce-Pro­zess ver­folgt die EU des­halb die Absicht, durch eine Bün­de­lung von pri­va­tem Kapi­tal den Umbau der Wirt­schaft zu beschleu­ni­gen und zugleich Wirt­schafts­wachs­tum zu sichern. Dazu sol­len neue Berichts- und Nach­weis­pflich­ten Trans­pa­renz über mög­li­che Umwelt- und Kli­ma­fol­ge­schä­den sowie sozia­le Risi­ken für die Finanz­märk­te schaf­fen. So müs­sen pri­va­te Markt­ak­teu­re, die die EU mit ihrer Sus­tainable-Finan­ce-Taxo­no­mie der­zeit aus­schließ­lich adres­siert, zu aus­ge­wähl­ten wirt­schaft­li­chen Akti­vi­tä­ten einen Nach­weis über den Grad der Nach­hal­tig­keit ihrer Inves­ti­tio­nen erbrin­gen. Auch für nach­hal­ti­ge Finanz­markt­pro­duk­te gel­ten ent­spre­chen­de Stan­dards. Mit Blick auf die not­wen­di­gen, hohen Inves­ti­tio­nen für Kli­ma­schutz und Kli­ma­an­pas­sung ist zu erwar­ten, dass mit­tel­fris­tig auch Kom­mu­nen und ihre Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men berichts­pflich­tig wer­den. Schon heu­te neh­men Kre­dit­ge­ber, die als Finanz­markt­ak­teu­re unter die Taxo­no­mie fal­len, ers­te Nach­hal­tig­keits­ab­fra­gen bei kre­dit­neh­men­den Kom­mu­nen vor.

Aus die­sem Grund hat das Deut­sche Insti­tut für Urba­nis­tik (Difu) die Impli­ka­tio­nen und Ziel­kon­flik­te des Sus­tainable-Finan­ce-Pro­zes­ses ana­ly­siert und die Fol­gen für die Kom­mu­nen sys­te­ma­tisch „durch­de­kli­niert“. Das Difu-For­schungs­team hat dar­aus Emp­feh­lun­gen für Bund, Län­der und Kom­mu­nen abge­lei­tet und als Poli­cy-Paper ver­öf­fent­licht. Die Difu-Emp­feh­lun­gen sol­len Impul­se für den wei­te­ren Recht­set­zungs­pro­zess der EU geben und die Imple­men­tie­rung in der Bun­des­re­pu­blik unterstützen.

So emp­fiehlt das For­schungs­team in sei­nem Paper unter ande­rem, den noch nicht abge­schos­se­nen Sus­tainable-Finan­ce-Pro­zess aktiv zu nut­zen: Kom­mu­nen und ihre Spit­zen­ver­bän­de soll­ten im Ver­bund mit Ban­ken, ein­schlä­gi­gen Ver­bän­den, Wirt­schafts­prü­fun­gen und Finanz­dienst­leis­tern dar­auf hin­wir­ken, dass die Prak­ti­ka­bi­li­tät der Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung für Kom­mu­nen und die sie finan­zie­ren­den Ban­ken gewahrt wird. Dazu muss das Ver­hält­nis der unter­schied­li­chen Indi­ka­to­ren­sys­te­me und kom­ple­xen Stan­dards, die neben der EU-Taxo­no­mie zur Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung bestehen, geklärt und in einem für Kom­mu­nen mög­lichst hand­hab­ba­ren Rah­men zusam­men­ge­führt wer­den. „Die gegen­wär­ti­gen Kon­kur­ren­zen der ver­schie­de­nen Rah­men­wer­ke und Recht­set­zungs­pro­zes­se zur Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung dür­fen nicht dazu füh­ren, dass jede Bank ihr je eige­nes Report­ing-Instru­ment ent­wi­ckelt. Das wür­de die Unüber­sicht­lich­keit für die Kom­mu­nen noch wei­ter ver­grö­ßern“, sagt Dr. Hen­rik Schel­ler, Lei­ter des Teams Wirt­schaft, Finan­zen und Nach­hal­tig­keits­in­di­ka­to­rik am Difu.

Den Schwer­punkt des Recht­set­zungs­pro­zes­ses und der poli­ti­schen Debat­te zur Sus­tainable-Finan­ce-Taxo­no­mie der EU bil­den der­zeit vor allem die öko­lo­gi­schen Zie­le. Die Erar­bei­tung einer sozia­len Taxo­no­mie wird vor­aus­sicht­lich erst in der nächs­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode des Euro­päi­schen Par­la­ments ab Mai 2024 wie­der auf die poli­ti­sche Agen­da gesetzt wer­den. „Die sozia­le Dimen­si­on muss bei dem Gesamt­pro­zess unbe­dingt berück­sich­tigt wer­den, da ein Groß­teil der kom­mu­na­len Daseins­vor­sor­ge sozi­al­po­li­tisch moti­viert ist. Hier darf die öko­lo­gi­sche Dimen­si­on nicht zu Las­ten der sozi­al Schwä­che­ren aus­ge­spielt wer­den“, betont Difu-Wis­sen­schaft­ler Dr. Chris­ti­an Raf­fer, Mit­au­tor des neu­en Policy-Papers.

Sus­tainable Finan­ce stellt auf einen Nach­hal­tig­keits­nach­weis für ein­zel­ne Pro­jekt­fi­nan­zie­run­gen ab. Die­se Logik wür­de jedoch einen Ziel­kon­flikt mit dem kom­mu­na­len Haus­halts­grund­satz der Gesamt­de­ckung begrün­den. Denn danach sind grund­sätz­lich alle öffent­li­chen Ein­nah­men für sämt­li­che Aus­ga­ben ein­setz­bar. Dem­nach erfor­dert auch die Kre­dit­auf­nah­me kei­nen expli­zi­ten Ver­wen­dungs­nach­weis für spe­zi­fi­sche Inves­ti­tio­nen. Die­ser Kon­flikt ist zu lösen, ohne dass die Kom­mu­nen in ihrer Haus­halts­au­to­no­mie über Gebühr ein­ge­schränkt wer­den. Zudem soll­te geprüft wer­den, ob „grü­ne Kre­di­te“ (voll­stän­dig) auf die Ver­schul­dung ange­rech­net wer­den müs­sen, wenn sie der Prü­fung durch die Kom­mu­nal­auf­sich­ten der Län­der unter­lie­gen. „Wenn man sich hier auf Aus­nah­men ver­stän­di­gen könn­te, lie­ße sich der Anteil nach­hal­ti­ger Inves­ti­tio­nen womög­lich deut­lich stei­gern. Gleich­wohl braucht es auch hier­für einen ent­spre­chend fun­dier­ten Nach­weis unter Ver­wen­dung geeig­ne­ter Kenn­zah­len und Indi­ka­to­ren“, so Difu-Wis­sen­schaft­le­rin Fri­da von Zahn, Mit­au­torin des Policy-Papers.

Quel­le: Sus­tainable Finan­ce – Zukunfts­the­ma mit Gestal­tungs­po­ten­zi­al auch für Kommunen