Seit Jahren verweilt die Zahl der Kundenbeschwerden über Banken und Sparkassen auf einem hohen Niveau[1]Beschwerdemanagement bei der BaFin. Erst kürzlich berichtete die BaFin von einem erneuten deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. [2]Finanzaufsicht BaFin: Beschwerden über Banken häufen sich. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens EY haben 31 Prozent der Deutschen wenig oder kein Vertrauen in die Finanzbranche[3]Ob gerade EY berufen ist, ist eine andere Frage.
Eine hohe Anzahl der Beschwerden betrifft das Wertpapiergeschäft[4]Vgl. dazu: Wertpapier-und Depotübertrag von einem zum anderen Institut und Probleme mit der Verfügbarkeit im Online-Banking. Weitere Kritik sind “einseitige Zinsanpassungen bei Prämiensparverträgen, nicht nachvollziehbare Nachhaltigkeitsversprechen in der Geldanlage oder Änderungen in den Geschäftsbedingungen ohne explizite Zustimmung der Kunden”.
Kaum ein Kunde sucht noch eine Filiale auf. In den wenigen Fällen, wo dies unumgänglich ist, diese Erfahrung hat der Verfasser in den letzten Monaten bei zwei relativ großen Sparkassen und einer kleineren Volksbank in Westfalen gemacht, ist dies häufig eine unerfreuliche Begegnung. Aufgefallen ist mir, dass die Berater und Beraterinnen am Schalter bei bestimmten Fragen vorschnell behaupten, dieser Vorgang sei nicht durchführbar. Als Begründung werden entweder die Compliance-Regeln oder die AGBs ins Feld geführt. Der Kunde ist für gewöhnlich in dem Moment nicht so gut vorbereitet, dass er aus dem Stand dieser Feststellung widersprechen kann. Es wird erst einmal geblockt – ablehnen scheint für die Beraterinnen und Berater der sicherste Weg zu sein. Liegt man falsch, dann jedenfalls nicht, weil man voreilig einen Vorgang durchgewunken hat, der von nachgelagerten internen Stellen der Bank/Sparkasse moniert werden kann. Die Ablehnung unter Verweis auf AGBs oder anderer Regeln ist hier die “dominante Strategie”. Da hilft häufig dann nur noch, sich an den Vorstand zu wenden, in der Hoffnung, dass dort die nötige Fachkompetenz vorhanden ist. In meinem Fall ging es dann doch – weil die Kundenberaterin schlicht falsch lag. Aber auch dann war noch einiges an Überzeugungsarbeit nötig. Gehandelt wird häufig nur noch auf Druck von oben.
Die jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – so meine Beobachtung – sind für gewöhnlich offen und wirklich bemüht, den Vorgang kundenfreundlich zu behandeln. Sie werden dann jedoch von ihren älteren und vermeintlich erfahreneren Kolleginnen und Kollegen ausgebremst. Die Entscheidung wird nicht mehr, wie früher, am Schalter getroffen, sondern nur noch – nach Terminabsprache – mit dem jeweiligen Kundenberater. Das geht zulasten der Flexibilität und der Kundenzufriedenheit. Es zeigt weiterhin, dass sich als dezentral ausgebende Regionalbanken genauso zentralisiert sind, wie die Großbanken oder Direktbanken – teilweise noch schlimmer. Die Folge ist, dass die Verantwortung von einer Stelle zur nächsten geschoben wird, bis, wenn der Kunde renitent ist, auf einer höheren Hierarchie-Ebene die finale Entscheidung getroffen wird. In den Filialen selber scheint selbst bei Standardvorgängen weder die nötige Fachkompetenz noch die Entscheidungsfähigkeit vorhanden zu sein. Wenn dem so ist, dann stellt sich die Frage, ob es dann nicht wirklich für alle Beteiligten besser wäre, die Filialen ganz aufzulösen. Die meisten Anfragen können Chatbots heutzutage genauso gut oder schlecht beantworten.
Der ehemalige Chef der Deutschen Bank brachte das auf drastische Art vor einigen Jahren auf den Punkt, als er sagte, dass viele Banker schon heute wie Roboter arbeiten würden, also könne man sie genauso gut auch durch echte Roboter ersetzen[5]John Cryan hält die Hälfte seiner Mitarbeiter für überflüssig. Vor einiger Zeit schätzte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) das Substituierungspotenzial in der Finanzbranche auf 70%; andere Schätzungen kommen gar auf 88%[6]88% Substituierungspotenzial in der Finanzbranche?.
Sarkastisch ausgedrückt: Viele Kundenberaterinnen und Kundenberater würden den Turing-Test wohl nicht bestehen, d.h. es würde sich anhand der Qualität der Antworten schnell herausstellen, dass sich dahinter nur ein Mensch und kein Bot verbergen kann.
References
↑1 | Beschwerdemanagement bei der BaFin |
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↑2 | Finanzaufsicht BaFin: Beschwerden über Banken häufen sich |
↑3 | Ob gerade EY berufen ist, ist eine andere Frage |
↑4 | Vgl. dazu: Wertpapier-und Depotübertrag von einem zum anderen Institut |
↑5 | John Cryan hält die Hälfte seiner Mitarbeiter für überflüssig |
↑6 | 88% Substituierungspotenzial in der Finanzbranche? |