Dani­el Gas­tei­ger, Grün­der und CEO von Procivis

In den Markt für Lösun­gen für das Manage­ment der Digi­ta­len Iden­ti­tä­ten ist in den letz­ten Mona­ten Bewe­gung gekom­men. Beson­ders gut beob­ach­ten lässt sich die­se Ent­wick­lung mit ihren Nuan­cen in der Schweiz. Anders als bei­spiels­wei­se in Deutsch­land, haben sich die Akteu­re in der Schweiz größ­ten­teils posi­tio­niert. Dar­un­ter Ban­ken, Fin­tech-Start­ups und die Swiss­com. Auf der ande­ren Sei­te wer­fen die ers­ten Start­ups, die sich auf Digi­ta­le Iden­ti­tä­ten /​ eIDs spe­zia­li­siert haben, ihren Hut in den Ring. Pio­nier die­ser noch rela­tiv jun­gen Sze­ne ist Pro­ci­vis. Mit sei­ner “E‑Go­vern­ment-as-as-Ser­vice Platt­form” eID+ will Pro­ci­vis eine Lösung anbie­ten, die sich auch inter­na­tio­nal ein­set­zen lässt. Im Gespräch mit Bank­stil erläu­tert der Grün­der und CEO Dani­el Gas­tei­ger sei­ne Moti­va­ti­on, die ihn zur Grün­dung von Pro­ci­vis ver­an­lasst hat, das Geschäfts­mo­dell, die aktu­el­le Situa­ti­on in der Schweiz im Bereich Digi­ta­ler Iden­ti­tä­ten, war­um der Block­chain eine beson­de­re Rol­le zukommt und die Plä­ne für die nahe Zukunft. 

Herr Gas­tei­ger, was ist Pro­ci­vis und wodurch zeich­net sich Ihr Unter­neh­men aus?

Pro­ci­vis wur­de im Herbst 2016 als Schwei­zer Start­up-Unter­neh­men gegrün­det. Unser Kern­pro­dukt ist eine „E‑Government as a Service“-Plattform, genannt eID+, mit der wir die Digi­ta­li­sie­rung von Gesell­schaf­ten und die Bereit­stel­lung von elek­tro­ni­schen Behör­den­dienst­leis­tun­gen auf der gan­zen Welt ermög­li­chen. Eine wich­ti­ge Stär­ke von Pro­ci­vis ist die Bün­de­lung von füh­ren­dem Know-how aus den Berei­chen E‑Government, Block­chain und elek­tro­ni­sche Iden­ti­tä­ten in unse­rem hoch­ka­rä­ti­gen, inter­na­tio­nal aus­ge­rich­te­ten Advi­so­ry Board, über des­sen genaue Zusam­men­set­zung wir in Kür­ze infor­mie­ren wer­den. Zudem agie­ren wir als jun­ges Unter­neh­men sehr schnell. Bereits vier Mona­te nach der offi­zi­el­len Lan­cie­rung steht eine voll funk­ti­ons­fä­hi­ge Beta-Ver­si­on unse­rer Platt­form bereit.

Wel­che Moti­va­ti­on lag der Grün­dung von Pro­ci­vis zugrunde?

Ein Blick auf den Stand der Digi­ta­li­sie­rung von behörd­li­chen Dienst­leis­tun­gen, dem soge­nann­ten E‑Government, in West­eu­ro­pa zeigt ein erschre­cken­des Bild: Selbst ansons­ten als sehr fort­schritt­lich gel­ten­de Gesell­schaf­ten sind bei die­sem The­ma irgend­wo in der Ent­wick­lung ste­hen­ge­blie­ben. Dabei hat das Bei­spiel Est­land gezeigt, wie die erfolg­rei­che Digi­ta­li­sie­rung einer Gesell­schaft von­stat­ten gehen kann. In einer von uns in Auf­trag gege­be­nen Stu­die haben wir zunächst die Erfolgs­fak­to­ren des est­län­di­schen Modells her­aus­ge­schält und die Ent­wick­lung von Est­land und der Schweiz im Bereich E‑Government ein­an­der direkt gegen­über­ge­stellt. Kurz gesagt haben wir fol­gen­de Situa­ti­on: Im Bereich E‑Government gibt es welt­weit gros­sen Ent­wick­lungs­be­darf und ent­spre­chend aus unter­neh­me­ri­scher Sicht inter­es­san­te Chan­cen. Dass es klap­pen kann, hat Est­land bereits demons­triert und dank der Erfin­dung der Block­chain steht eine neue Basis­tech­no­lo­gie zur Ver­fü­gung, die in Bezug auf die Sicher­heit und Ver­trau­ens­wür­dig­keit von E‑Government einen Quan­ten­sprung dar­stellt. Wir sahen in die­ser Kon­stel­la­ti­on die ein­ma­li­ge Chan­ce, eine glo­bal ein­setz­ba­re Lösung zu ent­wi­ckeln und damit einen direk­ten Bei­trag zur Digi­ta­li­sie­rung unse­rer Gesell­schaft leis­ten zu können.

War­um ist die Block­chain-Tech­no­lo­gie Ihrer Ansicht nach beson­ders gut für eine Iden­ti­täts­ma­nage­ment-Lösung geeignet?

Block­chain-Tech­no­lo­gie ist immer dann wert­voll, wenn Trans­ak­tio­nen im Zusam­men­hang mit digi­ta­len Iden­ti­tä­ten fäl­schungs­si­cher und per­ma­nent fest­ge­hal­ten wer­den sol­len. Dies ist zum Bei­spiel beim E‑Voting oder bei Ein­trä­gen in ein Grund­stücks­re­gis­ter wich­tig. Smart Con­tract-Funk­tio­na­li­tä­ten der Block­chain kön­nen künf­tig Geschäf­te, die an eine elek­tro­ni­sche Iden­ti­tät gekop­pelt sind, absi­chern und weit­ge­hend auto­ma­ti­sie­ren. In Ent­wick­lungs­län­dern, in denen mit­un­ter das Ver­trau­en in die Behör­den nicht zu jeder Zeit gege­ben ist, kann Block­chain-Tech­no­lo­gie auch dazu die­nen, die eigent­li­che Iden­ti­tät per­ma­nent und fäl­schungs­si­cher fest­zu­hal­ten. Gera­de Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen kämp­fen in Kri­sen­ge­bie­ten oft mit dem Pro­blem, dass kein ver­trau­ens­wür­di­ger Iden­ti­täts­nach­weis vor­han­den ist. Wir füh­ren in die­sem Zusam­men­hang Gesprä­che mit UN-Orga­ni­sa­tio­nen, der Welt­bank und dem Roten Kreuz um zu sehen, wie die Platt­form von Pro­ci­vis deren Arbeit unter­stüt­zen könnte.

Was genau unter­schei­det Ihre Platt­form­lö­sung eID+ von ande­ren Anbie­tern aus dem Umfeld der Digi­ta­len Identitäten?

Die Platt­form von Pro­ci­vis beinhal­tet eine Lösung für eine siche­re elek­tro­ni­sche Iden­ti­tät; dies ist aber nur einer der Bestand­tei­le. Was Pro­ci­vis anbie­tet ist eine Art digi­ta­les Rück­grat, an wel­ches behörd­li­che Dienst­leis­tun­gen und – sofern von den Betrei­bern ent­spre­chend vor­ge­se­hen – auch pri­vat­wirt­schaft­li­che Ser­vices ange­kop­pelt wer­den kön­nen. Ein Blick nach Est­land zeigt, dass gera­de die­ses „Back­bone“ ein ent­schei­den­der Erfolgs­fak­tor für die Digi­ta­li­sie­rung der Gesell­schaft ist.

Herz­stück von eID+ ist eine Mobi­le App, die dem Bür­ger siche­ren und ein­fa­chen Zugriff auf sei­ne elek­tro­ni­sche Iden­ti­tät und die damit ver­knüpf­ten Dienst­leis­tun­gen gibt. In der aktu­el­len Ver­si­on steht dem Nut­zer ein Set an soge­nann­ten „enab­ling Ser­vices“, also Basis-Dienst­leis­tun­gen, auf denen wei­te­re Anwen­dun­gen auf­ge­baut wer­den kön­nen, zur Ver­fü­gung. Die­ses umfasst die siche­re und ein­fa­che Anmel­dung auf Inter­net­sei­ten mit­tels Zwei-Fak­tor-Authen­ti­fi­zie­rung sowie das elek­tro­ni­sche Signie­ren und die gesi­cher­te Ver­wah­rung von Doku­men­ten. Wei­te­re Dienst­leis­tun­gen, von Behör­den­sei­te wie auch von pri­vat­wirt­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen, kön­nen den Bür­gern in einem inte­grier­ten App Store zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. eID+ bil­det so die Grund­la­ge zum Auf­bau eines ver­trau­ens­wür­di­gen Öko­sys­tems für elek­tro­ni­sche Behör­den­dienst­leis­tun­gen und wei­te­re Ser­vices, für die das Vor­han­den­sein einer staat­lich über­prüf­ten Iden­ti­tät nötig ist.

Wie bewer­ten Sie die ver­schie­de­nen Initia­ti­ven, wie die von UBS/​CS/​Swisscom, der Post/​SBB und aktu­ell Swiss Fin­tech Inno­va­tions (SFTI)?

Die Viel­zahl an Initia­ti­ven zeigt die Dyna­mik und die Dring­lich­keit des The­mas. Die etwas depri­mie­ren­de Rea­li­tät ist: Auch im Jahr 2017 ist der Schwei­zer Staat nicht in der Lage, mir einen elek­tro­ni­schen Pass auszustellen.

Wer soll­te die letz­te Instanz für veri­fi­zier­te digi­ta­le Iden­ti­tä­ten sein – der Staat oder pri­vat­wirt­schaft­li­che Anbieter?

Ich bin klar der Mei­nung, dass die Her­aus­ga­be einer natio­na­len elek­tro­ni­schen Iden­ti­tät, also das elek­tro­ni­sche Pen­dant zum phy­si­schen Pass, Auf­ga­be des Staa­tes ist. Das Argu­ment, der Staat sei gar nicht in der Lage, eine solch kom­ple­xe Anwen­dung zeit­ge­recht zu ent­wi­ckeln und umzu­set­zen, greift für mich zu kurz. Die aktu­el­le Debat­te zu die­sem The­ma in der Schweiz ver­fol­ge ich natür­lich gespannt. Mein Gefühl sagt, dass sich Bür­ger wün­schen, ihre elek­tro­ni­sche Iden­ti­tät von der glei­chen Stel­le wie ihren phy­si­schen Pass zu erhalten.

Wie wür­den Sie das Geschäfts­mo­dell von pro­ci­vis bezeich­nen: B2C, B2B, B2B2C?

Die Kun­den von Pro­ci­vis sind in ers­ter Linie Regie­run­gen, staat­li­che Behör­den sowie inter­na­tio­na­le und zwi­schen­staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen. Im Fokus haben wir dabei stets den Nut­zen für den Bür­ger – daher auch der Name Pro­ci­vis, was „für den Bür­ger“ bedeutet.

Wel­chen Stel­len­wert hat die Daten­ho­heit /​ Daten­sou­ve­rä­ni­tät der Nut­zer für eID+?

Das The­ma Daten­sou­ve­rä­ni­tät ist abso­lut zen­tral. Kern unse­rer Mis­si­on ist, dem Bür­ger eine siche­re elek­tro­ni­sche Iden­ti­tät zur Ver­fü­gung zu stel­len, bei wel­cher er zu jeder Zeit die Sou­ve­rä­ni­tät über sei­ne per­sön­li­chen Infor­ma­tio­nen behält.

In wel­che Rich­tung wird sich das Geschäfts­mo­dell von Pro­ci­vis /​ eID+ in den nächs­ten Jah­ren entwickeln?

Unser Fokus rich­tet sich momen­tan voll­stän­dig auf die erfolg­rei­che Umset­zung unse­rer Idee und des dahin­ter­ste­hen­den Geschäfts­mo­dells. Mög­lich­kei­ten für künf­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lun­gen sehen wir vie­le, zum Bei­spiel im Bereich Gesund­heits­we­sen und E‑Health. Wel­che Wege wir letzt­lich ein­schla­gen wer­den, lässt sich aber erst sagen, wenn wir die­se ers­te Pha­se erfolg­reich gemeis­tert haben. Ich freue mich auf die kom­men­den Mona­te; der Zeit­punkt für die Ver­wirk­li­chung unse­rer Idee könn­te nicht bes­ser sein.

Herr Gas­tei­ger, vie­len Dank für das Gespräch!

Ein Gedanke zu „Inter­view mit Dani­el Gas­tei­ger (Pro­ci­vis)“
  1. […] hat der Buch­händ­ler bereits meh­re­re Mil­lio­nen inves­tiert und 2021 die Fir­ma Procivis[2]Interview mit Dani­el Gas­tei­ger (Pro­ci­vis) über­nom­men. Seit einem Jahr ent­wi­ckeln 20 Mit­ar­bei­ten­de eine von Grund auf neue Soft­ware für […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert