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Nach drei­jäh­ri­ger Reno­vie­rung prä­sen­tiert sich das his­to­ri­sche Glas­dach der Socié­té Géné­ra­le am Bou­le­vard Hauss­mann wie­der in sei­ner ursprüng­li­chen Pracht. Die spek­ta­ku­lä­re Jugend­stil-Kup­pel aus dem Jahr 1912 zählt zu den größ­ten Glas­struk­tu­ren von Paris.

Meis­ter­werk der Bel­le Épo­que wiedergeboren

Am Bou­le­vard Hauss­mann 29 thront seit über einem Jahr­hun­dert ein wah­res archi­tek­to­ni­sches Juwel: der Haupt­sitz der Socié­té Géné­ra­le. Das von Jac­ques Her­mant ent­wor­fe­ne Gebäu­de aus dem frü­hen 20. Jahr­hun­dert ver­kör­pert die Ele­ganz der Bel­le Épo­que und beein­druckt beson­ders durch sein monu­men­ta­les Glas­dach, das Jac­ques Gal­land geschaf­fen hat. Die­ses außer­ge­wöhn­li­che Kunst­werk steht nicht umsonst auf der Lis­te der his­to­ri­schen Monu­men­te Frankreichs.

Nach einer auf­wen­di­gen Reno­vie­rung, die 2022 begann, erstrahlt die präch­ti­ge Kup­pel seit 2024 wie­der in ihrer ursprüng­li­chen Schön­heit. Das Pro­jekt war sowohl tech­nisch als auch logis­tisch eine Meisterleistung.

Prä­zi­si­ons­ar­beit in schwin­deln­der Höhe

Die Dimen­sio­nen des Glas­dachs sind beein­dru­ckend: Mit einem Durch­mes­ser von 18 Metern und einer Höhe von 27 Metern zählt es zu den größ­ten Glas­struk­tu­ren der fran­zö­si­schen Haupt­stadt. Über drei­ein­halb Jah­re erstreck­te sich das ambi­tio­nier­te Reno­vie­rungs­pro­jekt – zwei Jah­re für die minu­tiö­se Pla­nung, andert­halb Jah­re für die eigent­li­che Restaurierung.

Das Aus­maß der Arbei­ten war gewal­tig: Mehr als 1.350 Panee­le und 1.250 Qua­drat­me­ter Glas muss­ten restau­riert wer­den. Jedes ein­zel­ne Glas­stück wur­de behut­sam demon­tiert, in spe­zia­li­sier­ten Werk­stät­ten auf­ge­ar­bei­tet und anschlie­ßend mil­li­me­ter­ge­nau wie­der ein­ge­setzt. Um den Geschäfts­be­trieb nicht zu beein­träch­ti­gen, fan­den die Arbei­ten aus­schließ­lich nachts statt – ein logis­ti­sches Kunst­stück, das höchs­te Prä­zi­si­on erforderte.

Zeit­rei­se in die Gründerzeit

Die Geschich­te des Gebäu­des reicht zurück ins Jahr 1912, als es nach sechs­jäh­ri­ger Bau­zeit unter der Lei­tung von Jac­ques Her­mant eröff­net wur­de. Die Archi­tek­tur spie­gelt den Zeit­geist der Bel­le Épo­que wider: Die Außen­fas­sa­de schmü­cken alle­go­ri­sche Skulp­tu­ren und korin­thi­sche Details, wäh­rend das Inne­re von einem impo­san­ten zen­tra­len Saal mit der cha­rak­te­ris­ti­schen Kup­pel domi­niert wird.

Beson­ders fas­zi­nie­rend ist die har­mo­ni­sche Ver­bin­dung von Glas und Metall, die das Design aus­zeich­net. Mosa­ik­bö­den, kunst­vol­le Eisen­ar­bei­ten und ele­gan­te Mono­gram­me unter­strei­chen die sti­lis­ti­sche Raf­fi­nes­se jener Epo­che. Ein Kurio­sum ver­birgt sich im Kel­ler: 399 Tre­sor­räu­me wer­den von einer monu­men­ta­len, 18 Ton­nen schwe­ren Tür geschützt – ein Zeug­nis der Sicher­heits­an­for­de­run­gen ver­gan­ge­ner Zeiten.

Die Bau­stof­fe, die die Inge­nieu­re und Archi­tek­ten des 19. Jahr­hun­derts mit Aus­nah­me des Eisen­be­tons und des Stahls ver­wen­de­ten, sind sol­che, die die Indus­trie in grö­ße­ren Men­gen und auch bil­li­ger lie­fern kann, die aber längst bekannt und weit­ge­hend ver­wen­det wor­den waren. Sie sind also an sich nicht neu, aber ihre Ver­wen­dung kann es sein. Die Kon­struk­teu­re bedien­ten sich ihrer auf ande­re Wei­se für ande­re Bau­ten und wur­den sich bewusst, dass nicht nur die »Form der Funk­ti­on fol­gen« müs­se, son­dern dass auch das Bau­ma­te­ri­al neue Mög­lich­kei­ten bie­tet, ande­re Span­nun­gen zu ver­wirk­li­chen und zu einer ande­ren Ver­tei­lung der Mas­sen und der Kräf­te füh­re kann. Der Gegen­satz besteht also nicht aus­schließ­lich zwi­schen einer neu­en Tech­nik und der­je­ni­gen der Ver­gan­gen­heit, son­dern zwi­schen der letz­te­ren und einem Arbeits­pro­zess, der gewis­se Bau­stof­fe anders bewer­tet, häu­fi­ger ver­wen­det, wobei er sich auf neue wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se und ande­re ideo­lo­gi­sche Vor­aus­set­zun­gen stützt. Und weil die­se Vor­aus­set­zun­gen neue For­men for­dern, so kann die­ser Arbeits­vor­gang nicht unver­än­der­lich, d.h. abs­trakt sein, son­dern muss sich dau­ernd wan­deln (in: Die Struk­tur der moder­nen Welt. 1850 – 1900)

Leben­di­ges Erbe im moder­nen Paris

Obwohl die Geschäfts­lei­tung der Socié­té Géné­ra­le längst nach La Défen­se umge­zo­gen ist, bleibt der his­to­ri­sche Haupt­sitz ein leben­di­ges Sym­bol des Bank­hau­ses. Das Gebäu­de dient wei­ter­hin als zen­tra­le Filia­le und öff­net wäh­rend der euro­päi­schen Kul­tur­er­be­ta­ge sei­ne Türen für die Öffentlichkeit.

So ver­bin­det sich Geschich­te mit Gegen­wart: Ein archi­tek­to­ni­sches Meis­ter­werk der Bel­le Épo­que, das durch moder­ne Restau­rie­rungs­tech­ni­ken für kom­men­de Gene­ra­tio­nen bewahrt wur­de, ohne dabei sei­nen ursprüng­li­chen Charme zu verlieren.


Ein wei­te­res, mar­kan­tes Bank­ge­bäu­de aus der Zeit des Jugend­stils ist die ehe­ma­li­ge Zen­tra­le der Post­spar­kas­se in Wien, deren Archi­tek­tur von Otto Wag­ner ent­wor­fen und rea­li­siert wur­de[1]Post­spar­kas­sen­ge­bäu­de in Wien: Schlüs­sel­werk der euro­päi­schen Moder­ne.

Jahr­zehn­te spä­ter wähl­te die ING für ihre neue Zen­tra­le in Ams­ter­dam eine eige­ne Licht­kon­zep­ti­on bzw. eine Licht-Archi­tek­tur[2]Licht-Archi­tek­tur bei der ING Bank.

Quel­len:

The Cen­tral Branch: a “ban­king palace” of the Bel­le Époque

Socie­te Gene­ra­le values its archi­tec­tu­ral heri­ta­ge full of history

Ein­fluss von Glas auf die Archi­tek­tur der Bel­le Époque

Bau­stof­fe wie Glas hat­ten einen erheb­li­chen Ein­fluss auf die Archi­tek­tur der Bel­le Épo­que und ermög­lich­ten inno­va­ti­ve Bau­wei­sen, die den Geist des Fort­schritts und der Ästhe­tik die­ser Zeit wider­spie­gel­ten. Glas wur­de, zusam­men mit ande­ren neu­en Mate­ria­li­en wie Stahl und Eisen, zu einem zen­tra­len Ele­ment in der Archi­tek­tur und eröff­ne­te bis­her unge­ahn­te gestal­te­ri­sche und funk­tio­na­le Möglichkeiten.

Tech­no­lo­gi­sche Innovationen

  • Die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on brach­te Fort­schrit­te in der Glas­her­stel­lung, wie die Ent­wick­lung des Guss­gla­ses und des Flach­gla­ses, die grö­ße­re, gleich­mä­ßi­ge­re und sta­bi­le­re Glas­flä­chen ermöglichten. 
    • Eisen- und Stahl­ske­let­te, die Glas­flä­chen tra­gen konn­ten, eröff­ne­ten neue archi­tek­to­ni­sche Möglichkeiten.

Bau­wer­ke mit gro­ßen Glasflächen

  • Win­ter­gär­ten und Gewächshäuser: 
    • Glas wur­de in gro­ßem Umfang für Gewächs­häu­ser ver­wen­det, wie im berühm­ten Pal­men­haus im Wie­ner Burg­gar­ten oder im Crys­tal Palace in Lon­don (1851, ein Vor­läu­fer der Bel­le Époque).
    • Bahn­hö­fe:
      • Glas ermög­lich­te weit­läu­fi­ge, licht­durch­flu­te­te Hal­len, wie die Gare d’Orsay in Paris (heu­te ein Muse­um) oder die Bahn­hö­fe von Buda­pest und Antwerpen.
    • Pas­sa­gen und Galerien: 
      • Über­dach­te Ein­kaufs­stra­ßen wie die Gale­ries Lafay­et­te in Paris oder die Gal­le­ria Vitto­rio Ema­nue­le II in Mai­land nutz­ten Glas­dä­cher, um Tages­licht her­ein­zu­las­sen und ein luxu­riö­ses Ambi­en­te zu schaffen.

Ästhe­ti­sche Auswirkungen

  • Trans­pa­renz und Licht: 
    • Glas brach­te Licht in Gebäu­de und sym­bo­li­sier­te Moder­ni­tät und Fort­schritt. Es schuf ele­gan­te, hel­le Innen­räu­me, die mit natür­li­chem Licht geflu­tet wurden.
    • Jugend­stil-Archi­tek­tur:
      • Der Jugend­stil (Art Nou­veau) nutz­te Glas für kunst­vol­le Fens­ter, Türen und Fas­sa­den. Bunt­glas wur­de in Form von fili­gra­nen, geschwun­ge­nen Mus­tern ein­ge­setzt, z. B. in den Wer­ken von Hec­tor Gui­mard (Pari­ser Metro-Ein­gän­ge) oder Vic­tor Horta in Belgien.
    • Orna­men­ta­le Gestaltung: 
      • Glas wur­de oft in Kom­bi­na­ti­on mit Eisen und Stahl ver­wen­det, um deko­ra­ti­ve Ele­men­te zu schaf­fen, die sowohl funk­tio­nal als auch kunst­voll gestal­tet waren.

Moder­ni­tät und Funktionalität

  • Die Ver­wen­dung von Glas spie­gel­te den Zeit­geist wider: Offen­heit, Trans­pa­renz und Fort­schritt. Die­se Eigen­schaf­ten pass­ten zur opti­mis­ti­schen Hal­tung der Bel­le Époque.
  • Glas ermög­lich­te eine funk­tio­na­le­re Archi­tek­tur, die nicht nur ästhe­tisch anspre­chend, son­dern auch prak­tisch war, z. B. in Form von gro­ßen Schau­fens­tern in Kauf­häu­sern und Passagen.

Bei­spie­le berühm­ter Gebäu­de der Bel­le Épo­que mit Glas

  • Grand Palais (Paris, 1900): Eine rie­si­ge Glas- und Stahl­kon­struk­ti­on, die für die Welt­aus­stel­lung 1900 gebaut wurde.
  • Gale­ries Lafay­et­te (Paris, 1893): Das berühm­te Kauf­haus mit sei­ner iko­ni­schen Glaskuppel.
  • Hôtel Tas­sel (Brüs­sel, 1893): Ein Meis­ter­werk des Jugend­stils von Vic­tor Horta, das Glas in kunst­vol­len Fens­tern und Ober­lich­tern nutzt.
  • Palais des Machi­nes (Paris, 1889): Ein Pavil­lon mit rie­si­gen Glas­flä­chen, der für die Welt­aus­stel­lung 1889 errich­tet wurde.

Fazit

Glas revo­lu­tio­nier­te die Archi­tek­tur der Bel­le Épo­que, indem es funk­tio­na­le und ästhe­ti­sche Inno­va­tio­nen ermög­lich­te. Licht­durch­flu­te­te Räu­me, Trans­pa­renz und die Kom­bi­na­ti­on mit Eisen und Stahl führ­ten zu einer neu­en, moder­nen Archi­tek­tur­spra­che. Die Nut­zung von Glas war nicht nur ein tech­ni­scher Fort­schritt, son­dern auch ein Aus­druck des Opti­mis­mus und Fort­schritts­glau­bens, der die­se Ära prägte.