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Die Spar­kas­se kämpft mit einem dra­ma­ti­schen Image­pro­blem: Mit nur 1,7 von 5 Ster­nen auf Trust­pi­lot und 80 Pro­zent Ein-Stern-Bewer­tun­gen offen­bart sich ein tief­grei­fen­der Ver­trau­ens­ver­lust zwi­schen Deutsch­lands größ­tem Finanz­dienst­leis­ter und sei­nen Kun­den. Hohe Gebüh­ren, man­geln­der Ser­vice und ver­al­te­te Sys­te­me prä­gen das ver­nich­ten­de Urteil von über 2.300 Bewertungen.


Ein Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men in der Krise

Die Spar­kas­sen-Finanz­grup­pe, einst Syn­onym für Bür­ger­nä­he und ver­läss­li­che Bank­dienst­leis­tun­gen, steht vor einer bei­spiel­lo­sen Ver­trau­ens­kri­se. Die Ana­ly­se von 2.312 Kun­den­be­wer­tun­gen auf der Platt­form Trust­pi­lot zeich­net ein erschüt­tern­des Bild: Mit einer Durch­schnitts­be­wer­tung von ledig­lich 1,7 von 5 Ster­nen befin­det sich das Finanz­in­sti­tut in einer tie­fen Reputation­skrise, die weit über ein­zel­ne Beschwer­den hin­aus­geht, wenn­gleich anzu­mer­ken ist, dass die Aus­sa­ge­kraft ange­sichts der Gesamt­zahl der Kun­din­nen und Kun­den natur­ge­mäß begrenzt ist[1]Aller­dings gilt auch hier: :Je mehr Daten vor­lie­gen, aus denen man Bele­ge erzeu­gen kann, und je über­zeu­gen­der die Kom­bi­na­tio­nen von Expe­ri­men­ten sind, die für eine Argu­men­ta­ti­on ver­wen­det wer­den, … Con­ti­nue rea­ding).

Beson­ders alar­mie­rend ist die Ver­tei­lung der Bewer­tun­gen: Vier von fünf Kun­den ver­ge­ben die schlech­tes­te Bewer­tung von nur einem Stern. Die­se Kon­zen­tra­ti­on nega­ti­ver Urtei­le deu­tet nicht auf ver­ein­zel­te Pro­ble­me hin, son­dern auf struk­tu­rel­le Defi­zi­te im Geschäfts­mo­dell und der Kundenbetreuung.

Der Teu­fels­kreis aus Ser­vice und Kosten

Im Zen­trum der Kri­tik steht ein fun­da­men­ta­les Para­do­xon: Wäh­rend die Gebüh­ren kon­ti­nu­ier­lich stei­gen, ver­schlech­tert sich gleich­zei­tig der Ser­vice. Kun­den bekla­gen intrans­pa­ren­te Kos­ten­struk­tu­ren und über­höh­te Kon­to­füh­rungs­ge­büh­ren, die nicht mehr durch ent­spre­chen­de Leis­tun­gen gerecht­fer­tigt erschei­nen. Die­se Preis­po­li­tik trifft auf einen Kun­den­ser­vice, der nach Aus­sa­ge vie­ler Bewer­tun­gen durch Unfreund­lich­keit, schlech­te Erreich­bar­keit und man­geln­de Lösungs­kom­pe­tenz auffällt.

Die Beschwer­den über das Per­so­nal sind dabei sym­pto­ma­tisch für ein grö­ße­res Pro­blem: Die Spar­kas­se scheint den Wan­del von einer service­orientierten zu einer gewinn­ma­xi­mier­ten Insti­tu­ti­on voll­zo­gen zu haben, ohne ihre Kun­den auf die­ser Rei­se mit­zu­neh­men. Wo einst per­sön­li­che Bera­tung und Ver­trau­en im Vor­der­grund stan­den, domi­nie­ren heu­te offen­bar Ver­trags­be­din­gun­gen und Gebührenordnungen.

Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on als Stolperstein

Para­do­xer­wei­se wird auch die längst über­fäl­li­ge Digi­ta­li­sie­rung zum Kri­tik­punkt. Wäh­rend ande­re Ban­ken mit moder­nen Apps und stream­li­ned Online-Pro­zes­sen punk­ten, kämpft die Spar­kas­se mit ver­al­te­ten Sys­te­men und umständ­li­chen digi­ta­len Lösun­gen. Kun­den berich­ten von Pro­ble­men beim Online-Ban­king und einer Ban­king-App, die mehr frus­triert als erleichtert.

Gleich­zei­tig führt die Schlie­ßung zahl­rei­cher Filia­len zu einer wei­te­ren Ent­frem­dung. Der tra­di­tio­nel­le Vor­teil der Spar­kas­se – die loka­le Prä­senz und per­sön­li­che Bera­tung – ero­diert zuse­hends, ohne dass digi­ta­le Alter­na­ti­ven die­ses Defi­zit kom­pen­sie­ren könnten.

Licht­bli­cke in düs­te­ren Zeiten

Trotz der über­wäl­ti­gend nega­ti­ven Bilanz zei­gen eini­ge Bewer­tun­gen, dass nicht alle Hoff­nung ver­lo­ren ist. Ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter wer­den für ihre Pro­fes­sio­na­li­tät und Hilfs­be­reit­schaft gelobt, und bestimm­te Dienst­leis­tun­gen wie kos­ten­lo­se Son­der­til­gun­gen bei Kre­di­ten fin­den durch­aus Aner­ken­nung. Die­se posi­ti­ven Aus­nah­men ver­deut­li­chen jedoch para­do­xer­wei­se das eigent­li­che Pro­blem: Die Qua­li­tät der Spar­kas­sen-Dienst­leis­tun­gen ist offen­bar stark abhän­gig von indi­vi­du­el­len Mit­ar­bei­tern und loka­len Gegebenheiten.

Ver­trau­ens­ana­ly­se durch die stra­te­gi­sche Brille

Betrach­tet man die Spar­kas­sen-Kri­se durch das Pris­ma der Ver­trau­ens­ma­trix, offen­bart sich eine fata­le Fehl­ein­schät­zung der eige­nen Posi­ti­on. Die Spar­kas­se hat jahr­zehn­te­lang auf das tra­di­tio­nel­le Modell der “Swit­ching Cos­ts” gesetzt – die Bequem­lich­keit auto­ma­ti­scher Abbu­chun­gen und die Träg­heit ihrer Kun­den. Doch die­se ober­fläch­li­che Bin­dungs­stra­te­gie igno­rier­te die tie­fer­lie­gen­den Dimen­sio­nen des Ver­trau­ens als “ver­sun­ke­ne Investition”.

Kun­den haben über Jah­re hin­weg nicht nur Geld, son­dern vor allem Zeit, Emo­tio­nen und per­sön­li­che Infor­ma­tio­nen in ihre Bank­be­zie­hung inves­tiert. Sie teil­ten Kri­sen mit ihrer Spar­kas­se, gaben inti­me Finanz­da­ten preis und bau­ten sozia­le Ver­bin­dun­gen auf. Die­se nicht-mone­tä­ren Invest­ments stell­ten einen stra­te­gi­schen Wett­be­werbs­vor­teil dar – bis die Spar­kas­se begann, die­ses Ver­trau­ens­ka­pi­tal sys­te­ma­tisch zu verspielen.

Ver­trau­ens­ma­trix

Das “dop­pel­te Zeit­pro­blem” beim Bank­wech­sel wirk­te lan­ge als natür­li­che Bar­rie­re: Kun­den scheu­ten sowohl die Such­zeit für eine neue Bank als auch die Auf­bau­zeit für neu­es Ver­trau­en. Doch die 80 Pro­zent Ein-Stern-Bewer­tun­gen zei­gen, dass die­se Bar­rie­re zusam­men­bricht, wenn der Ver­trau­ens­bruch zu gra­vie­rend wird.

Beson­ders pre­kär wird die Lage durch die “Lebens­zeit-Öko­no­mie”: Wäh­rend Kun­den zwi­schen 30 und 50 Jah­ren nor­ma­ler­wei­se kon­ser­va­tiv agie­ren und Sta­bi­li­tät schät­zen, treibt sie die Spar­kas­se durch schlech­ten Ser­vice und hohe Gebüh­ren in die Arme der Kon­kur­renz. Selbst die tra­di­tio­nell loyals­te Kun­den­schicht der über 50-Jäh­ri­gen, für die die Bank “Teil der Lebens­ge­schich­te” war, wen­det sich ab – ein bei­spiel­lo­ser Vertrauensverlust.

Die stra­te­gi­sche Lek­ti­on ist ein­deu­tig: Ver­trau­en als “Zeit­dieb­stahl” zu behan­deln, indem man eta­blier­te Bezie­hun­gen aus­nutzt statt zu pfle­gen, führt zu einem Domi­no­ef­fekt. Die Repa­ra­tur gebro­che­nen Ver­trau­ens ist weit­aus schwe­rer als des­sen ursprüng­li­cher Auf­bau – und für die Spar­kas­se könn­te es bereits zu spät sein.

Die 1,7‑Sterne-Bewertung ist somit nicht nur ein Zeug­nis ver­gan­ge­ner Ver­säum­nis­se, son­dern das Resul­tat einer ver­fehl­ten Ver­trau­ens­stra­te­gie: Die Spar­kas­se hat ihre wert­volls­te stra­te­gi­sche Res­sour­ce – das über Gene­ra­tio­nen auf­ge­bau­te Ver­trau­en – als Neben­pro­dukt behan­delt und dabei über­se­hen, dass Ver­trau­en in der Ban­ken­welt nicht ersetz­bar ist.

Zwi­schen Tra­di­ti­on und Transformation

Die Trust­pi­lot-Bewer­tun­gen spie­geln eine Insti­tu­ti­on im Umbruch wider, die ihre Iden­ti­tät zwi­schen Tra­di­ti­on und Moder­ne zu ver­lie­ren droht. Die Spar­kas­se steht vor der Her­aus­for­de­rung, ihre his­to­ri­schen Stär­ken – Ver­trau­en, Bür­ger­nä­he, Soli­di­tät – mit den Anfor­de­run­gen einer digi­ta­li­sier­ten und kos­ten­op­ti­mier­te Ban­ken­welt zu versöhnen.

Die ver­hee­ren­den Kun­den­be­wer­tun­gen sind dabei mehr als nur ein PR-Pro­blem. Sie signa­li­sie­ren eine grund­sätz­li­che Ent­frem­dung zwi­schen Anbie­ter und Nach­fra­ger, die das Geschäfts­mo­dell der Spar­kas­sen lang­fris­tig bedroht. In einer Zeit, in der Big-Tec­Ne­o­ban­ken und Fin­tech-Unter­neh­men mit trans­pa­ren­ten Gebüh­ren und exzel­len­tem digi­ta­len Ser­vice punk­ten, kann sich kein Finanz­dienst­leis­ter eine der­art kata­stro­pha­le Kun­den­zu­frie­den­heit leis­ten. Irgend­wann über­win­den die Kun­den ihre “Tren­nungs­angst”.

Die 1,7‑Sterne-Bewertung ist somit nicht nur ein Zeug­nis ver­gan­ge­ner Ver­säum­nis­se, son­dern auch ein Weck­ruf für die Zukunft: Die Spar­kas­se muss ihre Kun­den zurück­ge­win­nen – oder ris­kiert, ihre Geschich­te in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit zu beenden.

Anders als eini­ge in den Spar­kas­sen anzu­neh­men schei­nen, besteht auch für lang­le­bi­ge Insti­tu­tio­nen kein Bestands­schutz. Auch Spar­kas­sen sind ersetzbar.


Wei­te­re Informationen:

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Refe­ren­ces

Refe­ren­ces
1 Aller­dings gilt auch hier: :Je mehr Daten vor­lie­gen, aus denen man Bele­ge erzeu­gen kann, und je über­zeu­gen­der die Kom­bi­na­tio­nen von Expe­ri­men­ten sind, die für eine Argu­men­ta­ti­on ver­wen­det wer­den, des­to unwahr­schein­li­cher wer­den wei­te­re Inter­pre­ta­tio­nen gemacht: Erst die Kom­bi­na­ti­on und die Ein­schrän­kung der Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­kei­ten füh­ren dann zu einer Evi­denz mit hoher Über­zeu­gungs­kraft. (in: Heu­re­ka. Evi­denz­kri­te­ri­en in den Wis­sen­schaf­ten. Ein Kom­pen­di­um für den inter­dis­zi­pli­nä­ren Gebrauch