Von Ralf Keuper

Das Pro­dukt­spek­trum der Anker-Wer­ke war Aus­druck der auf­stre­ben­den Bie­le­fel­der Indus­trie des aus­ge­hen­den 19. und begin­nen­den 20. Jahr­hun­derts – es reich­te von Näh­ma­schi­nen, über Fahr­rä­der bis hin zu Regis­trier­kas­sen. Letz­te­re begrün­de­ten den Erfolg des Unter­neh­mens, der sich dar­in äußer­te, dass die Anker-Wer­ke im Jahr 1976, dem Jahr des Nie­der­gangs, der welt­weit zweit­größ­te Her­stel­ler von Regis­trier­kas­sen, nach NCR, waren. Die Beleg­schaft der Anker-Wer­ke betrug zur Blü­te­zeit des Unter­neh­mens 8.000 Mitarbeiter.

In den 1970er Jah­ren begann der Abstieg des Unter­neh­mens, der 1976 zum Kon­kurs führ­te. Die Tages­zei­tung Die Zeit hielt ange­sichts zahl­rei­cher fehl­ge­schla­ge­ner Ret­tungs­ver­su­che fest: Anker wird gefled­dert. Nach Ansicht von Bran­chen­ken­nern hat­te das Unter­neh­men die Ent­wick­lung hin zu elek­tro­ni­schen Kas­sen­sys­te­men, wie sie von IBM und Nix­dorf ange­bo­ten wur­den, verschlafen.
Zum Unter­gang tru­gen, wie so oft, auch ande­re Fak­to­ren bei, wie Der Spie­gel in einem kri­ti­schen Bei­trag über die Arbeit der Auf­sichts­rä­te aus dem Kreis der damals füh­ren­den Ban­ken bemerk­te. Im Zen­trum stan­den der Auf­sichts­rats­chef von Anker und dama­li­ge Dresd­ner Bank – Vor­stand Wer­ner Krue­ger und das Fami­li­en­ober­haupt Heinz zur Nieden.

Auch Anker-Auf­sichts­rat Wer­ner Krue­ger will noch früh­zei­tig auf aku­te Gefah­ren für die Fir­ma auf­merk­sam gemacht haben. Aber nicht ein­mal sei­ne For­de­rung nach einem Son­der­gut­ach­ten hät­ten die drei Fami­li­en­mit­glie­der im sechs­köp­fi­gen Rat unter­stüt­zen wol­len. Krue­ger resi­gnie­rend: “Selbst die bei­den Arbeit­neh­mer-Ver­tre­ter erklär­ten, so etwas gäbe nur unnö­ti­gen Trou­ble, sie arbei­te­ten jeden Tag mit Herrn zur Nie­den zusam­men.” Heinz zur Nie­den, 69, unum­schränkt herr­schen­der Clan-Füh­rer und Motor der Anker-Expan­si­on nach dem Krie­ge, woll­te sich nicht ein­mal rein­re­den las­sen, als es bereits höchs­te Zeit war. Gegen das Votum Krue­gers ließ der Anker-Patri­arch noch vor drei Jah­ren acht Pro­zent Divi­den­de aus der Sub­stanz aus­schüt­ten. Erst als der lang­mü­ti­ge Ban­ken­auf­se­her ulti­ma­tiv mit sei­nem Rück­tritt droh­te, trat der alte Anker-Boß zurück.

Noch mehr Mühe kos­te­te es Krue­ger, den Söh­nen den Ein­zug in die Fir­men­füh­rung zu ver­weh­ren. Zwar konn­ten sie alle­samt exzel­len­te Beur­tei­lun­gen vor­le­gen, doch nur von haus­ei­ge­nen Aus­bil­dern. Krue­ger: “Ich möch­te den Abtei­lungs­lei­ter sehen, der Hara­ki­ri betreibt und den Söh­nen der Inha­ber schlech­te Noten schreibt.”

Dage­gen ver­säum­te es Krue­ger. bei­zei­ten die Schwach­stel­len im Unter­neh­men durch unab­hän­gi­ge Gut­ach­ter loka­li­sie­ren zu las­sen – vor allem die ver­nach­läs­sig­te Ent­wick­lung elek­tro­ni­scher Anla­gen. Erst als nichts mehr zu ret­ten war, lie­ßen sich die Bie­le­fel­der von den Bera­ter­fir­men Kien­baum und Die­bold ihre tech­no­lo­gi­sche Lücke bescheinigen.

Das Geschäft mit Kas­sen­sys­te­men teil­ten sich danach NCR, IBM, Die­bold und Nix­dorf auf. Deren Freu­de soll­te jedoch nicht ewig wäh­ren. IBM ist bereits aus dem Geschäft mit elek­tro­ni­schen Kas­sen­sys­te­men und Geld­au­to­ma­ten aus­ge­stie­gen und die ver­blie­be­nen Her­stel­ler NCR und Die­bold Nix­dorf kämp­fen um ihr Über­le­ben. Eben­so wie bei Anker hat man auch dort den Trend, d.h. die fort­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung und die ver­än­der­te Medi­en­nut­zung der Kun­den, zu lan­ge igno­riert. An die Stel­le der Kas­sen tre­ten Smart­phones, selbst das Bar­geld befin­det sich auf dem Rück­zug. Inso­fern wie­der­ho­len sich bestimm­te Mus­ter in der Wirt­schafts­ge­schich­te mit erstaun­li­cher Regelmäßigkeit.

Wei­te­re Informationen:

Aus Bie­le­feld in die Welt: 125 Jah­re Anker-Werke

Anker gibt auf und macht weiter

Zuerst erschie­nen auf West­fa­len­lob