Von Ralf Keuper
Im Jahr 2014 veröffentlichte ich auf diesem Blog die Studie über die Fintech-Startup-Ökosysteme in Deutschland. Untersucht wurden dabei die Ökosysteme in Berlin, Frankfurt, München, Hamburg und Köln/Düsseldorf.
Als Kernelemente eines Fintech-Startup-Ökosystems wurden definiert:
- FinTech-Startups (Payments, Corporate Banking, PFM, Security, Crowdfunding, Capital Markets / Trading)
- Investoren (Privat, öffentliche Hand, Inkubatoren, Acceleratoren)
- Veranstaltungen (Events / Netzwerktreffen, Barcamps, Coworking-Spaces)
Seither hat die Zahl der Fintech-Startups über alle Kategorien hinweg deutlich zugenommen. Einige sind bereits wieder vom Markt verschwunden. Berlin ist nach wie vor der führende Standort für Fintech-Startups in Deutschland. Um die Plätze dahinter konkurrieren Hamburg, München und Frankfurt. Frankfurt hat in den letzten Jahren Boden gegenüber Berlin gut gemacht, wie mit dem FinTech Hub der Deutschen Börse und dem Fintech Headquarter.
Trotz der genannten Entwicklung sind die Fintech-Startups weit davon entfernt, das Banking zu revolutionieren bzw. zu disrupten. Die meisten von ihnen streben mittlerweile Kooperationen mit den Banken an. Es besteht ein Überangebot, das sich über alle Bereiche erstreckt, insbesondere im B2C-Segment.
In dem Whitepaper The Empire Strikes Back halten die Autoren mit Blick auf die Fintech-®Evolution der vergangenen Jahre fest:
The structural cause of this emerging stagnation is that the fragmentation of value chains driven by fintechs is not suitable as a base for new approaches to value creation and business models with disproportionately high value. In the past, fintechs were able to use new technological possibilities and break down existing value creation patterns; by taking this approach, they managed to remodel banking products and services against a digital backdrop. While key impetus for innovation arose from digital modularization, the expectations of investors in terms of market growth, profitability and resulting company value could not be met.
Die eigentliche Gefahr für die Banken geht, wie inzwischen auch das WEF – wenngleich viel zu spät – erkannt hat, von den großen Internetkonzernen aus.
Damit stellt sich die Frage, ob und wie die Fintech-Startup-Ökosysteme überleben können.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein Überangebot an Fintech-Startups vorliegt, dann kann dies auf Dauer nicht ohne Folgen für die Ökosysteme bleiben. Daran schließt sich die Frage an, wie nachhaltig, wie wandlungs- und erneuerungsfähig die Fintech-Startup-Ökosysteme sind.
Der Systemforscher Frederic Vester formulierte acht Prinzipien der Natur, die das Überleben garantieren. Für unser Thema von herausgehobener Bedeutung sind davon:
- Das Prinzip der Unabhängigkeit von Wachstum: Die Funktion eines Systems muss auch in einer Gleichgewichtsphase gewährleistet sein, das heisst vom quantitativen Wachstum unabhängig sein. Denn ein permanentes Wachstum für alle Systeme ist eine Illusion.
- Das Prinzip der Unabhängigkeit vom Produkt: Überlebensfähige Systeme müssen funktions- und nicht produktorientiert arbeiten. Produkte kommen und gehen. Funktionen aber bleiben.
- Das Prinzip der Mehrfachnutzung: Es gilt für Produkte, Funktionen und Organisationsstrukturen. Es führt durch Verbundlösungen zu Multistabilität und bedeutet eine Absage an sogenannte Hundertprozentlösungen.
- Das Prinzip der Symbiose: Das heisst gegenseitige Nutzung von Verschiedenartigkeit durch Kopplung und Austausch. Das aber verlangt kleinräumigen Verbund. Monostrukturen können daher nicht von den Vorteilen der Symbiose profitieren.
Das würde bedeuten, dass die Startup-Ökosysteme so ausgelegt sein sollten, dass sie auch in Phasen geringen Marktwachstums oder der Stagnation neue Geschäftsmodelle hervorbringen, für die Nachfrage besteht. Weiterhin folgt daraus, dass die Funktionsorientierung im Vordergrund steht, d.h. Produkte oder Produktgruppen, aber auch bestimmte Technologien, wie die Blockchain, dürfen das Ökosystem nicht festlegen/prägen. Ebenso wichtig ist, dass die Infrastrukturen mehrfach verwendet werden können, d.h. es ist ohne allzu großen Aufwand möglich, von B2C auf das Segment B2B oder aber auch vom Banking in andere Bereiche zu schwenken. Entscheidend für das Überleben ist die Vermeidung von Monostrukturen, d.h. eine zu große Nähe zu Banken oder anderen Finanzdienstleistern ist zu vermeiden. Stattdessen sollte der Austausch mit auf dem ersten Blick branchenfremden Unternehmen, Wissenschaftlern und Startups gesucht werden.