Von Ralf Keuper
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht von neuen Projekten berichtet wird, die sich die stärkere Vernetzung der relevanten Akteure und Institutionen, seien es junge Unternehmer, Investoren, Wissenschaftler, Inkubatoren oder Acceleratoren in einer Stadt oder Region auf die Fahnen geschrieben haben. Ziel ist die Schaffung eines Ökosystems, das durch seine Vielfalt (Diversität) Unternehmensgründer, Kapital und Talente in gleicher Weise anzieht. Vor allem an die Gründung junger Unternehmen, sog. Startups, aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind große Erwartungen gerichtet.
Häufig ist unklar, was genau unter einem Startup-Ökosystem zu verstehen ist. Daneben wächst der Bedarf auf Seiten der Gründer und Investoren wie auch der Wirtschaftsförderer an Kriterien, die eine erste Einschätzung der Attraktivität eines Startup-Ökosystems zulassen.
Für die Berechnung der Diversität eines Ökosystems stehen inzwischen mehrere Kennzahlen, wie der Shannon/Weaver-Index, zur Verfügung. Bisher hat sich keine als wirklich überzeugend herausgestellt, weshalb hier auf die Berechnung einer Kennzahl verzichtet wird.
Untersucht wurden die FinTech-Startup-Ökosysteme in Hamburg, Berlin, Köln/Düsseldorf, Frankfurt und München.
Ein FinTech-Startup-Ökosystem setzt sich in seinem Kern, gemäß der Annahmen der Studie, aus den folgenden Arten und Unterarten zusammen:
- FinTech-Startups (Payments, Corporate Banking, PFM, Security, Crowdfunding, Capital Markets / Trading)
- Investoren (Privat, öffentliche Hand, Inkubatoren, Acceleratoren)
- Veranstaltungen (Events / Netzwerktreffen, Barcamps, Coworking-Spaces)
Als weiteres Merkmal für die Attraktivität eines FinTech-Startup-Ökosystems wurde die Zahl der Exits gewählt.
Forschungen aus der Stadt- und Regionalökonomie ergänzen die Sicht.
Das FinTech-Startup-Ökosystem mit der derzeit größten Diversität und Attraktivität in Deutschland ist Berlin. Aber auch alle anderen untersuchten FinTech-Startup-Ökosysteme verfügen über eine – bezogen auf Deutschland – überdurchschnittliche Diversität. Jedes FinTech-Startup-Ökosystem verfügt bereits über seinen eigenen Stil. Jedes verfügt über seine Stärken und Schwächen.
Gemeinsam ist jedoch allen FinTech-Startup-Hochburgen ein weit über dem Durchschnitt liegender Anteil der sog. “information centric industries” wie Medienunternehmen, Werbeagenturen, Banken, Versicherungen und Beratungshäuser. Wenn eine Stadt dann noch, wie Berlin, mit günstigen Lebenshaltungskosten, einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz und zahlreich vorhandenen Bistros und Cafés, wie überhaupt zahlreichen Gelegenheiten zu spontanen Treffen mit den unterschiedlichsten Menschen in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz, verfügt, hat sie wie u.a. Mark Granovetter und Kristoffer Möller nachgewiesen haben, einen weiteren Standortvorteil.
Es hat sich in der Vergangenheit häufig gezeigt, dass Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung, die diesen Zusammenhang ausblenden, weit hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Dass ein Startup-Ökosystem aber nicht zwangsläufig auf das Flair von Metropolen angewiesen ist, zeigt u.a. das Beispiel von Boulder in Colorado. Brad Feld hat in seiner viel beachteten “Boulder-Thesis” darauf hingewiesen, dass für den langfristigen Erfolg eines Startup-Ökosystems bzw. einer Startup-Community das Engagement der Unternehmer vor Ort, der Leader, ausschlaggebend ist.
Abzuwarten bleibt die mittel- bis langfristige Entwicklung und die Klärung der Frage, ob wir es irgendwann mit einer Startup-Blase zu tun haben und wie die Startup-Ökosysteme bzw. Kommunen vorbeugend darauf reagieren können.
Alles in allem bestätigen die Ergebnisse der Studie, dass, wie Christoph Giesa und Lena Schiller-Clausen in New Business Order schreiben, Startups dabei sind, das Gesicht von Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend zu verwandeln.
In Großbritannien tragen FinTech-Startups jedenfalls mittlerweile signifikant zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Ein Grund mehr sich hierzulande mit der Frage der Diversität und Attraktivität von FinTech-Startup-Ökosystemen zu befassen.