Von Ralf Keuper

In der Welt sor­gen sich Sebas­ti­an Jost und Anne Kunz in War­um die Deut­schen ihre Ban­ken so sehr ver­ach­ten um die Zukunft des Ban­ken­stand­orts Deutsch­land. Es dro­he, so die Autoren u.a. unter Beru­fung auf eini­ge nam­haf­te Wirt­schafts­his­to­ri­ker, dass die deut­schen Ban­ken den Anschluss an die Welt­spit­ze ver­lie­ren. Dane­ben betrei­ben die Autoren auch noch eif­rig Küchenpsychologie.

Dass Deutsch­lands Ban­ken glo­bal den Anschluss zu ver­lie­ren dro­hen, machen die Autoren vor allem an der Tat­sa­che fest, dass Deutsch­lands größ­te Bank, die Deut­sche Bank, gemes­sen an der Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung und der Bilanz­sum­me nur noch unter fer­ner lie­fen ran­giert. Noch wei­ter abge­schla­gen ist die zweit­größ­te deut­sche Bank, die Commerzbank.

Damit dro­hen Deutsch­lands export­ori­en­tier­te Unter­neh­men in Abhän­gig­keit der gro­ßen aus­län­di­schen Ban­ken zu gera­ten, z.B. bei der Plat­zie­rung von Anlei­hen. Letzt­lich sei dies auch eine Gefahr für die deut­sche Volks­wirt­schaft. In ande­ren Län­dern wür­den die Ban­ken ein höhe­res Anse­hen als in Deutsch­land genie­ßen. Das gel­te auch für das ein wenig in Ver­ruf gera­te­ne Invest­ment­ban­king. Lobend erwähnt wird die bri­ti­sche Finanz­in­dus­trie mit ihrer gro­ßen volks­wirt­schaft­li­chen Bedeutung.

Im wei­te­ren Ver­lauf wer­den die Ebe­nen doch ein wenig durch­ein­an­der gewir­belt, um die eige­ne Sto­ry zu stützen.

Der Rei­he nach.

Ran­king

Noch im Jahr 2013 brach­te die Welt die Mel­dung, dass die Deut­sche Bank nach Bilanz­sum­me auf Platz 3 lag.  Also vor nicht all­zu lan­ger Zeit war dem­nach noch alles in Ordnung.

Die Welt ver­wen­det ein Ran­king von Bloom­berg nach Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung. Alter­na­ti­ve Quel­len sind z.B. sta­tis­ta und Geves­tor. Bei Geves­tor tau­chen im August 2014 unter den Top 10, gemes­sen an der Bilanz­sum­me,  vier chi­ne­si­sche Ban­ken auf. Bei Bloom­berg am Stich­tag 30.04.2015, wenn­gleich nach Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung, kei­ne ein­zi­ge? Vgl. dazu: Bör­sen­wert: Wel­che Bank ist die größ­te der Welt?

Vor eini­gen Mona­ten zeich­ne­te das Finan­ce Maga­zin in dem Bei­trag Die größ­ten Ban­ken der Welt: Euro­pa ver­liert an Boden (gemes­sen an der Bilanz­sum­me) ein dif­fe­ren­zier­te­res Bild. Auf­fal­lend ist die Domi­nanz chi­ne­si­scher Banken:

Chi­na stellt mit 15 Geld­häu­sern die meis­ten Ban­ken unter den Top 100, gefolgt von den USA mit elf und Japan mit acht Insti­tu­ten. Euro­päi­sche Ban­ken sind mit 45 Top 100-Plat­zie­run­gen dabei, zwei weni­ger als bei der letz­ten SNL-Umfrage.

Und wei­ter:

Sechs wei­te­re deut­sche Ban­ken fin­den sich unter den größ­ten 100 Ban­ken. Die Com­merz­bank folgt auf Rang 39, die DZ Bank auf Rang 53, die LBBW liegt auf Rang 69, die Bay­ern LB auf Rang 74, die NordLB auf Rang 93, und die Hela­ba auf Rang 98.

Die Deut­sche Bank lag zu dem Zeit­punkt auf Platz 11.

Was die Ver­gleichs­maß­stä­be angeht, rät die Autorin Camil­la Naschert zur Vorsicht:

Bei der Inter­pre­ta­ti­on der Zah­len ist aller­dings Vor­sicht gebo­ten, denn unter­schied­li­che Rech­nungs­le­gungs­stan­dards für Ban­ken flie­ßen hier mit ein. So bilan­zie­ren etwas die größ­ten vier Ban­ken nach IFRS, und füh­ren ent­spre­chend das Brut­to der Deri­va­ti­ven Anla­gen auf. Ban­ken wie JP Mor­gan, die nach U.S.GAAP-Standards bilan­zie­ren, geben das Net­to­re­sul­tat an. JP Mor­gan wür­de nach IFRS-Stan­dard unter Berück­sich­ti­gung ihrer Brut­to-Deri­vat­po­si­tio­nen auf Platz eins vorrücken.

Deutsch­land war in den Ran­kings der größ­ten Ban­ken in der Ver­gan­gen­heit nur sel­ten pro­mi­nent bzw. an vor­ders­ter Stel­le ver­tre­ten. So weit ich mich erin­ne­re waren es immer die Deut­sche Bank, gefolgt von der Dresd­ner Bank und der Com­merz­bank, die inter­na­tio­nal von Bedeu­tung waren – gemes­sen an der Bilanz­sum­me und der Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung. Eini­ge Zeit zähl­te noch die WestLB zu dem erlauch­ten Kreis.

Der Export­na­ti­on Deutsch­land hat die Tat­sa­che, dass ihre Ban­ken kei­ne der Top-Plat­zie­run­gen ein­neh­men, bis­her jeden­falls, nicht gescha­det. War­um nicht?

Groß­bri­tan­ni­en mit sei­ner Abhän­gig­keit von der Finanz­in­dus­trie und sei­ner kaum noch vor­han­de­nen Indus­trie soll nun das Vor­bild sein? Ernst­haft? So etwas nach den Erfah­run­gen der Finanz­kri­se, die noch immer nicht aus­ge­stan­den ist, zu lesen, lässt sich nur noch mit dem aus­ge­präg­ten Kurz­zeit­ge­dächt­nis eini­ger Beob­ach­ter erklären.

Eine Zwi­schen­stel­lung nimmt die Schweiz ein: Mit der UBS und der Cre­dit Suis­se ver­fügt das klei­ne Land eben­falls über zwei Ban­ken, die inter­na­tio­nal mit­spie­len. Was sagt das nun über die Volks­wirt­schaft der Schweiz – im Ver­gleich zu Groß­bri­tan­ni­en und Deutsch­land – aus?

Wenn deut­sche Unter­neh­men sich bei der Plat­zie­rung ihrer Anlei­hen aus­län­di­scher Ban­ken bedie­nen, dann resul­tiert dar­aus eine Gefahr für die deut­sche Wirt­schaft als Gan­zes? Wäre dem so, dann müss­te die deut­sche Wirt­schaft deut­lich schlech­ter da ste­hen, als jetzt.

Die Ursa­chen müs­sen woan­ders liegen.

Star­ker Mit­tel­stand in Deutsch­land /​ Drang nach Unab­hän­gig­keit von den Banken

Das dürf­te vor allem mit der gro­ßen Bedeu­tung mit­tel­stän­di­scher Unter­neh­men in Deutsch­land zusam­men­hän­gen. Die­se sind, was die Außen­fi­nan­zie­rung angeht, etwas eigen, um nicht zu sagen auf Abstand zu den Ban­ken bedacht, wie etwa Sta­bi­lo, der Beck-Ver­lag und Haribo:

Gro­ße Mit­tel­ständ­ler, wie der Land­ma­schi­nen­her­stel­ler Claas, wen­den sich direkt an den Kapi­tal­markt. Feder­füh­rend dar­an betei­ligt war in die­sem Fall die Lan­des­bank Baden-Würt­tem­berg. Über­haupt haben die Lan­des­ban­ken im Bereich Unter­neh­mens­fi­nan­zie­rung einen nicht zu unter­schät­zen­den Stel­len­wert, was, wie wir wis­sen, kei­nes­falls immer segens­rei­che Wir­kun­gen hat. Erwähnt sei nur der Bereich Schiffs­fi­nan­zie­rung, wo die HSH Nord­bank lan­ge Zeit ein­sam an der Welt­spit­ze ran­gier­te. Auf Platz drei lag zu dem Zeit­punkt (2012) übri­gens die Commerzbank.

Dazu:

War­um mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­mer Ban­ken gegen­über häu­fig eine skep­ti­sche Hal­tung ein­neh­men, geht u.a. aus dem Bei­trag „Das tut man nicht, wenn man für drei Euro Ver­stand im Kopf hat“ hervor.

Ban­ken schlägt nicht nur in Deutsch­land eine Wel­le der Skep­sis bis Ableh­nung entgegen

Dass Ban­ken in der Gunst der Öffent­lich­keit nicht weit oben ran­gie­ren, ist kein deut­sches Phä­no­men, wie die Autoren uns glau­ben machen wol­len. Ähn­li­che Kla­gen wie Jost und Kunz füh­ren in den USA eini­ge Jour­na­lis­ten, wie Mark Zan­dl in It’s time to lay off the bank-bas­hing oder mit einem ande­ren Tenor John Max­field in Do You Hate Your Bank? Why Bank-Bas­hing Is Good for Ame­ri­ca. Dane­ben gibt es noch, als ein Bei­spiel von vie­len, die Sei­te Banks­ter von PR Watch. Und auch in Groß­bri­tan­ni­en ist die Welt nicht so heil, wie die Tages­zei­tung Welt anzu­neh­men scheint, wie u.a. aus L&G chief: bank levy risks mass exodus hervorgeht.

Bedeu­tung Inter­na­tio­na­ler Finanzzentren 

Von gro­ßer Bedeu­tung für die Attrak­ti­vi­tät einer Volks­wirt­schaft ist, ob das Land über ein Finanz­zen­trum von inter­na­tio­na­lem Rang ver­fügt. Und hier ist mit Blick auf Deutsch­land die Fra­ge ein­deu­tig mit Ja zu beant­wor­ten. Frank­furt ist eines der wich­tigs­ten Finanz­zen­tren welt­weit, wenn­gleich nicht auf einer Höhe mit New York oder Lon­don, aber trotz­dem weit oben, wie es der viert­größ­ten Volks­wirt­schaft der Welt in etwa ent­spricht. Emp­feh­lens­wert in dem Zusam­men­hang ist das Buch Metro­po­len des Kapi­tals. Die Geschich­te der inter­na­tio­na­len Finanz­zen­tren von Yous­sef Cassis.

Fin­Tech-Start­up Öko­sys­te­me als neu­er Bestimmungsfaktor 

Von fast schon eben­so so gro­ßer Rele­vanz für die Ver­sor­gung einer Volks­wirt­schaft mit Geld, sind mitt­ler­wei­le dyna­mi­sche Fin­Tech-Start­up-Öko­sys­te­me. Und was das angeht, steht Deutsch­land mitt­ler­wei­le schon ganz gut da.

Dazu:

Zwar geben auch hier inter­na­tio­nal New York und Lon­don den Ton an, was aber wei­test­ge­hend auf die expo­nier­te Stel­lung die­ser Städ­te als inter­na­tio­na­le Finanz­zen­tren über die Jahr­hun­der­te zurück­ge­führt wer­den kann.

Die sichers­ten Ban­ken der Welt

Was in der Dis­kus­si­on um die Rang­lis­te der größ­ten Ban­ken der Welt nur all­zu ger­ne ver­ges­sen wird, ist, dass es noch ande­re Maß­stä­be für die Bewer­tung einer Bank gibt, als nur die Bilanz­sum­me oder Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung. Ein Bei­spiel dafür ist das Glo­bal-Finan­ce-Ran­king der 50 sichers­ten Ban­ken der Welt. Und hier ran­gie­ren – oh Wun­der! – unter den zehn sichers­ten gleich vier deut­sche, dar­un­ter die KfW auf Platz 1. Über­haupt ist die KfW IPEX-Bank sehr aktiv in der Inter­na­tio­na­len Pro­jekt- und Export­fi­nan­zie­rung. Erwäh­nens­wert in dem Zusam­men­hang ist die NRW-Bank.

Aus­blick

Es ist in Zukunft davon aus­ge­hen, dass sich die Gewich­te in der Welt­wirt­schaft in Rich­tung Asi­en ver­schie­ben wer­den. Die Wirt­schafts­ge­schich­te zeigt, dass dies immer auf mit dem Auf­kom­men neu­er Finanz­zen­tren und inter­na­tio­na­ler Ban­ken ein­her­geht. Inso­fern über­rascht es nicht, wenn die Zahl der chi­ne­si­schen Ban­ken unter den größ­ten Geld­häu­sern der Welt in den letz­ten Jah­re stark zuge­nom­men hat. Dass unter den 100 größ­ten Finanz­häu­sern, wie aus dem Arti­kel vom Finan­ce Maga­zin her­vor­geht, 45 aus Euro­pa stam­men ist vor die­sem Hin­ter­grund beachtlich.

Als eine der füh­ren­den Wirt­schafts­na­tio­nen der Welt ist Deutsch­land auf ein funk­tio­nie­ren­des Ban­ken- bzw. Ban­king-Umfeld ange­wie­sen. Dazu gehö­ren nicht nur Groß­ban­ken, son­dern auch ein inter­na­tio­na­les Finanz­zen­trum und ein dyna­mi­sches Fin­Tech-Start­up-Öko­sys­tem sowie wei­te­re Ban­ken, die im Bereich Pro­jekt- und Export­fi­nan­zie­rung tätig sind. Und nicht zu ver­ges­sen die Noten­ban­ken. Hier ver­fügt Deutsch­land mit der Bun­des­bank und der EZB wahr­lich über eini­ge Pfun­de. Nicht zu ver­ges­sen die Bör­se, wie über­haupt die Spar­kas­sen und Genossenschaftsbanken.

Es lohnt sich also auch hier eine dif­fe­ren­zier­te­re Betrach­tungs­wei­se. Deutsch­land hat sei­nen eige­nen Wirt­schafts- und Bank­stil ent­wi­ckelt – mit allen Vor- und Nachteilen.

Dazu aus der Fest­schrift zum 100jährigen Bestehen der Ber­li­ner Handels-Gesellschaft:

Das Ban­ken­sys­tem eines Lan­des ist das Ergeb­nis eines his­to­ri­schen Ent­wick­lungs­pro­zes­ses, an dem Poli­tik und Wirt­schaft eben­so mit­ge­formt haben wie jede ein­zel­ne Bank, wann immer sie frü­her oder spä­ter auch ent­stan­den sein mag. Das eng­li­sche Ban­ken­sys­tem ent­wi­ckel­te sich ursprüng­lich aus dem Geschäft der Lon­do­ner Gold­schmie­de, die für das ihnen zur Auf­be­wah­rung anver­trau­te Edel­me­tall Quit­tun­gen aus­stell­ten und die­se sowohl als Zah­lungs­mit­tel als auch als Kre­dit­mit­tel ver­wen­de­ten. Die >Depo­si­ten­bank< ist daher nicht von selbst das Urbild der eng­li­schen Ban­ken gewor­den. Anders war es auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent. Hier präg­te der Pri­vat­ban­kier in der Zeit der abso­lu­ten Fürs­ten und der kaum weni­ger abso­lu­ten Stadt­re­pu­bli­ken den vor­herr­schen­den Banktyp.

Aber wäh­rend in Eng­land das kon­sti­tu­tio­nel­le Prin­zip auch und gera­de das Bank­we­sen ein­be­griff und das eng­li­sche Ban­ken­sys­tem mit einer staats­un­ab­hän­gi­gen Noten­bank an der Spit­ze zum Finanz­zen­trum der Welt machen soll­te, blieb es auf dem Kon­ti­nent erst der libe­ra­len Revo­lu­ti­on von 1848 vor­ge­bal­ten, die engen Bezie­hun­gen zwi­schen >Staat< und Pri­vat­ban­kier auf­zu­lo­ckern. Die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on in Eng­land fand ein im Grun­de schon geform­tes Ban­ken­sys­tem vor. Der Kon­ti­nent muß­te sich erst mit die­ser poli­ti­schen Revo­lu­ti­on von einer staat­li­chen Bevor­mun­dung frei­ma­chen, bevor die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on ein­set­zen konn­te. Als das geschah, muß­ten ent­spre­chen­de Finan­zie­rungs­in­sti­tu­te erst geschaf­fen wer­den. Nicht von unge­fähr sind so die heu­ti­gen deut­schen Ban­ken als Kin­der der poli­ti­schen und indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on geboren.

Aber Kin­der wach­sen nicht nur her­an, neh­men auf und ver­ar­bei­ten, was Zeit und Umwelt ihnen bie­ten – sie wer­den eines Tages auch selb­stän­dig, wir­ken mit und gestal­ten. Fak­tor und Pro­dukt wech­seln sich ab – und wenn Geschichts­schrei­bung einen leben­di­gen Sinn haben soll, dann kann sie es nur, wenn sie sich an die­se Wech­sel­wir­kun­gen hält. Sicher kön­nen der Ein­zel­ne wie das ein­zel­ne Unter­neh­men nicht ver­stan­den wer­den ohne die Umwelt und die Zeit, aus der sie kom­men, aber ebe­nos­we­nig kön­nen Zeit und Umwelt begrif­fen wer­den ohne die Ein­zel­nen, die sie ein­grei­fend und umwan­delnd mit­ge­prägt haben.

Wei­te­re Informationen:

“Tod eines Invest­ment­ban­kers Eine Sit­ten­ge­schich­te der Finanz­bran­che” von Nils Ole Oer­mannEini­ge Anmer­kun­gen zum Stil­wan­del im Investmentbanking

Bank­his­to­ri­sches Fund­stück: Die Ber­li­ner Han­dels-Gesell­schaft in einem Jahr­hun­dert deut­scher Wirt­schaft – 1856–1956 (Fest­schrift)

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