Von Ralf Keuper

Über die Fra­ge, inwie­weit die Dis­tri­bu­ted Led­ger Tech­no­lo­gies, deren pro­mi­nen­tes­ter Ver­tre­ter momen­tan die Block­chain ist, das Ban­king ver­än­dert, wird inten­siv dis­ku­tiert. Unter den öko­no­mi­schen Theo­rien ist die Insti­tu­tio­nen­öko­no­mik oder die Neue Insti­tu­tio­nen­öko­no­mik m.E. am bes­ten geeig­net, die Aus­wir­kun­gen der Bloch­chain-Tech­no­lo­gie auf die Wirt­schaft und Gesell­schaft zu ana­ly­sie­ren und zu beschrei­ben. Bei­spiel­haft dafür ist der Bei­trag Some Simp­le Eco­no­mics of the Block­chain, der auf die­sem Blog vor eini­gen Tagen vor­ge­stellt wurde.

In Block­chains and the Boun­da­ries of Self-Orga­ni­zed Eco­no­mies: Pre­dic­tions for the Future of Ban­king beschäf­ti­gen sich die Autoren expli­zit mit der Fra­ge, wel­che Kon­se­quen­zen die Ver­brei­tung der Block­chain-Tech­no­lo­gie auf die alt­ehr­wür­di­ge Insti­tu­ti­on Bank hat.

Das Wesen der Bank besteht, stark ver­ein­facht for­mu­liert, seit Jahr­hun­der­ten dar­in, Trans­ak­tio­nen im Wirt­schafts­kreis­lauf zu doku­men­tie­ren und die Sal­den zu berech­nen sowie Kapi­tal­ge­ber und Kapi­tal­neh­mer zusammenzubringen:

It is clear, then, that bey­ond the phy­si­cal sto­rage of pre­cious metals and other finan­cial assets, a bank in this sen­se is a cen­tra­li­zed led­ger of tran­sac­tions, whe­ther of capi­tal or pay­ments, which records balan­ces bet­ween many dif­fe­rent par­ties. A bank, in the modern sen­se, is an inter­na­li­zed mar­ket: it is an orga­niza­ti­on that func­tions as a plat­form (a two-sided mar­ket, Rochet & Tiro­le 2003) to match tho­se with excess sup­p­ly of capi­tal (savers) with tho­se with excess demand for capi­tal (bor­ro­wers). Banks inter­me­dia­te two sides of a mar­ket. This inter­me­dia­ti­on is pre­cis­e­ly what the recent wave of P2P finan­ce endea­vors to dis­rupt. By matching sel­lers of capi­tal (tho­se who would other­wi­se make depo­sits in a bank) with buy­ers of capi­tal (tho­se who would other­wi­se seek loans from banks) direct­ly, the P2P finan­ce direct­ly threa­tens banks.

Ban­ken orga­ni­sie­ren den (Kapital)Markt für ihre Kun­den, die, wenn sie die­se Auf­ga­be sel­ber über­neh­men woll­ten, mit einem hohen Zeit-und Kos­ten­auf­wand kon­fron­tiert wür­den. Die Abwick­lung über eine Bank kommt meis­tens güns­ti­ger. Gro­ße Kon­zer­ne ver­rin­gern ihre Abhän­gig­keit von der Finan­zie­rung durch Ban­ken dadurch, indem sie sich direkt an den Kapi­tal­markt wen­den oder ein Inhouse Ban­king errich­ten. Für Pri­vat­per­so­nen fällt die­se Mög­lich­keit weg. Durch das Inter­net und das Auf­kom­men der Fin­tech-Start­ups ist es seit eini­ger Zeit mög­lich, Kre­dit­ge­ber  und Kre­dit­neh­mer direkt zusam­men­zu­füh­ren bzw. Zah­lungs­ge­schäf­te direkt unter­ein­an­der abzu­wi­ckeln (P2P).

Die Block­chain-Tech­no­lo­gie sowie die Ver­brei­tung digi­ta­ler Wäh­run­gen wie Bit­co­in set­zen die beschrie­be­ne Ent­wick­lung fort – mehr noch: sie füh­ren zu einem Bruch in der bis­lang gül­ti­gen Markt-Logik:

The ent­rance of block­chains as cryp­to-secu­red dis­tri­bu­ted led­gers, howe­ver, dis­rupts the­se basic tran­sac­tion cos­ts of the mar­ket for finan­cial assets. This then affects the eco­no­mic logic and effi­ci­en­cy mar­gins of banks, who­se enti­re logic of exis­tence deri­ves from their com­pa­ra­ti­ve eco­no­mic effi­ci­en­cy com­pared to markets.

Nach Ansicht der Autoren ist die Block­chain sowohl in tech­no­lo­gi­scher wie auch in orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­sicht eine ech­te Inno­va­ti­on. Durch das Zusam­men­wir­ken von Block­chain-Tech­no­lo­gie und dezen­tra­len Orga­ni­sa­ti­ons­for­men (DAO) ent­ste­hen neue For­men von Insti­tu­tio­nen, von Arran­ge­ments, die dazu die­nen, Ver­trags­be­zie­hun­gen anzu­bah­nen, Ver­trä­ge abzu­schlie­ßen, aus­zu­füh­ren und zu über­wa­chen. In Anleh­nung an F.A. von Hay­ek könn­te man von neu­en, spon­ta­nen Ord­nun­gen bzw. von Katal­la­xie spre­chen:

Once we see block­chains as alter­na­ti­ve gover­nan­ce institutions—alongside firms, mar­kets and rela­tio­nal contracting—it is a short step from the­re to see that by adding a few more ope­ra­tio­nal features—constitutions or foun­da­tio­nal gover­ning rules (Hay­ek 1960, Buchanan 1990), coll­ec­ti­ve decis­i­on-making rules and pro­ce­du­res (Buchanan & Tul­lock 1962; Ost­rom 1990), and pri­va­te money (Hay­ek 1978)—blockchains appear as a tech­no­lo­gy for making eco­no­mies. That is, a block­chain crea­tes a self-orga­ni­zing and con­sti­tu­tio­nal­ly orde­red catal­la­xy, or what Mac­Do­nald (2015c) has labe­led a ‘con­stel­la­xy’.

Wei­ter­hin:

In this new view block­chains are not orga­niza­ti­ons; block­chains are spon­ta­neous orga­niza­ti­ons that com­pe­te with orga­niza­ti­ons. But block­chains aren’t mar­kets, eit­her. Block­chains have mar­ket-like pro­per­ties, but their role is to faci­li­ta­te tran­sac­tions, not (just) exch­an­ge. Fun­da­men­tal­ly block­chains coör­di­na­te a dis­tri­bu­ted group of peo­p­le, making them actual­ly clo­ser to being an economy.

Kurz­um: Die Block­chain erschafft eine eige­ne öko­no­mi­sche Grund­ord­nung. So ver­stan­den ist die Block­chain eine neue Insti­tu­tio­nen-Tech­no­lo­gie (Vgl. dazu: Dis­rupt­ing Gover­nan­ce: The New Insti­tu­tio­nal Eco­no­mics of Dis­tri­bu­ted Led­ger Tech­no­lo­gy).

By adop­ting the Coa­se and Wil­liam­son per­spec­ti­ve in which firms, mar­kets, rela­tio­nal con­tracts, and now also block­chains, are alter­na­ti­ve gover­nan­ce institutions—whose rela­ti­ve effi­ci­en­cy is deter­mi­ned by micro-insti­tu­tio­nal tran­sac­tion cost considerations—we can under­stand how block­chains com­pe­te with banks, rather than being view­ed as a tech­no­lo­gy adopted by banks.This is only visi­ble when we view the basic ana­ly­tic unit of block­chain eco­no­mics as the tran­sac­tion (i.e., the exe­cu­ta­ble con­tract). This is the ful­lest expres­si­on of block­chains not as a new infor­ma­tio­nal and com­mu­ni­ca­ti­ons tech­no­lo­gy, but as a new insti­tu­tio­nal technology.

Wäre die Block­chain “nur” eine wei­te­re Tech­no­lo­gie, so die Autoren, könn­ten die Ban­ken, wie in der Ver­gan­gen­heit, ihre Bemü­hun­gen dar­auf beschrän­ken, die­se neue Tech­no­lo­gie in ihre Abläu­fe zu inte­grie­ren. Jedoch steht die Logik der Block­chain der Logik der Insti­tu­ti­on Bank dia­me­tral entgegen:

The first clear point we sought to high­light was to chall­enge the other­wi­se see­mingly com­pel­ling noti­on that block­chain is sim­ply a new ICT-like tech­no­lo­gy that will be adopted into banks, thus impro­ving the com­pe­ti­ti­ve effi­ci­en­cy of banks that adopt this tech­no­lo­gy, and har­ming the com­pe­ti­ti­ve posi­ti­on of banks that are slower to adopt (Chuen 2015). The model for under­stan­ding this would be, say, adop­ti­on of other gene­ral pur­po­se ban­king tech­no­lo­gies such as debit cards, ATMs, or inter­net ban­king. This is a domi­nant the­sis at the time of wri­ting among banks who view this as a way to impro­ve back-office effi­ci­en­cy in clea­ring tran­sac­tions (for exam­p­le con­sor­ti­ums such as Ripp­le). This, howe­ver, may be a mis­cha­rac­te­riza­ti­on of the natu­re of the block­chain technology.

Die­se Aus­sa­ge traf jedoch bereits auf das Inter­net zu. Auch hier haben die Ban­ken und ihre zahl­rei­chen IT-und Stra­te­gie­be­ra­ter lan­ge Zeit geglaubt, es wäre aus­rei­chend, Bank­dienst­leis­tun­gen über das Inter­net zugäng­lich zu machen. Dabei wur­de über­se­hen, dass sich das Inter­net nicht in eine Bank inte­grie­ren lässt, wie ATMs oder Rela­tio­na­le Daten­ban­ken. Als das Smart­phone auf­kam und die Medi­en­nut­zung sich noch­mals wan­del­te, wur­de die­se Dis­kre­panz noch offen­sicht­li­cher. Die vor­läu­fig letz­te Stu­fe die­ses Struk­tur- oder Stil­wan­dels wur­de mit dem Auf­kom­men der gro­ßen digi­ta­len Platt­for­men (GAFAA) erreicht, die m.E. eine neue Ord­nung, eine neue Insti­tu­ti­on im Sin­ne der Insti­tu­tio­nen­öko­no­mik ver­kör­pern. Aller­dings hat die­se Ent­wick­lung zu mehr Zen­tra­li­sie­rung und Macht­kon­zen­tra­ti­on geführt, was ja durch die Block­chain mit ihrem dezen­tra­len Ansatz ver­mie­den wer­den soll, was durch­aus bezwei­felt wer­den darf.

Die Block­chain benö­tigt, das beto­nen die Autoren, eine ent­spre­chen­de Gover­nan­ce; einen orga­ni­sa­to­ri­schen, büro­kra­ti­schen Über­bau (Vgl. dazu: Block­chain Gover­nan­ce: Pro­gramming Our Future).

Das Funk­ti­ons­prin­zip der Block­chain erin­nert eini­ge Kom­men­ta­to­ren, auch mich, an die wohl ers­te Netz­werk­or­ga­ni­sa­ti­on der Geschich­te: Die Han­se (Vg. dazu: Block­chain ist im Kern die alte Han­se).

Zur Zukunft der Ban­ken hal­ten die Autoren fest:

In a world of block­chains the func­tions and ope­ra­ti­ons of ban­king may not chan­ge, but the eco­no­mic orga­niza­ti­on of ban­king may shift signi­fi­cant­ly. In this view, it is banks that will expe­ri­ence fun­da­men­tal shifts in their orga­niza­tio­nal boun­da­ries, with many tran­sac­tions curr­ent­ly gover­ned through hier­ar­chy, rela­tio­nal con­trac­ting or mar­ket tran­sac­tions shif­ting to the block­chain as an out­wor­king of eco­no­mic effi­ci­en­cy over tran­sac­tion costs.

Bedarf an Insti­tu­tio­nen wie Ban­ken besteht auch in Zukunft; nur sind das völ­li­ge ande­re Ban­ken als heu­te (Vgl. dazu: Die Bank – über den Bedeu­tungs­wan­del eines Begriffs #1)

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