Das Banking hat in den letzten Jahren, u.a. als Folge der Finanzkrise, sein Gesicht mitunter deutlich gewandelt. Bei der Bewertung der Regulierung gehen die Meinungen auseinander: Für die einen sind die Maßnahmen eher kosmetischer Natur, die an den eigentlichen Problemen vorbei gehen, während die Bankvertreter sie zunehmend als (unnötige) Belastung empfinden. Andererseits könnten digitale Währungen die Banken in ihrer Rolle als Finanzintermediäre überflüssig machen. In der Schweiz wird demnächst über die Einführung des Vollgeldsystems abgestimmt, das die Geldschöpfung der Banken beschränken würde. Unterdessen nehmen Google, Amazon & Co. das Banking ins Visier. Im Gespräch mit Bankstil gibt der renommierte Wirtschaftsjournalist Dr. Norbert Häring (Foto) seine Einschätzung zur aktuellen Entwicklung im Bereich der Regulierung, zum Potenzial digitaler Währungen und zur Zukunft des Banking ab. Häring ist Autor zahlreicher Bücher, wie Die Abschaffung des Bargelds und seine Folgen und So funktioniert Wirtschaft. Daneben betreibt Häring, der als Redakteur beim Handelsblatt tätig ist, privat den Blog Norbert Häring – Geld und mehr.
- Herr Dr. Häring, seit Ausbruch der Finanzkrise ist die Regulierung an
einigen Stellen verschärft worden – Reichen die Maßnahmen aus?
Nein, sie reichen nicht, weil sie weiterhin der mit Basel I und Basel
II bereits wiederholt krachend gescheiterten Philosophie folgen, man
müsse im Wesentlichen nur regulieren, wie viel Eigenkapital die Banken
vorhalten. Das funktioniert aber nicht. Die Untersuchung des
isländischen Bankendesasters hat gezeigt, wie leicht es für Banken ist,
sich gegenseitig im Weg der Kreditgeldschaffung gegenseitig Eigenkapital
zuzuschustern, das dann im Krisenfall nicht wirklich Risiken abfedern
kann. Über Zwischenschaltung von Unternehmenskonstrukten in Steuer- und
Regulierungsparadiesen wie Panama lässt sich das leicht verschleiern.
Und selbst wenn das nicht geschieht: In guten Zeiten haben Banken nie
ein Problem, einen Teil von dem Geld, das sie selber als Kredit in die
Welt bringen, als Eigenkapital an sich zu ziehen.
- Die Banken beklagen, die Regulierung hätte mittlerweile überhand
genommen und beeinträchtige in unnötiger Weise ihr Geschäft – Wie sehen
Sie das?
Wie gesagt, die Regulierung geht in die falsche Richtung, und sie
beeinträchtigt auch nützliche Bankfunktionen, wie die Vergabe von
Investitionskrediten. Leider scheinen das immer die ersten zu sein, die
zurückgefahren werden. Eine sinnvolle Regulierung würde die
Kreditvergabe in den Fokus nehmen und nach Arten von Krediten
unterscheiden: Kredite für Käufe von Vermögenswerten streng limitieren,
den diese schaffen leicht Blasen und sind daher am gefährlichsten,
Konsumentenkredite etwas weniger streng begrenzen, Investitionskredite
fördern.
- Noch immer wird in Banken argumentiert, Bonuszahlungen seien
unausweichlich, um die besten Köpfe halten zu können. Die schwedische
Handelsbanken fährt dagegen ganz gut mit ihrem Verzicht auf
Bonuszahlungen – Ein Bespiel, das auch hierzulande Schule machen könnte?
Die Bonuszahlungen sind nur ein Symptom dafür, dass die
Bankenregulierung insgesamt das falsche Verhalten zulässt oder prämiert
und das richtige, etwa die Vergabe von Investitionskrediten,
benachteiligt. Wenn die Anreize für die Banken besser gesetzt würden,
wären auch Boni für die Banker kein Problem.
- In der Schweiz stimmen die Bürger am 10. Juni diesen Jahres über die
Vollgeld-Initiative ab – Könnte das der richtige Weg sein, um künftige
Finanzkrisen zu verhindern bzw. deren Folgen abzumildern?
Ja. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Beim Vollgeld schafft
nur noch die Zentralbank neues Geld, nicht mehr die Geschäftsbanken.
Allerdings wird er ohne weitere Maßnahmen keine Wunder wirken und könnte
sogar schaden, wenn er etwa dazu führen würde, dass die Banken weniger
Investitionskredite vergeben. Ich prognostiziere das nicht, aber es ist
denkbar. Sinnvoll wäre weiterhin eine nach Kreditarten differenzierende
Aufsicht.
- Könnte die Ausgabe einer digitalen Währung durch die Zentralbanken
eine weitere, sinnvolle Alternative sein?
Das geht in die gleiche Richtung. Wenn jeder Zugang zu staatlich
garantiertem digitalem Geld hat, steht den Bürgern eine ausfallsichere
Alternative zum Bankengeld zur Verfügung. Aber auch hier wäre
zusätzliche Regulierung nötig. Sonst bieten die Banken höhere Zinsen für
Einlagen, damit es bei ihnen bleibt, und sobald es Probleme gibt,
fliehen die Einleger in das staatliche Digitalgeld und verschärfen das
Problem der Banken.
- Viele sehen im Bargeld ein Relikt der Vergangenheit, für das kein
Platz bzw. keine Notwendigkeit in der Digitalmoderne mehr bestehe – Was
spricht dennoch für das Bargeld?
Bargeld hat Funktionen, die derzeit keine andere Geldform bieten kann.
Man kann damit anonym bezahlen und seine Privatsphäre schützen. Es ist
nicht von Bankenpleiten, Moratorien oder Negativzinsen betroffen. Es
erlaubt sicheres Bezahlen Zug um Zug, ohne das der Verkäufer oder Käufer
einen Vertrauensvorschuss geben muss. Und es ist billiger für die
privaten Nutzer und oft auch für die Händler und Dienstleister.
- Bislang haben digitale Währungen wie der Bitcoin sich noch nicht als
Zahlungsmittel für die Realwirtschaft etablieren können. Brauchen wir
noch weitere Evolutionsstufen?
Ich rechne nicht damit, dass sie sich etablieren. Entweder sie werden
als staatliches Geld etabliert, oder Staat und Zentralbanken werden sie
klein halten.
- Herr Dr. Häring, wie könnte das Banking in fünf Jahren aussehen?
Ich fürchte, die Banken kommen durch die neue Pflicht Finanz-Apps
Zugriff auf Kundendaten zu erlauben, ziemlich unter Druck, und der
Datenschutz mit ihnen. Banking ist im Wesentlichen spezielles
Datenmanagement. Ich nehme an, mehr davon wird künftig von
IT-Unternehmen erledigt als bisher und weniger von traditionellen
Banken, vor allem im Geschäft mit privaten Kunden. Dort wo spezielle
Beziehungen und Kenntnisse eine Rolle spielen, wird das wohl etwas
länger dauern.
- Herr Dr. Häring, vielen Dank für das Gespräch!