Von Ralf Keuper
In seinem Buch Ökonomics spielt Tim Harford ein recht anregendes Gedankenspiel durch. Und zwar überträgt er die Rententheorie von David Ricardo auf die Bankenwelt.
Als Referenz für den (Ertrags-)Wert eines Stück Ackerlandes fungierte in Ricardos Theorie das marginale Stück Land, womit dasjenige gemeint ist, welches sich an der Randlage (margin) befindet und damit die geringsten Ertragsmöglichkeiten bietet.
Der Pachtzins für die Wiesen entspricht immer dem Ertragsunterschied zwischen den Wiesen und jenen Anbauflächen, die den Farmern kostenlos zur Verfügung stehen. Solches Land nennt der Ökonom “marginales Land”, weil es die Grenze zwischen bewirtschaftetem und nicht bewirtschaftetem Land markiert, eine Randlage sozusagen.
Um die Flächen wertvoller zu machen, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie z.B. die Errichtung einer Grünzone oder heute einer Umweltzone. Dadurch wird das Land, das von dieser Zone umgeben wird, wertvoller, da sich die nutzbare Gesamtfläche verringert (vorausgesetzt die Bodenqualität der Gesamtfläche ist gleich).
Harford überträgt die Gedanken später auf die Banken, indem er drei Banken ins Spiel bringt, die Axel Banking Corporation, die Bob’s Credit and Debt und die Cornelius’ Deposit Enterprises. Von den drei Banken ist Axel Banking die fachlich kompetenteste und effizienteste, Bob’s Credit die zweitbeste, Cornelius’s in jeder Beziehung dagegen das Schlusslicht. In diesem Modell ist Cornelius’ die marginale Bank, diejenige, die den Gewinn der anderen in gewisser Hinsicht rechtfertigt.
Übertragen wir das Modell wiederum auf die aktuelle Lage. Wer ist bzw. wer sind die marginalen Banken, diejenigen also mit den schlechtesten Kennzahlen? Kommen diese noch aus den Reihen der klassischen Banken? Sind das Fintech-Startups, von denen die wenigsten Gewinne machen und deren Effizienz allein schon der Größe wegen noch nicht so voll entwickelt sein kann, wie die der etablierten Banken? Oder sind das die Internetkonzerne, wie Apple, Google, Samsung, Alibaba und Amazon, die in Sachen Effizienz den Banken gewiss nicht nachstehen, in Fragen der Regulierung und der fachlichen Kompetenz aber noch nicht als direkte Konkurrenten wahrgenommen werden? Wer befindet sich im Banking heute in der Randlage oder droht dorthin abgedrängt zu werden? Sind die Banken nicht schon längst auf dem Weg an die Randlage? Freilich – nimmt man die diversen Kennzahlen der Banken, wie die CIR, zum Maßstab, dann ist die Lage recht übersichtlich und man findet sehr schnell heraus, wer hier die Axel Banking Corporation, wer Bob’s Credit und wer Cornelius’ ist. Nur – ist das noch der bestimmende Markt, die relevante Profizone mit den höchsten Renten?
Der Grüngürtel, die Umweltzone wird in unserem Beispiel von der Regulierung repräsentiert. Diese ist für die Banken ein zweischneidiges Schwert: Einmal schützt sie vor Mitbewerbern, die, wenn sie selber voll in das Bankgeschäft einsteigen wollen, denselben Restriktionen unterliegen, die ihren Ambitionen schnell Grenzen setzen, andererseits aber verursacht sie bei den Banken enormen Aufwand, der wenig Raum für wirkliche Innovationen lässt.
Ist das aber noch für das Banking die richtige Beschreibung, die passende Umwelt, der relevante Bezugsrahmen?
Ricardos Ansatz wurde von der weiteren Entwicklung überholt. Sein Modell war zu statisch und berücksichtigte kaum oder gar nicht den technologischen Fortschritt, der neue Spielfelder entstehen ließ. Heute kommen die Digitalisierung und der Medienwandel hinzu. Die alten Flächen sind überdüngt, Erträge können nur noch unter hohem Aufwand und durch Kosteneinparungen erzielt bzw. gehalten werden. Der Grüngürtel ist nur noch Dekoration. Das eigentliche Geschäft hat sich auf andere Wiesen und Flächen verlagert, auf dem die Rollen neu verteilt werden. Die alten Flächen, die einst so fruchtbar waren und z.T. noch sind, drohen sich bald in Brachland zu verwandeln.
Der Referenzpunkt des Banking ändert sich, die marginale Bank könnte schon sehr bald die Axel Banking Corporation sein.