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Deutsche Banken vergeben so wenig Ratenkredite wie nie zuvor – nur noch jede zweite Anfrage wird genehmigt. Die restriktive Kreditvergabe verschärft sich dramatisch und trifft Verbraucher, die noch vor wenigen Jahren problemlos finanziert worden wären.
Es ist ein stiller Wandel, der sich in den Chefetagen deutscher Banken vollzieht: Während die Schlagzeilen über Zinssätze und Konjunktur dominieren, entscheidet sich im Verborgenen das Schicksal von Millionen Kreditanträgen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im August 2025 erhielten laut einer Auswertung von Verivox nur noch 46,8 Prozent der über das Portal gestellten Kreditanfragen mindestens ein Angebot – ein historischer Tiefstand, der selbst die Pandemie-Jahre in den Schatten stellt[1]Jede zweite Kreditanfrage bleibt ohne Angebot.
Die große Verweigerung
Was diese Zahl bedeutet, wird erst im historischen Kontext deutlich: Mehr als die Hälfte aller Kreditinteressenten geht heute leer aus. Selbst während der Unsicherheit der Corona-Pandemie, als die Wirtschaft nahezu zum Stillstand kam und Millionen Menschen in Kurzarbeit geschickt wurden, waren die Banken nicht so restriktiv wie heute. Ein Drittel derjenigen, die 2020 noch problemlos einen Kredit erhalten hätten, scheitert nun an den verschärften Vergabekriterien.
Diese Entwicklung markiert einen Paradigmenwechsel im deutschen Banken- und Finanzwesen. Jahrzehntelang galt die Kreditvergabe als Kernelement der Geschäftstätigkeit, heute wird sie zunehmend zur Ausnahme. Die Banken haben ihre Rolle vom Ermöglicher zum Türsteher gewandelt – mit weitreichenden Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft.
Risikoscheu als neue Normalität
Die Gründe für diese restriktive Haltung liegen auf der Hand, auch wenn sie in ihrer Tragweite überraschen mögen. Die Risikobereitschaft der Kreditinstitute ist dramatisch gesunken. Konjunkturschwäche, gestiegene Arbeitslosigkeit und eine allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit haben dazu geführt, dass die Banken ihre Prüfverfahren verschärft und ihre Ablehnungsquoten erhöht haben.
Besonders bemerkenswert ist dabei die Angst vor erhöhten Kreditausfällen. Während in der Vergangenheit statistische Ausfallraten als kalkulierbares Geschäftsrisiko betrachtet wurden, dominiert heute eine präventive Risikominimierung. Banken bevorzugen es, potenzielle Problemkredite von vornherein zu vermeiden, anstatt sie durch entsprechende Zinsmärgen zu kompensieren.
Das Paradox der Zinsersparnisse
Ironischerweise profitieren diejenigen, die trotz der strengen Kriterien einen Kredit erhalten, von den besten Konditionen seit langem. Die Zinsen für genehmigte Ratenkredite sind zuletzt moderat gesunken, und Kredite über Vergleichsplattformen wie Verivox sind im Schnitt rund 1,6 Prozent günstiger als der Bundesbank-Durchschnitt. Es entsteht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der Kreditnehmer: Wer die hohen Hürden meistert, wird mit attraktiven Konditionen belohnt – alle anderen bleiben außen vor.
Diese Entwicklung verstärkt die bereits bestehenden gesellschaftlichen Ungleichheiten. Gut situierte Antragsteller mit stabilen Einkommen und makelloser Bonität können von den günstigen Zinsen profitieren, während Menschen mit unsicheren Arbeitsverhältnissen oder geringeren Einkommen systematisch ausgeschlossen werden. Das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft gerät unter Druck, wenn Finanzierung nur noch einer privilegierten Schicht zugänglich ist.
Die Streustrategie als Überlebensstrategie
Für Kreditinteressenten bedeutet die neue Realität vor allem eines: Die Zeiten, in denen man sich vertrauensvoll an die Hausbank wenden konnte, sind endgültig vorbei. Die Vergabekriterien der einzelnen Geldhäuser variieren heute so stark, dass keine Bank auf den Vergleichsplattformen mehr als 30 Prozent der Anfragen genehmigt.
Die logische Konsequenz ist eine Streustrategie: Kreditanfragen sollten an mehrere Banken gleichzeitig gestellt werden. Was früher als zeitaufwändig oder gar aufdringlich galt, ist heute zur Notwendigkeit geworden. Wer mehrere Angebote einholt, kann nicht nur seine Chancen auf eine Genehmigung erhöhen, sondern auch von den deutlichen Zinsersparnissen zwischen verschiedenen Anbietern profitieren.
Volkswirtschaftliche Nebenwirkungen
Die Auswirkungen der restriktiven Kreditvergabe reichen weit über individuelle Schicksale hinaus. Der erschwerte Zugang zu Ratenkrediten bedeutet, dass viele private Investitionen verschoben werden müssen. Autokäufe, Renovierungen, Möbelanschaffungen oder andere größere Ausgaben werden aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten hinausgeschoben oder ganz gestrichen.
Diese Investitionszurückhaltung verstärkt die konjunkturelle Schwäche und schafft einen Teufelskreis: Die schwache Konjunktur führt zu restriktiverer Kreditvergabe, diese wiederum schwächt den privaten Konsum und damit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Besonders betroffen sind Branchen wie der Automobilhandel, der Möbelhandel und das Baugewerbe, die traditionell stark von der Kreditfinanzierung abhängen.
Der Wandel der Bankenlandschaft
Die aktuelle Entwicklung spiegelt auch einen grundlegenden Wandel in der deutschen Bankenlandschaft wider. Während früher die Kreditvergabe als gesellschaftliche Aufgabe und Geschäftschance zugleich verstanden wurde, dominiert heute eine rein betriebswirtschaftliche Betrachtung. Die Banken haben sich von Partnern der Realwirtschaft zu vorsichtigen Kapitalverwaltern gewandelt.
Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende Digitalisierung und Standardisierung der Kreditvergabe. Algorithmus-basierte Bonitätsprüfungen ersetzen individuelle Beratungsgespräche, statistische Risikomodelle dominieren über Einzelfallbetrachtungen. Diese Entwicklung mag effizienter sein, führt aber auch zu einer Enthumanisierung des Kreditgeschäfts.
Ausblick: Kreditvergabe im Wandel
Die Frage ist, ob die aktuelle Restriktivität der Banken eine vorübergehende Reaktion auf wirtschaftliche Unsicherheiten ist oder sich als neue Normalität etabliert. Vieles spricht dafür, dass sich die Kreditvergabe grundlegend gewandelt hat. Regulatorische Anforderungen, verschärfte Eigenkapitalvorschriften und ein gestiegenes Risikobewusstsein lassen erwarten, dass die Banken auch in Zukunft vorsichtiger agieren werden.
Für Verbraucher bedeutet dies eine dauerhafte Veränderung der Finanzierungslandschaft. Wer heute einen Ratenkredit benötigt, muss sich auf eine Zeit einstellen, in der Geduld, Vergleich und strategisches Vorgehen entscheidend sind. Die spontane Kreditaufnahme gehört der Vergangenheit an – an ihre Stelle tritt eine Welt, in der Finanzierung zur sorgfältig geplanten Ausnahme wird.
Fazit: Neue Spielregeln für alte Bedürfnisse
Die deutsche Kreditlandschaft durchlebt ihren tiefgreifendsten Wandel seit Jahrzehnten. Banken haben ihre Rolle als Finanzierungspartner der Verbraucher neu definiert und setzen auf Risikominimierung statt auf Geschäftswachstum. Für Kreditinteressenten bedeutet dies, dass die alten Gewissheiten nicht mehr gelten: Wer heute eine Finanzierung benötigt, muss härter kämpfen, breiter suchen und geduldiger warten.
Gleichzeitig bietet die neue Realität auch Chancen: Wer die Spielregeln versteht und strategisch vorgeht, kann von den besten Konditionen seit Jahren profitieren. Die Zeiten einfacher Kreditvergabe sind vorbei – die Zeit der bewussten, vergleichenden Finanzierung hat begonnen.
References
↑1 | Jede zweite Kreditanfrage bleibt ohne Angebot |
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