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Von Ralf Keuper
Laut einer Auswertung von Barkow-Consulting hat die Zahl der Beschäftigten im Bankgewerbe im vergangenen Jahr um 1,1 Prozent auf 554.000 zugenommen. Es handelt sich indes um keine Trendwende. Der Personalabbau wird in den nächsten Jahren weitergehen und wahrscheinlich an Fahrt gewinnen. Es braucht schon einiges an guten Willen, um, wie Peter Barkow, aus den Zahlen eine Beschäftigungswende herauszulesen[1]Banken: Deutsche Banken verzeichnen stärksten Mitarbeiteranstieg seit Jahrzehnten. Die Feststellung, dass es in den letzten 25 Jahren im Bankwesen drei Beschäftigungsanstiege gab und dies der zweite in Folge und der höchste seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1999/2000 ist, ist angesichts der Tatsache, dass in dem gleichen Zeitraum die Zahl der Beschäftigten unterm Strich signifikant gesunken ist[2]Weniger Jobs im deutschen Kreditgewerbe, schlicht sinnfrei – der Erkenntnisgewinn ist gleich null.
Mehrere Faktoren werden als Ursache für den (kurzfristigen) Personalanstieg genannt:
- Demografischer Wandel: Viele Banken erwarten in den kommenden Jahren eine Welle von Renteneintritten, da ein erheblicher Teil der Belegschaft älter als 55 Jahre ist. Um Wissenslücken zu vermeiden, werden Stellen teils doppelt besetzt.
- Neue Anforderungen: Themen wie Künstliche Intelligenz, Regulatorik und Nachhaltigkeit erfordern zusätzliche Fachkräfte, insbesondere in IT und Compliance.
- Fachkräftemangel: Der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende zwingt Banken, aktiver Personal zu gewinnen und zu binden.
- Transformation und Digitalisierung: Trotz weiterem Filialabbau und Kostendruck entstehen neue Aufgabenfelder, die zusätzliche Kompetenzen erfordern.
Einordnung und Ausblick
Der Zuwachs von 1,1% bei den Bankbeschäftigten 2024 ist gering und relativiert sich im Langfristvergleich deutlich. Die Zahl der Beschäftigten im deutschen Kreditgewerbe ist über Jahrzehnte massiv gesunken – von rund 745.000 im Jahr 1991 auf etwa 538.000 im Jahr 2023. Die leichte Erholung 2024 ist eine Ausnahme im Abwärtstrend und keineswegs eine Trendwende.
Landesbanken und Großbanken bauen weiterhin Personal ab.
Die Landesbanken haben 2024 insgesamt Personal abgebaut, wie die Zahlen von BayernLB (minus 649), NordLB (minus 235) und auch der Deka und DZ Bank (zusammen rund 8.000 weniger Beschäftigte) zeigen. Lediglich einzelne Institute wie LBBW und Helaba verzeichneten punktuelle Zuwächse, meist in Spezialbereichen wie IT.
Automatisierung und KI beschleunigen den Personalabbau.
KI-Technologien ermöglichen eine weitreichende Automatisierung von Standard- und zunehmend auch wissensintensiven Tätigkeiten. Europas Banken, darunter auch deutsche Institute, setzen verstärkt auf KI, was zu weiteren Stellenstreichungen führen wird. Prognosen gehen davon aus, dass bis zu jeder zweite Arbeitsplatz im Bankensektor durch KI gefährdet ist.
Fachkräftemangel ist differenziert zu betrachten.
Zwar gibt es viele offene Stellen (allein im ersten Quartal 2024 waren fast 40.000 Jobs ausgeschrieben), doch handelt es sich dabei oft um sehr spezifische Profile, etwa im IT-Bereich oder bei regulatorischen Anforderungen. Gleichzeitig ist die Angst vor Jobverlust in der Branche groß: 43 Prozent der Beschäftigten befürchten laut Umfragen Arbeitsplatzverluste, 61 Prozent der Institute planen in den nächsten zwölf Monaten Stellenabbau. Die große Zahl von offenen Stellen ist also kein Beleg für einen generellen Fachkräftemangel, sondern zeigt vielmehr die Diskrepanz zwischen den gefragten Qualifikationen und den vorhandenen Kompetenzen[3]Anmerkungen zum Fachkräftemangel im Bankgewerbe.
Demografischer Wandel führt zu Fluktuation, aber nicht zwangsläufig zu einem existenziellen Personalmangel. Zwar gehen in den nächsten zehn Jahren viele Beschäftigte in Rente (bei den Sparkassen etwa 45.000, ein Viertel der Belegschaft), doch viele dieser Tätigkeiten können durch Automatisierung ersetzt werden. Die Lücke, die durch das Ausscheiden entsteht, ist daher weniger bedrohlich als oft dargestellt.
Die wirtschaftliche Gesamtlage verschärft die Situation. Die Zahl der offenen Stellen in Deutschland sinkt insgesamt, selbst im IT-Sektor stagniert die Nachfrage. Die Banken sind von der strukturellen Krise der deutschen Wirtschaft nicht ausgenommen, was sich auch in der steigenden Risikovorsorge widerspiegelt.
Fazit:
Die Berichte über einen deutlichen Personalaufbau bei Banken sind angesichts der geringen Steigerung und der weiterhin dominierenden Abbau- und Automatisierungstrends zu relativieren. Der demografische Wandel führt zwar zu Fluktuation, aber nicht zu einem generellen Fachkräftemangel. Vielmehr ist die Branche im Umbruch: Automatisierung, KI und wirtschaftlicher Druck beschleunigen den Abbau klassischer Stellen[4]KI bedroht jeden zweiten Arbeitsplatz im Bankensektor, während punktuell spezialisierte Fachkräfte gesucht werden. Die Angst vor Jobverlust ist in der Belegschaft berechtigt und wird durch die aktuellen Entwicklungen bestätigt.
References