Von Ralf Keuper
Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Deutsche Bank in den Jahrzehnten nach dem Ende des 2. Weltkrieges das deutsche Finanzsystem wie kein anderes Institut geprägt hat. Zusammen mit der Nummer 2, der Dresdner Bank, und der Nummer 3, der Commerzbank, verlieh die Deutsche Bank der deutschen Wirtschaft die nötige Stabilität, was sich für den Wiederaufbau und die spätere Entwicklung als Vorteil erweisen sollte. Die berühmte Deutschland AG sorgte dafür, dass alles in mehr oder weniger geregelten Bahnen verlief. Man kannte sich, man respektierte sich, die Reviere zwischen den Großbanken waren abgesteckt; durch ihre Industriebeteiligungen, wie an Daimler-Benz, und ihre Funktion als Hausbank zog die Deutsche Bank eine Art Schutzring um die heimische Wirtschaft. Der Stakeholder Value war wichtiger als der Shareholder Value. Man war auf Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessengruppen bedacht; die Gewerkschaften und Betriebsräte wurden fest eingebunden. Die Chefs der Deutschen Bank standen über Jahrzehnte eng mit der jeweiligen Regierung in Kontakt; einige, wie Hermann Josef Abs und Alfred Herrhausen, waren enge Berater der jeweiligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Die Verbindung in die Regionen war intensiv, die Deutsche Bank, ebenso wie die Sparkassen und Volksbanken, dezentral organisiert. Dann, in den 1980er Jahren setzte ein Wandel ein, der eine Abkehr von der Geschäftspolitik der vorangegangenen Jahrzehnte bedeutete und damit zu Veränderungen führte, die bis heute anhalten und die Bank an den Rand des Ruins gebracht haben.
Wie kam es dazu, welche strategischen Entscheidungen trugen dazu bei, welche Personen waren es, die hier die Weichen stellten, welche organisationsinternen Faktoren waren mitverantwortlich und wie stellt sich die Entwicklung mit Blick auf die Geschichte der Deutschen Bank dar? Wie wichtig ist die Deutsche Bank heutzutage für die Finanzstabilität in Deutschland und kann die Deutsche Bank, sofern die aktuelle Strategie greifen sollte, wieder an ihre alte Rolle anknüpfen?
Wer sich dafür interessiert, sollte unbedingt einen Blick in German Finanzkapitalismus : A Narrative of Deutsche Bank and its Role in the German Financial System von Reinhard H. Schmidt werfen.
Die Anfänge
Schmidt teilt die Geschichte der Deutschen Bank grob in die Zeit vor und nach dem 2. Weltkrieg ein. Unter ihrem ersten Chef Georg von Siemens arbeitete sich die Deutsche Bank in die erste Reihe unter den Bankhäusern in Deutschland empor. Georg von Siemens, ein Neffe von Werner von Siemens, dem Gründer des Siemens-Konzerns, hatte quasi schon von zu Hause aus einen Draht zur aufkommenden Großindustrie. Neben Franz Fürstenberg zählt Georg von Siemens zu den einflussreichsten und erfolgreichsten Bankiers des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Früh wandte sich die Bank der Finanzierung großer Projekt…