Von Ralf Keuper
In seinem Buch Kinder. Der Tod ist gar nicht so schlimm. Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie beschreibt Tim Renner den Wandel, den die Musik-und Medienindustrie in den letzten Jahren durchlaufen hat. Dieser führte dazu, dass die einst marktbeherrschenden Majors seitdem die Macht mit den neuen Anbietern, wie Amazon und Apple teilen müssen. Häufig fungieren sie nur noch als Zulieferer.
Allzu lange, so Renner, herrschte in der Musik- und Medienindustrie die Auffassung, dass Künstler, Handel und Kunden an ihnen nicht vorbei kommen. Technologische Innovationen wurden zwar zur Kenntnis genommen, konnten das Weltbild jedoch nicht ins Wanken bringen. Sofern eine technologische Entwicklung wirklich von Dauer und für das Geschäft von Nutzen war, wurde sie in das Geschäftsmodell integriert. Weitere Änderungen waren nicht nötig.
Renner schreibt:
Vertikale Integration scheint für die Musikindustrie eigentlich immer nur zu bedeuten, dass sie sich integrieren lässt, sobald eine technische Innovation durchzusetzen ist. Auch in Zeiten gewaltiger Umsätze und Renditen, ob in den zwanziger, sechziger, siebziger oder neunziger Jahren, unternahm sie selbst nie einen ernsthaften Anlauf, den Spieß umzudrehen, die Geräte offensiv an sich zu binden und somit Entwicklungen selbst moderieren zu können. Es scheint, als würde sich die Innovationskraft der Musikfirmen in der Konzentration auf den Inhalt erschöpfen. Als gesellschaftlicher Treiber agieren die Künstler und ihre Inhalte. Als Firmen werden sie weiterhin getrieben – von technologischen Neuerungen.
Die Banken befinden sich inzwischen in einer ähnlichen Situation wie die großen Musik- und Medienkonzerne seinerzeit. Technologische Innovationen im Banking kommen derzeit hauptsächlich von den diversen FinTech-Startups. Einige Banken sind bereits dazu übergegangen, sich intensiv mit dieser relativ neuen Szene zu beschäftigen. Die BBVA hat bereits eine eigene Venture Capital – Gesellschaft, BBVA Ventures, gegründet, die mehr als ein Auge auf die aktuellen Trends im Banking wirft. Dass die Bank es nicht nur bei der Beobachtung belässt, zeigt nicht zuletzt die Übernahme von Bank Simple.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgen die Barclays Bank und die israelische Bank Leumi mit ihren Accelerator-Programmen.
Die Zahl der Banken, die sich nicht mehr allein auf ihre Schlüsselstellung als Finanzintermediär verlassen, steigt, wenn auch langsam. Der Glaube, dass die Kunden an ihnen nicht vorbei kommen und sie sich weiterhin darauf beschränken können, die Entwicklung abzuwarten, gerät ins Wanken.
Wenn nur eines von zehn FinTech-Startups wirklich den Durchbruch schaffen und sich zu einem Google des Banking entwickeln sollte, dann könnte ihnen ein ähnliches Schicksal wie der Musik- und Medienindustrie blühen.
Allerdings befinden sich die Banken in einer nicht wirklich beneidenswerten Lage: Auf welches FinTech-Startup soll man setzen? Welches lässt sich in die Bank integrieren, ohne gleich eine Kulturrevolution auszulösen? Behält das Startup auch nach der Übernahme seinen Gründergeist? Was, wenn man auf das falsche Pferd gesetzt hat? Wer will und kann die Verantwortung tragen? Oder ist das letztlich doch nur ein Hype? …
Zugegeben: Eine verzwickte Lage