Von Ralf Keuper
Als Geburtsstunde der Disziplin des Strategischen Managements gilt die Veröffentlichung des Beitrags Managing Strategic Surprise by Response to Weak Signals von Igor Ansoff. Ansoff argumentiert darin, dass traditionelle strategische Planungsmethoden nicht ausreichen, um die zunehmende Häufigkeit und den Einfluss unvorhergesehener Diskontinuitäten zu mindern. Ansoff hebt die Grenzen hervor, die sich aus dem alleinigen Vertrauen auf starke Signale und extrapolatorische Prognosen ergeben, insbesondere wenn man mit Ereignissen konfrontiert wird, die aus fremden Technologien, neuen Wettbewerbern oder unvorhergesehenen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen stammen. Die Ölkrise der 1970er Jahre diente als Paradebeispiel, da sie zeigte, wie selbst Unternehmen mit ausgefeilten Planungssystemen unvorbereitet erwischt wurden.
Der Kern von Ansoffs Argumentation liegt im Konzept der “strategischen Überraschung” – plötzliche, dringende und ungewohnte Veränderungen, die große Gewinnrückgänge oder verpasste Chancen bedrohen. Er schlägt zwei Ansätze zur Bewältigung dieser Überraschungen vor: Krisenmanagement (reaktiv) und strategische Vorsorge (proaktiv). Ansoff plädiert für einen Wandel von der Abhängigkeit von starken Signalen in der strategischen Planung hin zu einer graduellen Reaktion auf “schwache Signale”.
Schwache Signale sind vage, unpräzise und oft schwer zu interpretieren. Sie sind Hinweise auf potenzielle, aber noch nicht vollständig ausgeprägte Diskontinuitäten. Es handelt sich um Informationen, die für sich genommen noch keine klare Vorhersage erlauben, aber dennoch auf bedeutende zukünftige Veränderungen hindeuten können. Beispiele für schwache Signale wären:
- Gerüchte und Spekulationen: Informationen aus informellen Quellen, die auf neue Technologien, Marktstrategien oder politische Entwicklungen hinweisen.
- Unkonventionelle Daten: Daten, die nicht in herkömmliche Modelle passen oder die von etablierten Prognosemethoden nicht erfasst werden.
- Anekdotische Evidenz: Einzelfälle oder Beobachtungen, die auf einen Wandel hindeuten, aber noch nicht statistisch signifikant sind.
- Änderungen im Verhalten von Schlüsselgruppen: Veränderungen im Konsumverhalten, in den Investitionsentscheidungen von Wettbewerbern oder in der Gesetzgebung.
Ansoffs Methode betont die Bedeutung der systematischen Erkennung und Interpretation schwacher Signale, um frühzeitig auf potenzielle Diskontinuitäten reagieren zu können und so die Wahrscheinlichkeit strategischer Überraschungen zu minimieren. Die Reaktion auf schwache Signale ist graduell und beginnt mit dem Aufbau von Bewusstsein und Flexibilität, bevor direkte Aktionen unternommen werden.
Ein weiterer Baustein des Konzepts ist die “logistische Flexibilität”, welche die Bedeutung anpassungsfähiger Ressourcen und Fähigkeiten betont, um eine schnelle Neupositionierung als Reaktion auf sich ändernde Marktbedingungen zu ermöglichen. Dies steht im Gegensatz zur traditionellen Betonung von Spezialisierung und Effizienz, die Unternehmen anfällig für unerwartete Veränderungen machen kann. Ansoff betont die Notwendigkeit von Managementflexibilität, einschließlich Anpassungsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeiten und Kreativität, als entscheidende Bestandteile strategischer Vorsorge. Weiterhin plädiert er für die Herausbildung der Strategischen Entschlossenheit, womit ein organisationaler Geisteszustand – eine Kultur – sowie eine besondere Kompetenz gemeint ist.
Inwieweit lässt sich und das Konzept der Weak Signals und der Strategischen Überraschung auf die aktuellen Herausforderungen durch die fortschreitende Digitalisierung und die Verbreitung von KI in Gestalt großer Sprachmodelle und KI-Agentensysteme anwenden?
Hier als automatisch mit notebooklm.google erstellter Podcast zu dem Text
Akutalitätscheck des Ansoff’schen Konzepts
Früherkennung disruptiver Technologien durch Weak Signals
Ansoff definiert Weak Signals als vage, frühe Hinweise auf zukünftige Veränderungen, die disruptive Auswirkungen haben können. Im Kontext der Digitalisierung bedeutet dies:
- KI-Entwicklungen als Weak Signals: Frühe Anwendungen von Sprachmodellen oder autonomen KI-Agenten können als Hinweise auf tiefgreifende Marktverschiebungen interpretiert werden.
- Umwelt-Scanning: Systematische Beobachtung technologischer Trends, regulatorischer Änderungen und Verbraucherverhalten, um Signale zu identifizieren, die auf KI-bedingte Disruptionen hindeuten.
Flexible Reaktionsstrategien bei Unsicherheit
Ansoff betont, dass traditionelle Planungsmethoden in turbulenten Umgebungen versagen. Für KI und Digitalisierung gilt:
- Agile Entscheidungsprozesse: Schnelle Anpassung von Geschäftsmodellen, z. B. durch Experimentieren mit KI-Tools wie C…