Von Ralf Keuper

Kei­ne Fra­ge: Im Ban­king wird kaum ein Stein auf dem ande­ren blei­ben – und doch: Hin­ter all dem Wan­del blei­ben die Kon­tu­ren des­sen bestehen, was seit eini­gen Gene­ra­tio­nen, eigent­lich noch län­ger, mit einer “Bank” asso­zi­iert wird. Da die­ser Blog den Stil­wan­del im Ban­king beleuch­tet, ist es nahe lie­gend, eini­ge Anlei­hen in der Ver­gan­gen­heit und bei ande­ren Dis­zi­pli­nen zu machen.

Der Begriff der Kri­ti­schen Rekon­struk­ti­on stammt aus der Archi­tek­tur­theo­rie; ihr Urhe­ber ist der Archi­tekt Paul Klei­hus. Für Klei­hus war der “voll­stän­di­ge Bruch mit der his­to­ri­schen Alt­stadt­struk­tur” nach dem Krieg eine “Fehl­ent­wick­lung und erheb­li­cher Stör­fak­tor”. Neu­er­dings fol­gen immer mehr Städ­te dem Dik­tum von Klei­hus, wie Lübeck und Frank­furt am Main.

Frü­her noch als in Lübeck und Frank­furt, folg­te man in Müns­ter nach dem 2. Welt­krieg den Prin­zi­pi­en der Kri­ti­schen Rekon­struk­ti­on, ohne dass der Begriff damals schon bekannt war. Der Phi­lo­soph Her­mann Lüb­be fand für die­se im Nach­hin­ein weg­wei­sen­de und rich­ti­ge Ent­schei­dung loben­de Worte:

Hier gab es noch einen unbe­schä­dig­ten Bür­ger­sinn … Müns­ter hat gezeigt, wie man’s machen muss. Die müns­ter­sche Ableh­nung moder­nis­ti­scher Tabu­la-rasa Archi­tek­tur zu Guns­ten eines his­to­ri­sie­ren­den Auf­baus zeigt aber kei­ne Rück­wärts­ge­wandt­heit und Zukunfts­scheu. In Müns­ter spie­gel­te sich die Erfah­rung von Kon­ti­nui­tät. Und Bedeu­tung sowie Inter­es­se an die­sen dau­er­haft wir­ken­den Her­kunfts­be­stän­den nimmt in einer Zeit sich rasant ver­än­dern­der Lebens­wel­ten zu, so dass die auch dem Erst­be­su­cher die­ser Stadt auf­fäl­li­ge Her­kunfts­treue Müns­ters die Ver­hei­ßung hat, ein Indiz von beson­de­rer Zukunfts­fä­hig­keit zu sein. (in: Müns­ter. Wie­der­auf­bau und Wan­del. Mit 500 Abbil­dun­gen, von Bernd Haunfelder)

In sei­nen Essay Die Moder­ni­tät des Dau­er­haf­ten schreibt Vitto­rio Lampugnani:

Das Neu­ar­ti­ge als eigen­stän­di­ger Wert ist eine Erfin­dung der Roman­tik. Bis zur zwei­ten Hälf­te des 18. Jahr­hun­derts lau­te­ten die Kri­te­ri­en, an denen eine schöp­fe­ri­sche Arbeit gemes­sen wur­de, Har­mo­nie, Voll­endung, Aus­ge­wo­gen­heit und Per­fek­ti­on. Mit dem Auf­kom­men der Roman­tik ver­än­dert sich die Lage von Grund auf: Plötz­lich hei­ßen die Beur­tei­lungs­ka­te­go­rien Dis­so­nanz, Nicht­voll­endung, Über­ra­schung. Und vor allem: Neuartigkeit.

Gute Archi­tek­tur zeich­net sich durch ein aus­ge­wo­ge­nes Maß an Neu­em und Bewähr­tem aus. Über­tra­gen auf das Ban­king bedeu­tet das: Was ist zu bewah­ren, was muss über Bord gewor­fen wer­den? Ergibt es noch Sinn, an Filia­len fest­zu­hal­ten, hat sich Regio­nal­prin­zip über­holt, ist die Uni­ver­sal­bank noch zeitgemäß?

Sicher: Den meis­ten Fin­tech-Start­ups fehlt (noch) ein “nach­hal­ti­ges” Geschäfts­mo­dell. Trotz­dem sind hier kei­ne Ide­al-Roman­ti­ker am Werk, son­dern – jeden­falls in der Mehr­zahl – Unter­neh­men, die ein Defi­zit erkannt und eine Lösung dafür kre­iert haben. Sie decken scho­nungs­los die Schwä­chen des alten Ban­king auf. Sie bau­en kei­ne Kathe­dra­len, son­dern ähneln eher einer Zelt­mis­si­on. Und doch sind sie ein wesent­li­cher Bau­stein, der bei der kom­men­den Kri­ti­schen Rekon­struk­ti­on der Bank berück­sich­tigt wer­den muss, wer­den wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert