Von Ralf Keuper
Mit Wehmut blickte Stefan Zweig in seiner autobiografischen Schrift Die Welt von Gestern auf die Zeit unter Kaiser Franz Josef II. zurück. Eine Welt, die mit dem Tode des Monarchen im Jahr 1916 ihr vorläufiges und zwei Jahre später mit der Auflösung von Österreich-Ungarn ihr absolutes Ende fand. Zwar war diese Welt auch nicht frei von Fehlern; jedoch waren die Rollen bzw. Stände klar gegliedert, der Kaiser schwebte über allem und sorgte mit seiner Person für ein Mindestmaß an Identifikation und Harmonie. Danach war nichts mehr so wie es war. Die alten Rollenmuster hatten sich überlebt, der Adel seine Macht verloren und von Österreich-Ungarn mit 50 Mio. Einwohnern blieb nur noch – Österreich mit 6 Mio. Einwohnern.
Die Sparkassen bzw. ihre Funktionäre scheinen bei ihren Handlungen ebenfalls noch von Vorstellungen und Erinnerungen geleitet zu werden, die aus einer
glorreichen Vergangenheit stammen, die es zu bewahren gilt. Wie Regionalfürsten pochen sie auf ihre quasi von Gott gegebenen Privilegien. Sie handeln jedenfalls im höheren Auftrag, was sie vor Kritik und den Launen des Zeitgeistes schützt. Letzterer tritt den ehrwürdigen Institutionen in Form der sog. Digitalisierung gegenüber. Die Untertanen, sprich Kunden, beginnen aufzubegehren und einige wagen es sogar, ihrem Lehnsherren die Gefolgschaft zu kündigen. Auf ihren Hoftagen, auch Sparkassentage genannt, beklagen die Fürsten derweil diese Form groben Undanks, vergessen dabei aber nicht, ihre Untertanen mit der Ankündigung einiger Reformen milde zu stimmen. Eine neue Super-Institution, in Fachkreisen als “Superlandesbank” bezeichnet, soll den alten Glanz wiederherstellen, ein ehrfürchtiges Staunen auf die Gesichter der Kunden zaubern und den Herrschaftsanspruch unterstreichen.
Das Reformwerk indes bedarf noch der Vermittlung. Die Regionalfürsten sehen in jedem Schritt, der als Reverenz an die sog. Digitalisierung und den Zeitgeist gewertet werden könnte, einen unerlaubten Eingriff in die göttliche Ordnung. Eine Anwendung namens Yomo findet dabei ebenso wenig Zuspruch wie der gemeinsam mit den anderen Regionalfürsten von den Genossenschaftsbanken ins Leben gerufene Identifizierungsdienst YES. Da zeigt sich selbst die katholische Kirche, die mit ihrer zweitausendjährigen Geschichte hier den “Benchmark” setzt, wandlungsfähiger.
Indes, das Reich beginnt zu schrumpfen. Die Zahl der Mitarbeiter sinkt ebenso kontinuierlich wie die der Stützpunkte vor Ort – der Filialen; als Ausbildungsbetrieb wegen fehlender Zukunftsfähigkeit sind Sparkassen nur noch zweite Wahl. Derweil findet eine Invasion statt. Neue Mitspieler, überwiegend aus Übersee, dehnen ihren Einflussbereich kontinuierlich aus. Immer mehr Vasallen wandern in die neuen Gebiete aus. Damit sind die Pfründe gefährdet. Die digitale Revolution hat die Sparkassenwelt erreicht (Vgl. dazu: Die alte Bank und die digitale Revolution). Die vertrauten Fluchtwege führen immer häufiger in eine Sackgasse.